Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Antrags auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung bzw. auf Vertagung der Verhandlung
Leitsatz (NV)
1. Es ist ein erheblicher Grund für eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung bzw. für eine Vertagung der Verhandung, wenn ein Verfahrensbeteiligter schlüssig vorträgt und auf Verlangen glaubhaft macht, daß es ihm bzw. seinem Prozeßbevollmächtigten ohne Verschulden unmöglich sein wird oder war, sich ausreichend auf die Verhandlung vorzubereiten.
2. Rechtliches Gehör wird nicht bereits dann versagt, wenn ein Mitglied des Spruchkörpers einen Verlegungsantrag ablehnt, obwohl es nicht entscheidungsbefugt ist, sondern erst dann, wenn das Gericht aufgrund einer mündlichen Verhandlung entscheidet, die es wegen des Antrags hätte vertagen müssen.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2; ZPO § 227
Verfahrensgang
Gründe
Die Revision ist nicht zuzulassen. Das FG hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) nicht verletzt.
Einem Verfahrensbeteiligten wird rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und aufgrund der Verhandlung entscheidet, obwohl der Verfahrensbeteiligte einen Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung oder auf Vertagung der Verhandlung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend und auf Verlangen glaubhaft gemacht hat (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO; s. BFH-Urteil vom 5. Dezember 1979 II R 56/76, BFHE 129, 297, BStBl II 1980, 208; Gräber/von Groll, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 119 Rz. 15 m.w.N.). Ob erhebliche Gründe für eine Verlegung oder Vertagung vorliegen, hängt von den Verhältnissen des Einzelfalles ab (s. BFH-Beschluß vom 7. Dezember 1990 III B 102/90, BFHE 163, 115, BStBl II 1991, 240).
Mangelnde Vorbereitung eines Verfahrensbeteiligten ist kein erheblicher Grund, es sei denn, der Beteiligte kann sie genügend entschuldigen (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO). Daraus folgt, daß es ein erheblicher Grund für eine Verlegung oder Vertagung ist, wenn ein Verfahrensbeteiligter schlüssig vorträgt und auf Verlangen glaubhaft macht, daß es ihm bzw. seinem Prozeßbevollmächtigten ohne Verschulden unmöglich sein wird oder war, sich ausreichend auf die Verhandlung vorzubereiten.
Der von den Klägern zur Begründung des Verlegungsantrags vorgetragene Sachverhalt läßt nicht den Schluß zu, daß es ihrem Prozeßbevollmächtigten unmöglich war, sich innerhalb von vier Wochen sowohl auf die mündliche Verhandlung der Streitfälle am 7. Januar 1993 vor dem ... Senat des FG als auch auf die mündliche Verhandlung mehrerer anderer zusammenhängender Rechtsstreiten am 8. Januar 1993 vor dem ... Senat des FG ausreichend vorzubereiten. Der Prozeßbevollmächtigte war mit den Rechtsstreiten der Kläger bereits seit vielen Jahren vertraut. Die mündliche Verhandlung am 7. Januar 1993 erforderte somit keine außergewöhnliche Vorbereitungen. Auch wenn Arbeitspausen während der Weihnachtsfeiertage und am Neujahrstag berücksichtigt werden, hatte der Prozeßbevollmächtigte folglich ausreichend Zeit für die nach seinen Angaben ungewöhnlich schwierigen und umfangreichen Vorbereitungen der mündlichen Verhandlung am 8. Januar 1993. Daß der Prozeßbevollmächtigte aufgrund einer Krankheit oder anderer von ihm nicht beeinflußbarer Umstände in der Zeit vom 9. Dezember 1992 (dem Tag der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 7. Januar 1993) bis einschließlich 6. Januar 1993 nicht oder nicht voll arbeitsfähig war, haben die Kläger nicht vorgetragen.
Unerheblich ist, daß der Berichterstatter den Verlegungsantrag abgelehnt hat, obwohl der Vorsitzende hätte entscheiden müssen (§ 227 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 155 FGO). Rechtliches Gehör wird nicht bereits dann versagt, wenn ein Mitglied des Spruchkörpers einen Verlegungsantrag ablehnt, obwohl es nicht entscheidungsbefugt ist, sondern erst dann, wenn das Gericht aufgrund einer mündlichen Verhandlung entscheidet, die es wegen des Antrags hätte vertagen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 419624 |
BFH/NV 1994, 802 |