Leitsatz (amtlich)
1. Wer nach Baubeginn Wohnungseigentum kauft, erwirbt jedenfalls dann kein Grundstück mit einem begonnenen Bauvorhaben zum Zwecke der bezugsfertigen Erstellung eines Gebäudes i. S. des Art. 1 Nr. 1 Buchst. b des Bayerischen GrESWG 1958, wenn er sich nicht mit den anderen Erwerbern der Eigentumswohnungen zur gemeinschaftlichen bezugsfertigen Erstellung der gesamten Wohnanlage zusammenschließt. Der Abschluß eines auf die Fertigstellung der erworbenen Eigentumswohnung gerichteten mit dem Kaufvertrag verbundenen Baubetreuungsvertrages reicht nicht aus.
2. Gegenstand des Erwerbs ist in diesen Fällen auch bei Abschluß eines besonderen, auf die Fertigstellung der Eigentumswohnung gerichteten Baubetreuungsvertrages regelmäßig die Eigentumswohnung nach ihrer Fertigstellung.
Normenkette
Bayer. GrESWG 1958 Art. 1 Nr. 1 Buchst. b, c, Nr. 4 Buchst. b; Bayer. GrESWG 1969 Art. 6
Tatbestand
Der Kläger schloß am 12. August 1965 einen notariell beurkundeten Kauf- und Baubetreuungsvertrag über einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an einer bestimmten Eigentumswohnung. Das Eigentum an dem Grundstück war von der Verkäuferin, der A-GmbH nach § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) geteilt worden. Auf dem Grundstück wurde ein 16stöckiges Hochhaus errichtet. Das Bauvorhaben war am 20. September 1964 begonnen worden. Bei Abschluß des Kauf- und Baubetreuungsvertrages war der Rohbau bis zum 11. Stockwerk fortgeschritten. Bezugsfertig wurde das Hochhaus am 1. August 1966.
Ausweislich der Vorbemerkungen zu dem Vertrag vom 12. August 1965 hatte die A-GmbH das Grundstück "für die der B-GmbH bzw. der C-GmbH angeschlossenen Ärzte erworben, um es im Namen und für Rechnung der Ärzte mit Wohnungen zu bebauen". Die Wohnungen waren von der B-GmbH und der C-GmbH zu Festpreisen zum Verkauf angeboten worden. Der Kläger war durch einen befreundeten Arzt auf das Objekt hingewiesen worden. Bei Abschluß des Kauf- und Baubetreuungsvertrages mit der A-GmbH wurde er durch die B-GmbH als Bevollmächtigte vertreten.
In dem notariell beurkundeten Vertrag wurden der Kläger als Bauherr und die A-GmbH, in deren Eigentum das Grundstück stand, als Baubetreuer bezeichnet. Der Kaufpreis für den Anteil am Grund und Boden und der für die Erstellung der Wohnung zu zahlende Betrag ergaben zusammen genau 29 000 DM. Mit diesem Betrag hatte die B-GmbH dem Kläger die Wohnung angeboten.
Das FA hat es abgelehnt, den Erwerb als Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem unbebauten Grundstück nach Art. 1 Nr. 1 Buchst. c des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 12. November 1958 - GrESWG 1958 - (GVBl 1958, 330) von der Grunderwerbsteuer freizustellen. Auch Art. 1 Nr. 4 Buchst. a (richtig: Buchst. b) GrESWG 1958 könne nicht zur Anwendung kommen, weil der Kläger die Wohnung vermietet habe. Das FA hat die Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von 29 000 DM auf 2 030 DM festgesetzt. Einspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision macht der Kläger vor allem geltend, daß er Steuerfreiheit nach Art. 1 Nr. 1 Buchst. b GrESWG 1958 beanspruchen könne. Er habe ein Grundstück im Zustand der Bebauung zur Fertigstellung erworben. Diese Vorschrift sei auch auf den Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück anwendbar.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Soweit der Kläger Verfahrensrügen erhoben hat, sind diese unzulässig. Die Rüge, es seien nicht alle Umstände des Falles berücksichtigt worden, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO. Die erst am 15. September 1976 erhobene Rüge, das FG sei dem Hinweis nicht nachgegangen, daß die Vertragsentwürfe vorher mit der OFD besprochen worden seien, ist verspätet.
