Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Grundsatz des § 122 Abs. 2 AO, daß Barzahlungen mit befreiender Wirkung nur an die Finanzkasse geleistet werden können.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) hatte am 3. Juli 1950 durch notariellen Kaufvertrag ein Grundstück zum Preise von 2.663,50 DM erworben. Die Zahlung der hierfür festgesetzten Grunderwerbsteuer im Betrage von 186,40 DM wurde vom Bg. am 26. August 1950 nicht im Dienstraum der Finanzkasse an den hierfür zuständigen Kassenbeamten geleistet; vielmehr händigte der Bg. den Steuerbetrag dem Angestellten des Finanzamts A. in dessen Dienstzimmer aus. A. hat den Betrag unterschlagen.

Nach Bekanntwerden dieses Vorgangs forderte das Finanzamt durch Schreiben vom 31. Januar 1951 den Bg. zur nochmaligen Zahlung des Steuerbetrages auf. Als der Bg. die Zahlung verweigerte, ließ das Finanzamt am 4. Oktober 1951 durch seine Vollstreckungsstelle u. a. das Postscheckguthaben des Bg. in Höhe der festgesetzten Steuer (zuzüglich 4,28 DM Kosten und Gebühren) pfänden.

In seiner gegen die Pfändung eingelegten Beschwerde machte der Bg. geltend, daß er nach dem Inhalt des von dem Vorsteher des Finanzamts persönlich unterschriebenen Grunderwerbsteuerbescheids, der eine Anrechnung der von ihm am 26. August 1950 geleisteten Zahlung unter dem Abschnitt D "Abrechnung" enthalte, keine Steuer mehr zu entrichten habe. Er beantragte außer der Aufhebung der Pfändung auch die Rücküberweisung des vom Postscheckamt inzwischen an die Finanzkasse überwiesenen Pfändungsbetrages.

Zur Begründung der Beschwerde trug er weiterhin u. a. vor, er habe dem Angestellten A. erst auf dessen Aufforderung hin zwecks Zahlung des Steuerbetrags 200 DM ausgehändigt. Da A. - nach längerem Verlassen der Grunderwerbsteuerstelle - ihm außer dem gewechselten Restbetrag auch den Grunderwerbsteuerbescheid und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung übergeben habe, wobei er von A. ausdrücklich auf den Abschnitt D des Grunderwerbsteuerbescheids hingewiesen worden sei, auf welchem der Eingang der Steuer durch Finanzamtsstempel quittiert und die Anrechnung des Betrages auf die Steuer bescheinigt gewesen sei, habe er gegen die Ordnungsmäßigkeit des Zahlungsvorganges keine Bedenken zu haben brauchen.

Das Finanzamt machte demgegenüber geltend, daß eine rechtswirksame Zahlung seitens des Bg. nicht erfolgt sei. Es wies darauf hin, daß durch gut sichtbare Aushänge auf dem Flur und am schwarzen Brett des Finanzamts die Steuerpflichtigen darauf aufmerksam gemacht worden seien, daß wirksame Zahlungen nur an der Kasse des Finanzamts erfolgen könnten. Im übrigen habe der Angestellte A. die Unbedenklichkeitsbescheinigung unbefugterweise selbst unterschrieben und ebenso unbefugterweise den Abschnitt D des dem Steuerpflichtigen ausgehändigten Bescheides erst nach der Unterschriftsleistung des Vorstehers ausgefüllt und mit dem Dienststempel versehen.

Das Finanzgericht gab der Beschwerde statt und hob die Pfändung u. a. deshalb auf, weil der Bg. unter Berücksichtigung der besonderen, von ihm einzeln dargelegten Umstände den Angestellten A. in Anbetracht seiner amtlichen Tätigkeit bei der Grunderwerbsteuerstelle für befugt halten durfte, im Streitfall die Zahlung von ihm entgegenzunehmen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts ist zulässig, da das Finanzgericht die Rechtsbeschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Streitfalles zugelassen hat. Sie ist auch begründet.

