Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz nur bei Entscheidungserheblichkeit der Abweichung
Leitsatz (NV)
Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz kommt nur in Betracht, wenn die Entscheidung des FG auf der Abweichung beruht; das ist der Fall, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß das FG-Urteil bei Zugrundelegung der divergierenden Ansicht des BFH anders ausgefallen wäre, d. h. wenn sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Abweichung und dem Ergebnis der Entscheidung nicht ausschließen läßt.
Normenkette
UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 3, § 14 Abs. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3
Tatbestand
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) nahm den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), der Komplementär einer mittlerweile in Konkurs gegangenen KG war, als Haftenden für Umsatzsteuer in Anspruch, die die KG schuldete.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit der der Kläger im wesentlichen geltend machte, die vom FA als Rechnungen bezeichneten Schriftstücke seien Zahlungsaufforderungen und keine Rechnungen über Teilleistungen, abgewiesen. Es führt im wesentlichen aus, bei den streitigen Schriftstücken handle es sich um Rechnungen i. S. des § 14 Abs. 2, 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Der Umstand, daß nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der KG und deren Vertragspartner Teilleistungen über einzelne Gewerke nicht vereinbart gewesen seien, führe nicht dazu, die Schriftstücke als bloße Anforderungen von Abschlagszahlungen anzusehen. Vorausrechnungen müßten durch entsprechende Bezeichnung oder nach ihrem Inhalt eindeutig als solche erkennbar sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 20. März 1980 V R 131/74, BFHE 130, 122, BStBl II 1980, 287, und Beschluß vom 29. Juni 1988 V B 144/87, BFH/NV 1989, 134). Daran fehle es im Streitfall. Die KG habe Rechnungsformulare verwendet. Der übrige Inhalt der Schriftstücke enthalte keinerlei Hinweis darauf, daß es sich um bloße Anforderungen von Vorauszahlungen handle. Die Schriftstücke führten jeweils einzelne Gewerke und gesonderte Auftragsbestätigungsnummern auf und erweckten damit den Eindruck, als ob derartige (Teil-)Leistungen jeweils von der KG erbracht worden seien. In Einzelfällen sei in ihnen über bereits erhaltene Vorauszahlungen abgerechnet worden. Die KG habe somit über (Teil-) Leistungen abgerechnet, die nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihr und ihrem Vertragspartner weder erbracht worden seien noch hätten erbracht werden sollen. Die Voraussetzungen einer wirksamen Rechnungsberichtigung, die im Falle der Anwendung des § 14 Abs. 2 UStG in Betracht käme, seien nicht erfüllt.
Entscheidungsgründe
Die dagegen gerichtete Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist als unzulässig zu verwerfen.
Der Senat läßt offen, ob die Beschwerde wirksam eingelegt worden ist. Die Begründung der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und Abweichung eingelegten Beschwerde entspricht nicht den Erfordernissen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605, m. w. N.). Diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu reicht die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus. Er forderlich ist vielmehr die schlüssige und substantiierte Darlegung der bezeichneten Voraussetzungen für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung. Der Beschwerdeführer muß dabei konkret auf die Rechtsfrage und auf ihre Klärungsbedürftigkeit sowie auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 31. März 1995 XI B 151/94, BFH/NV 1995, 1071).
Diesen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung genügt die Beschwerdeschrift nicht. Der Kläger macht geltend, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, höchstrichterlich festzustellen, welche Anforderungen an die Qualifizierung einer Zahlungsaufforderung als Rechnung gestellt würden, außerdem, ob allein durch die fehlerhafte Bezeichnung Anzahlungsanforderungen nach einem Vertrag zu Rechnungen würden, schließlich, ob für den Fall der Umqualifizierung nicht wenigstens auch die Schlußabrechnung als Korrektur gleichförmig umqualifiziert werden müsse. Das Urteil sei der Revision zuzuführen, da die Entscheidung über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sei, insbesondere, weil sie den ergangenen Verwaltungsanweisungen und Literaturmeinungen widerspreche.