Die materiellen Rügen sind unbegründet.
Der Erwerb der Eigentumswohnung durch den Kläger war nicht nach Art. 1 Nr. 1 GrESWG 1958 von der Grunderwerbsteuer befreit.
Steuerfreiheit nach Buchst. c dieser Vorschrift hätte nur dann eintreten können, wenn der Kläger einen Miteigentumsanteil an einem unbebauten Grundstück erworben hätte, um gemeinsam mit den anderen Erwerbern die Eigentumswohnanlage zu errichten. Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Der Kläger schloß den Kauf- und Baubetreuungsvertrag am 12. August 1965, als das Bauvorhaben bereits bis zum 11. Stockwerk fortgeschritten war.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist aber auch Buchst. b des Artikels 1 Nr. 1 GrESWG 1958 auf seinen Erwerb nicht anwendbar. Er hat im Sinne dieser Vorschrift kein Grundstück "mit einem begonnenen Bauvorhaben zum Zwecke der bezugsfertigen Erstellung eines Gebäudes" erworben. Gegenstand des von ihm geschlossenen Vertrags war die schlüsselfertig zu erstellende Wohnung, wie das FG ohne Rechtsirrtum festgestellt hat.
Die Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 1 Buchst. b GrESWG 1958 können allerdings auch dann erfüllt werden, wenn mehrere Personen gemeinsam ein im Bau befindliches Grundstück erwerben. Dies gilt auch dann; wenn Wohnungseigentum begründet werden soll oder bereits begründet worden ist. Gegenstand der Verträge kann in diesem Fall aber nur dann ein Grundstück mit einem begonnenen Bauvorhaben sein, wenn die mehreren Erwerber das Gebäude gemeinsam bezugsfertig erstellen wollen und sich demgemäß zur gemeinsamen Erstellung zusammengeschlossen haben oder zusammenschließen. Der Vertragswille des jeweiligen Erwerbers darf deshalb nicht auf die jeweilige Eigentumswohnung beschränkt bleiben. Nach den baulichen Gegebenheiten bei einer Eigentumswohnanlage ist es ausgeschlossen, eine einzelne Eigentumswohnung isoliert zu errichten (vgl. das Urteil des BFH vom 4. September 1974 II R 112/69, BFHE 113, 545, BStBl II 1975, 89). Denn die Teile, Anlagen und Einrichtungen einer Eigentumswohnanlage werden in erheblichem Umfang gemeinschaftliches Eigentum wie bei jedem Bauvorhaben, das von mehreren Miteigentümern durchgeführt wird (vgl. § 1 Abs. 5 i. V. m. § 5 WEG).
Aus Art. 1 Nr. 1 Buchst. c GrESWG 1958 folgt nichts anderes. Dort wird zwar der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem unbebauten Grundstück zur Errichtung einer grundsteuerbegünstigten Eigentumswohnung behandelt. Auch diese Formulierung ändert jedoch nichts daran, daß die Erwerber des unbebauten Grundstücks das Gebäude gemeinsam errichten müssen, ehe das Ziel, die Fertigstellung der jeweiligen Eigentumswohnung erreicht ist.
Der erforderliche Zusammenschluß der Erwerber zur gemeinsamen bezugsfertigen Erstellung der Eigentumswohnanlage wird nicht dadurch entbehrlich, daß sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander gemäß § 10 Abs. 1 WEG nach den Vorschriften über die Gemeinschaft richtet. Erforderlich ist vielmehr eine Bauvereinbarung oder ein Aufbauvertrag der zukünftigen Wohnungseigentümer (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 34. Aufl., Überblick vor § 1 WEG, Anm. 2 Ec), wenn angenommen werden soll, daß sich die Erwerber zur gemeinsamen Errichtung der Eigentumswohnanlage zusammengeschlossen haben.
