Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Gegen einen Bescheid, durch den Anträge auf Genehmigung der Schuldübernahme nach § 60 LAG oder Aufteilung der Vermögensabgabe nach § 67 LAG abgelehnt werden, ist das Berufungsverfahren gegeben.
Auf Rechtsmittel gegen diesen Bescheid ist § 239 Abs. 3 AO entsprechend anzuwenden. Rechtsmittel mehrerer Beteiligter sind zu verbinden. Die durch das Gebot eines einheitlichen Verfahrens und einer einheitlichen Rechtsmittelentscheidung zwangsläufige Offenbarung von Verhältnissen eines Beteiligten an den anderen Beteiligten ist im Sinne des § 22 Abs. 2 Ziff. 1 AO nicht unbefugt.
Die in §§ 14 Abs. 1 und 3, 46 und 48 der 14. AbgabenDV-LA enthaltene Regelung ist nicht gesetzwidrig.
AO §§ 235 Ziff. 5, 229 Abs. 1 n. F. (228 a. F.), 239 Abs. 3, 22 Abs. 2 Ziff. 1; LAG §§ 60 Abs. 1, Abs. 3,
Normenkette
AO § 235 Nr. 1, § 229/1, § 229/6, § 239 Abs. 3, § 241/3, § 22 Abs. 2 Nr. 1; LAG § 60 Abs. 1, 3, § 67 Abs. 1, § 203 Abs. 1; 14-AbgabenDV-LA 14/1; 14-AbgabenDV-LA 14/3; 14-AbgabenDV-LA 46; 14-AbgabenDV-LA 48
Tatbestand
Der Bg. erhielt auf Grund eines übergabevertrags vom Jahre 1951 von seiner Mutter einige Grundstücke und eine Fabrik. Er verpflichtete sich dafür zu einer Reihe von Gegenleistungen, wie Zahlung einer Leibrente an seine Mutter und eines Elterngutes an seine Schwester, Verzicht auf sein gesetzliches Erbrecht sowie übernahme aller Lastenausgleichsverpflichtungen seiner Mutter aus dem übernommenen Vermögen.
Im Jahre 1959 reichte der Bg. mit seiner Mutter einen gemeinsamen Schuldübernahmeantrag nach § 60 LAG ein. Hilfsweise beantragte er auch die Aufteilung der Vermögensabgabe nach § 67 LAG, da durch den übergabevertrag eine vorweggenommene Erbteilung erfolgt sei.
Das Finanzamt lehnte die Anträge ab. Der Bg. und seine Mutter legten Einspruch ein. Das Finanzamt wies den Einspruch des Bg. zurück. Die Entscheidung über den Einspruch der Mutter setzte es aus, weil diese mit der schlechten wirtschaftlichen Lage des Bg. begründet werden müßte, was mit Rücksicht auf das Steuergeheimnis nicht zulässig sei.
Auf die Berufung des Bg. hob das Finanzgericht die Einspruchsentscheidung auf und verwies die Sache an das Finanzamt zurück. Es führte aus, nach § 14 Abs. 1 der Vierzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (14. AbgabenDV-LA) seien auf Bescheide über die Genehmigung oder die Ablehnung der Genehmigung der Schuldübernahme die für Steuerbescheide geltenden Vorschriften anzuwenden. Diese Vorschrift sei durch die Ermächtigung des § 60 Abs. 3 LAG nicht gedeckt. Diese Ermächtigung könne nur dahin ausgelegt werden, daß sich die zu erlassende Rechtsverordnung darauf beschränken müsse, den Willen des Gesetzgebers ausführungsreif zu machen. Mit einem weitergehenden Inhalte würde die Ermächtigung Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) widersprechen. Da aber § 60 Abs. 1 LAG lediglich die Voraussetzungen und Wirkungen der Genehmigung einer Schuldübernahme regele, diene die Bestimmung des § 14 der 14. AbgabenDV-LA nicht allein der Durchführung des Gesetzes, sondern schaffe mit den Verfahrensbestimmungen gesetzvertretendes Recht, wozu die Ermächtigung nicht ausreiche. Da die Genehmigung der Schuldübernahme auch nicht als Steuerbescheid angesehen werden könne und auch keiner der Tatbestände des § 235 AO erfüllt sei, hätte der Bescheid des Finanzamts nur mit der Beschwerde nach § 237 AO angefochten werden können. Das Verfahren des Finanzamts leide daher an einem wesentlichen Mangel. Die Sache sei nach § 284 AO an das Finanzamt zurückzuverweisen, da mit der Entscheidung über die Genehmigung Ermessensfragen verbunden seien. Zu einer sachlichen Prüfung des Antrages auf Aufteilung der Abgabeschuld sei kein Raum, da dieser weniger weit gehe als der Antrag auf Schuldübernahme.
Mit der Rb. macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, die Genehmigung einer Schuldübernahme gemäß § 60 LAG habe zur Folge, daß gegen den Erwerber Vermögensabgabe-Vierteljahresbeträge festgesetzt würden, von denen der Veräußerer im gleichen Umfange von der Vermögensabgabe freigestellt werde. Der Genehmigungsbescheid habe deshalb sowohl die Wirkung eines Steuer- als auch eines Freistellungsbescheides. Es lasse sich die Auffassung vertreten, daß gegen einen derartigen Bescheid nach der AO das Berufungsverfahren gegeben sei. Im übrigen regle § 60 Abs. 1 und 2 LAG die Schuldübernahme nicht nur materiell-rechtlich, sondern auch verfahrensrechtlich. Es sei daher nicht einzusehen, warum die Bestimmung des § 14 Abs. 1 der 14. AbgabenDV-LA nicht auch als Teil der Durchführung des im LAG nur in den Grundzügen normierten Schuldübernahmeverfahrens angesehen werden könne.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung an das Finanzamt.