Unabhängig von der Frage, ob die aufgeworfenen Rechtsfragen im Revisionsverfahren klärungsfähig sind, da es sich bei der Abgrenzung zwischen Zahlungsanforderung und Rechnung im wesentlichen um tatsächliche Würdigung handelt, ist mit diesem Vortrag die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen nicht dargetan. Die Verwaltungsanweisungen und zitierten Literaturmeinungen beziehen sich ausschließlich auf die Frage, wann Teilleistungen i. S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG anzunehmen sind.
2. Soweit der Kläger seine Beschwerde auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) stützt, ist sie ebenfalls nicht ordnungsgemäß erhoben.
Wird als Zulassungsgrund Divergenz geltend gemacht, so muß in der Beschwerdeschrift aus der angefochtenen Entscheidung des FG ein diese tragender abstrakter Rechtssatz herausgestellt werden, der zu einem ebenfalls tragenden abstrakten Rechtssatz in einer genau zu bezeichnenden Entscheidung des BFH in Widerspruch stehen könnte (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Die Entscheidung des FG muß auf der Abweichung beruhen; das ist der Fall, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß das FG-Urteil bei Zugrundelegung der divergierenden Ansicht des BFH anders ausgefallen wäre, d. h. wenn sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Abweichung und dem Ergebnis der Entscheidung nicht ausschließen läßt (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 21).
Mit der Behauptung, das zitierte Urteil des BFH vom 20. März 1980 V R 131/74 (BFHE 130, 122, BStBl II 1980, 287) betreffe ersichtlich nur einen Fall des § 14 Abs. 3 UStG, eine Rechnungstellung ohne Leistung, und nicht wie im vorliegenden Fall eine nur fehlerhafte Bezeichnung der Vorausrechnung für erbrachte Leistungen, wird keine abweichende rechtliche Beurteilung dargelegt.
Auch die Abweichung vom BFH-Urteil vom 30. September 1976 V R 109/73 (BFHE 120, 562, BStBl II 1977, 227), wonach es für die Frage, ob eine Abrechnung Rechnung im Sinne des UStG sei oder nicht, darauf ankomme, ob tatsächlich Teilleistungen erfolgt seien, ist nicht ordnungsgemäß gerügt. Der Kläger hat nicht dargetan, welchen diesem zur Frage der Annahme von Teilleistungen ergangenen Urteil widersprechenden Rechtssatz das FG aufgestellt hat. Darüber hinaus ist nicht erkennbar gemacht, inwiefern die behauptete Abweichung entscheidungserheblich war.
Fehlerhafte Rechtsanwendung, die der Kläger im übrigen geltend macht, ist kein Zulassungsgrund (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Mai 1992 V B 68/90, BFH/NV 1995, 601).
3. Es kann offenbleiben, ob die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 31. Januar 1996, der am 5. Februar 1996 beim BFH einging, eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung enthalten. Sie können nicht mehr berücksichtigt werden, da die Beschwerde aufgrund der innerhalb der Beschwerdefrist abgegebenen Begründung nicht zulässig ist (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 17. Januar 1995 VII B 188/94, BFH/NV 1995, 707). Zwar hat der Bevollmächtigte des Klägers das Empfangsbekenntnis, mit dem ihm das angefochtene Urteil des FG zugeleitet wurde, nicht zurückgeschickt. Dieser Umstand ist aber nicht geeignet, die Zustellung in Frage zu stellen. Er führt dazu, daß der Senat von einem späteren Zustelldatum ausgehen muß (vgl. BFH-Beschluß vom 28. Januar 1986 VII B 118/85, BFH/NV 1986, 415, und Urteil vom 6. März 1990 II R 131/87, BFHE 159, 425, BStBl II 1990, 477). Dieses ist spätestens der Zeitpunkt, in dem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers den Beschwerdeschriftsatz gefertigt hat, der 27. November 1995; denn in diesem Zeitpunkt stand fest, daß das angefochtene Urteil des FG in seine Hände gelangt war (BFH-Beschluß vom 14. August 1986 VIII R 107/84, BFH/NV 1987, 103). Die einmonatige Beschwerdefrist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) war jedenfalls vor dem 5. Februar 1996 abgelaufen.
Dieser Beschluß ergeht im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 422021 |
BFH/NV 1997, 506 |