Dafür, daß diese Voraussetzungen vorliegen, gibt es keine Anhaltspunkte. Die Tatsache, daß im vorliegenden Fall die Miteigentumsanteile nebst Sondereigentum über einen längeren Zeitraum hinweg, und zwar noch Monate nach Baubeginn, nacheinander an Interessenten verkauft worden sind, spricht entscheidend dagegen, daß die einzelnen Erwerber Miteigentum zur gemeinsamen bezugsfertigen Erstellung des begonnenen Bauvorhabens erworben haben.
Auch der vom Kläger abgeschlossene Kauf- und Baubetreuungsvertrag spricht eindeutig dafür, daß Gegenstand des Vertrags nur die bezugsfertige Eigentumswohnung sein konnte. Auch wenn der Kläger nach dem Vertragswortlaut die A-GmbH beauftragte, eine schlüsselfertige Wohnung in seinem Namen und für seine Rechnung zu erstellen, kann dies nichts anderes bedeuten, als daß Gegenstand der vertraglichen Abmachung der Erwerb der schlüsselfertig zu erstellenden Eigentumswohnung war. Mag es die Absicht der Vertragspartner gewesen sein, auf diese Weise den Erwerb eines Miteigentumsanteils nebst Sondereigentum von der Erstellung der Wohnung im Auftrag des Klägers zu trennen, so kann doch durch eine solche Vertragsformulierung allein nicht das gewünschte Ergebnis eines steuerbegünstigten Erwerbes eines Miteigentumsanteils an einem im Bau befindlichen Grundstück zum Zwecke der gemeinsamen Erstellung der Wohnanlage erreicht werden. Trotz der wortlautmäßigen Aufteilung des einheitlichen Vertrags bildete der Vertrag eine untrennbare Einheit, dessen Ziel die Übertragung der schlüsselfertig erstellten Eigentumswohnung war (vgl. §§ 5, 12, 19 Abs. 3 des Kauf- und Baubetreuungsvertrags).
Ein nicht gegebener Zusammenschluß der Erwerber zur gemeinsamen Fertigstellung der Eigentumswohnanlage kann nicht etwa dadurch ersetzt werden, daß in dem von der A-GmbH mit dem Generalunternehmer abgeschlossenen Bauvertrag die Vorbemerkung aufgenommen worden ist, die A-GmbH sei beauftragt, im Namen und für Rechnung der der B-GmbH angeschlossenen Ärzte 153 Eigentumswohnungen zu errichten, und dem Generalunternehmen sei bekannt, daß die A-GmbH als Treuhänder der Bauherren auftrete. Welche Gründe auch immer zu dieser Vorbemerkung geführt haben mögen, so lassen sie keinesfalls den Schluß zu, daß der Bauunternehmer den Vertrag nicht mit der A-GmbH sondern mit 153 ihm namentlich nicht bekannten Personen, die als Käufer vielfach noch nicht einmal der Person nach feststanden, als Vertragspartner geschlossen habe. Gegen eine derartige Annahme sprechen das wirtschaftliche Interesse des Bauunternehmers und der Umstand, daß in dem späteren Baubetreuungsvertrag zwischen dem Kläger und der A-GmbH keinerlei Hinweis enthalten ist, die A-GmbH habe etwa namens des Klägers und anderer Erwerber einen Bauvertrag abgeschlossen, für den der Kläger und die anderen Erwerber einzustehen hätten (vgl. in diesem Zusammenhang auch Pfeiffer in NJW 1974, 1449).
Die Frage, ob zwischen dem Kläger und der A-GmbH ein Festpreis vereinbart worden ist und deshalb § 14 des Kauf- und Baubetreuungsvertrags, der die Verrechnung von Mehrkosten vorsah, nicht wirksam geworden ist, kann dahinstehen. Auch wenn eine Nachbelastung des Klägers hätte erfolgen können, würde sich an der Beurteilung des vom Kläger geschlossenen Vertrags als eines auf die Übergabe und Übereignung der fertiggestellten Wohnung gerichteten Vertrags nichts ändern.