Nach den Vorschriften der §§ 235 Ziff. 5, 229 Abs. 1 AO n. F. (ß 228 AO a. F.), die gemäß § 203 Abs. 1 LAG auf die Ausgleichsabgaben anzuwenden sind, ist das Berufungsverfahren auch gegen Bescheide über Steuervergünstigungen gegeben, auf deren Gewährung oder Belassung ein Rechtsanspruch besteht. Steuervergünstigungen im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur Vergünstigungen, die sich unmittelbar auf die Höhe der Steuer auswirken, sondern auch Steuererleichterungen, die die Art und Weise ihrer Entrichtung betreffen. Eine solche Steuervergünstigung liegt in der Genehmigung der Schuldübernahme nach § 60 LAG.
Ohne diese Genehmigung ist der Veräußerer auf Grund der Bestimmungen des LAG gegenüber dem Finanzamt und der Erwerber unter Umständen auf Grund des Schuldübernahmevertrages gegenüber dem Veräußerer verpflichtet, die Abgabeschuld zu erfüllen. Diese Rechtslage wird vereinfacht und die Entrichtung der Vermögensabgabe für die Beteiligten erleichtert, wenn auf Grund der Genehmigung der Schuldübernahme der bereits zivilrechtlich verpflichtete Erwerber auch mit öffentlich-rechtlicher Wirkung gegenüber dem Finanzamt als Abgabeschuldner an die Stelle des Veräußerers tritt (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 4 LAG). Auf diese Steuererleichterung haben die Antragsteller einen Anspruch, wie sich aus den Worten "ist zu genehmigen" in § 60 Abs. 1 Satz 1 LAG ergibt. Gegen Bescheide über die Genehmigung der Schuldübernahme nach § 60 LAG und deren Ablehnung ist daher das Berufungsverfahren gegeben. Einer Prüfung der Frage, ob es sich bei diesen Bescheiden um Steuerbescheide handelt, bedarf es nicht.
Die in § 14 Abs. 1 der 14. AbgabenDV-LA getroffene Anordnung, daß auf die Genehmigung der Schuldübernahme und deren Ablehnung die für Steuerbescheide geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden seien, enthält daher jedenfalls insoweit, als die Zulässigkeit des Berufungsverfahrens in Frage steht, keine über die einschlägigen Vorschriften des LAG und der AO hinausgehende Regelung, sondern eine Klarstellung, die auch durch Auslegung dieser Vorschriften gewonnen werden kann. Es bedarf daher insoweit keiner Erörterung, ob § 14 Abs. 1 der 14. AbgabenDV-LA durch die Ermächtigungsvorschrift des § 60 Abs. 3 LAG gedeckt, und ob § 60 Abs. 3 LAG im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend bestimmt ist.
Das gleiche gilt auch für den Bescheid über die Aufteilung der Vierteljahresbeträge bei Erbfällen und die Ablehnung eines entsprechenden Antrages (ß 67 LAG). Auch die Aufteilung der Vierteljahresbeträge enthält eine Steuervergünstigung, da durch sie die Gesamtschuld der Erben (§§ 1922, 2032, 2058 BGB) durch eine Schuld jedes Erben für die ihm zugeteilte Vierteljahresbetragsquote ersetzt wird. Auf diese Steuervergünstigung besteht ein Anspruch; denn nach § 67 Abs. 1 LAG "sind" die Vierteljahresbeträge bei Vorliegen der Voraussetzungen aufzuteilen. Das Berufungsverfahren ist nach § 235 Abs. 1 Ziff. 5 AO gegeben. Der auf Grund der Ermächtigung des § 67 Abs. 6 LAG erlassene § 46 der 14. AbgabenDV-LA enthält keine über gesetzliche Vorschriften hinausgehende Regelung, soweit er für den Aufteilungsbescheid und dessen Ablehnung das gegen Steuerbescheide eingeräumte Berufungsverfahren zuläßt.
Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben, desgleichen die Einspruchsentscheidung. Der Bescheid über die Ablehnung der Genehmigung einer Schuldübernahme nach § 60 LAG und die Ablehnung einer Aufteilung nach § 67 LAG sind ihrem Wesen nach Bescheide, die mehrere Beteiligte voraussetzen und gegenüber diesen Beteiligten nur einheitlich ergehen können. Auf diese Bescheide ist daher § 239 Abs. 3 AO in Verbindung mit § 203 Abs. 1 LAG entsprechend anzuwenden. Zu diesem Zwecke waren die Einsprüche des Bg. und seiner Mutter zu verbinden. Die Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses (ß 22 AO) stand einer Verbindung nicht entgegen. Eine durch das gesetzliche Gebot eines einheitlichen Verfahrens und einer einheitlichen Rechtsmittelentscheidung zwangsläufige Offenbarung von Verhältnissen ist im Sinne von § 22 AO nicht unbefugt, zumal die Beteiligten durch die Stellung eines gemeinsamen Antrages dieses einheitliche Verfahren veranlaßt hatten. Die Sache geht deshalb zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens an das Finanzamt zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 410781 |
BStBl III 1963, 309 |
BFHE 1963, 851 |
BFHE 76, 851 |