Die Aufhebung der Vorentscheidung muß schon deshalb erfolgen, weil eine Entscheidung in der Sache selbst nach Beendigung der Vollstreckung nicht mehr getroffen werden darf. Denn es ist nicht möglich, die Pfändung einer Forderung nachträglich aufzuheben, wenn der Drittschuldner bereits gezahlt und damit die Befriedigung des Pfändungsgläubigers herbeigeführt hat. Mit diesem Zeitpunkt findet auch die durch die Pfändung bewirkte Verstrickung des Pfandgegenstandes ihr Ende. Allerdings verbleibt dem Vollstreckungsschuldner auch nach Durchführung der Vollstreckung die Möglichkeit, einen Erstattungsantrag auf Grund des § 152 der Reichsabgabenordnung (AO) zu stellen. über einen solchen Anspruch kann jedoch nicht im Rahmen des Vollstreckungsbeschwerdeverfahrens entschieden werden. Dieses ist somit nach Abschluß der Vollstreckung gegenstandslos geworden und deshalb in der Hauptsache für erledigt zu erklären.

Gleichwohl muß zur Frage der Zulässigkeit der Pfändung wegen der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens Stellung genommen werden.

Der Vorsteher des Finanzamts hat in seiner Rechtsbeschwerde darauf hingewiesen, daß das Finanzgericht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens unzulässigerweise über die Frage entschieden habe, ob die Steuerzahlungsschuld des Bg. durch Zahlung getilgt sei. Denn eine Erörterung dieser Frage, für die dem Steuerschuldner andere Rechtsbehelfe zur Verfügung ständen, sei im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens unzulässig. Ob und inwieweit der Einwand des Erlöschens einer Steuerschuld infolge Zahlung oder sonstiger Tilgung im Vollstreckungsverfahren selbst vorgebracht werden kann, ist umstritten. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß eine Vollstreckungsbeschwerde gemäß den §§ 237, 303 AO auch darauf gestützt werden könne, daß die Vollstreckungsstelle zu Unrecht das Bestehen einer Steuerzahlungsschuld angenommen habe (vgl. Riewald Bd. II Anm. 5 Abs. 1 zu § 327 AO; Hübschmann-Hepp-Spitaler Anm. 2 und 5 zu § 327 AO). Es kann jedoch im Streitfall dahingestellt bleiben, ob der Bg. mit seinem Einwand, er habe eine gültige Zahlung geleistet, und der Steueranspruch des Finanzamts sei deshalb bereits vor der Pfändung erloschen gewesen, trotz der in formeller Beziehung bestehenden Bedenken (ß 327 Abs. 2 AO) gehört werden kann.

Auch wenn man diese Frage für den Streitfall bejahen wollte, steht der Senat auf dem Standpunkt, daß die Steuerschuld des Bg. nicht erloschen war, weil eine rechtsgültige Zahlung nicht erfolgt ist. Denn eine Barzahlung, die schuldtilgende Wirkung haben soll, muß gemäß § 122 Abs. 2 AO bei der Kasse des Finanzamts entrichtet werden. Die Bestimmung des § 122 Abs. 2 AO, die durch die Amtskassenordnung ihre nähere organisatorische Ausgestaltung erfahren hat, ist in zweifacher Richtung von rechtlicher Bedeutung. Sie bestimmt einmal den Leistungsort, an dem die Zahlung erfolgen kann, und sie bestimmt damit zum anderen auch gleichzeitig den Personenkreis, der zur Empfangnahme der Zahlung befugt ist: nämlich die Kasse und das Kassenpersonal. Zum mindesten insoweit muß diese Regelung der behördlichen Zuständigkeit, die unmittelbar auf dem Gesetz beruht, als allgemein bekannt gelten, zumal auf sie regelmäßig - wie übrigens auch im Streitfalle - durch Anschlag am schwarzen Brett der Behörde besonders hingewiesen wird.

Der Bg. kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, daß er im Vertrauen auf die amtliche Tätigkeit des Angestellten A. an diesen habe zahlen dürfen. Ein solcher Vertrauensschutz wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich der Bg. an den zuständigen Kassenbeamten gehalten hätte. Denn die Aufteilung der amtlichen Aufgaben im Rahmen einer Behörde, die Zahlungen nur an die Kassenbeamten bestattet, dient gerade dem Zwecke, Vorkommnisse nach Art des vorliegenden Falles nach Möglichkeit zu verhindern. Würden sich die Steuerpflichtigen diesen Vorschriften entsprechend verhalten, so wären Unterschlagungen nach Art des vorliegenden Falles zum mindesten erheblich erschwert. Ein gegen diese Vorschriften verstoßendes Verhalten der Steuerpflichtigen verdient deshalb keinen Schutz.