Da Gegenstand der vertraglichen Abmachungen zwischen dem Kläger und der A-GmbH der Erwerb der bezugsfertigen Eigentumswohnung war, entfällt die Anwendung des Art. 1 Nr. 1 Buchst. b GrESWG 1958. Ein steuerfreier Ersterwerb der bezugsfertigen Eigentumswohnung gemäß Art. 1 Nr. 4 Buchst. b GrESWG 1958 scheitert daran, daß der Kläger die Wohnung nicht zur Eigennutzung erworben hat.
Aus Art. 6 des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau i. d. F. der Bekanntmachung vom 16. Juli 1969 - GrESWG 1969 - (GVBl 1969, 176) kann der Kläger für sich nichts herleiten. Diese Übergangsbestimmung gilt nur dann, wenn die erworbene Eigentumswohnung zur Eigennutzung erworben worden ist und das FA den Erwerb aus diesem Grunde vorläufig von der Steuer freigestellt hat. Daß der Kläger eine Eigennutzungsabsicht hatte, hat er niemals behauptet. Auch wenn er eine derartige Behauptung aufgestellt hätte, hätte dies nicht ohne weiteres zur Steuerfreiheit geführt. Denn die bloße Behauptung des Vorhandenseins dieser Absicht genügte nicht, um Steuerfreiheit zu erlangen. Das ergibt sich schon aus den Urteilen des Senats vom 1. August 1967 II 156/63 (BFHE 89, 540, BStBl III 1967, 706) und II 108/65 (BFHE 89, 548, BStBl III 1967, 711), wonach eine Eigennutzungsabsicht dann anzunehmen ist, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in nicht allzu ferner Zeit mit der Eigennutzung zu rechnen ist. Wenn es im Einzelfall Steuerpflichtigen gelungen sein sollte, ohne Vorhandensein einer Eigennutzungsabsicht die vorläufige Freistellung von der Grunderwerbsteuer zu erlangen und über Art. 6 GrESWG 1969 die Nacherhebung der Steuer zu vermeiden, so kann hieraus nicht gefolgert werden, daß auch andere Steuerpflichtige Anspruch auf eine fehlerhafte Behandlung ihres Falles haben.
Entgegen der Auffassung des Klägers verletzt Art. 6 GrESWG 1969 nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Da der Gesetzgeber die Absicht hatte, bei der Novellierung des GrESWG auf die Eigennutzungsklausel zu verzichten, mußte er die Frage der Überleitung des alten Rechts auf das neue Recht prüfen und entscheiden. Er hätte sich darauf beschränken können, den Wegfall der Eigennutzungsklausel nur für zukünftige Erwerbe vorzusehen und die Nachversteuerung in den Altfällen beizubehalten. Wenn er darauf verzichtete, für die Altfälle an der Nachversteuerung festzuhalten, so verstieß er mit dieser Entscheidung nicht gegen den Gleichheitssatz. Er hat ihn auch nicht dadurch verletzt, daß er zwar den Wegfall der Nachversteuerung vorsah, aber an der Steuerpflicht der Fälle festhielt, in denen mangels Eigennutzungsabsicht in der Vergangenheit nicht einmal eine vorläufige Steuerfreistellung vorbehaltlich der Nachversteuerung in Betracht gekommen war.
Ob möglicherweise andere Länder eine für den Steuerpflichtigen günstigere Regelung getroffen haben, ist für den vorliegenden Fall ohne Belang, da der bayerische Gesetzgeber nur zur Wahrung des Gleichheitssatzes innerhalb Bayerns verpflichtet war (vgl. BVerfGE 32, 360).
Da Gegenstand des Kaufvertrags die schlüsselfertige Eigentumswohnung war und Steuerfreiheit nach allem nicht in Betracht kommt, war die Steuer nach der Gegenleistung für die fertiggestellte Eigentumswohnung zu bemessen. Dies hat das FA beachtet.
Treu und Glauben stehen der Festsetzung der Steuer nicht entgegen. Aus der Feststellung des FG, daß über Inhalt und Fassung der Verträge mit der OFD verhandelt worden sei, kann nicht geschlossen werden, daß diese bei Verwendung der Vertragsmuster Steuerfreiheit zugesagt habe.
Fundstellen
Haufe-Index 72144 |
BStBl II 1977, 88 |
BFHE 1977, 292 |