Allerdings ist zuzugeben, daß es den Steuerpflichtigen nicht in jedem Falle möglich ist, die amtlichen Funktionen der einzelnen Beamten (Angestellten) genau zu unterscheiden. Der Reichsfinanzhof hat deshalb in einem Falle, in dem der Steuerpflichtige zwar im Kassenraum, aber nicht an den Kassier, sondern an einen anderen dort anwesenden Beamten gezahlt hatte, die Rechtsgültigkeit der Zahlung ausnahmsweise anerkannt, weil der betreffende Beamte, ohne Kassier zu sein, auch sonst schon wiederholt Zahlungen seitens der Steuerpflichtigen entgegengenommen hatte (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 638/29 vom 19. Juni 1929, Steuer und Wirtschaft 1929 II Nr. 619). Im Streitfalle mußte aber dem Bg., der nach eigener Angabe auf der Grunderwerbsteuerstelle an den mit Veranlagungsarbeiten befaßten Angestellten A. Zahlung leistete, ohne weiteres erkennbar sein, daß die Zahlung nicht an einen Kassenbeamten erfolgte. Im übrigen bleibt es belanglos, ob der Bg. den A. wirklich für befugt halten durfte, überhaupt Zahlungen entgegenzunehmen. Denn der Bg. hat die Zahlung nicht an der Kasse geleistet. Daß die Kasse aber der allein für Steuerzahlungen in Betracht kommende Leistungsort ist, war auch durch den Aushang an dem für amtliche Bekanntmachungen bestimmten schwarzen Brett des Finanzamts hinreichend klargestellt. Einer weiteren Bekanntmachung in den einzelnen Dienstzimmern bedurfte es nicht. Hat demnach der Bg. nicht am hierfür vorgesehenen Leistungsort gezahlt, so trägt er unter allen Umständen die Gefahr für die übermittlung des Geldbetrages.

Ebensowenig wie von einer wirksamen Zahlung kann davon die Rede sein, daß der Bg. eine rechtswirksame Quittung erhalten habe. Abgesehen davon, daß auch eine Quittung von den zuständigen Kassenbeamten unterzeichnet sein muß (vgl. § 35 Abs. 2 der Amtskassenordnung - AKO -), stellt weder die Unbedenklichkeitsbescheinigung noch der dem Steuerpflichtigen ausgehändigte Steuerbescheid ein Empfangsbekenntnis der Finanzkasse dar, der letztere auch nicht etwa deshalb, weil in dem Abschnitt D "Abrechnung" auf eine geleistete Zahlung hingewiesen wird.

Allerdings würde es im Hinblick auf den Inhalt des dem Bg. ausgehändigten Steuerbescheids an dem für die Vollstreckung erforderlichen Leistungsgebot fehlen, weil nach der "Abrechnung" eine Steuerzahlung von dem Bg. nicht gefordert wird. Das im Steuerbescheid selbst fehlende Leistungsangebot ist aber im Schreiben des Finanzamts vom 31. Januar 1951 enthalten. Die Voraussetzungen für die Vollstreckung waren daher auch insoweit erfüllt.

Ob etwa ein Gegenanspruch des Bg. wegen Verletzung der Dienstaufsichtspflicht seitens der Vorgesetzten des Angestellten A. besteht, kann in diesem Verfahren nicht geprüft werden. Für die Entscheidung dieser Frage wäre allein der ordentliche Rechtsweg vor den Zivilgerichten offen.

Da somit die Einziehung der Steuerforderung im Wege der Pfändung zulässig war, muß der Bg. die Kosten des Verfahrens gemäß § 307 AO tragen. In Anbetracht der schwer übersehbaren Rechtslage erschien es jedoch aus Billigkeitsgründen angebracht, dem Bg. die Rechtsmittelgebühren und die den Rechtsmittelbehörden erwachsenen Auslagen gemäß § 319 AO zu erlassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407879

BStBl III 1954, 131

BFHE 1954, 580

BFHE 58, 580

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