Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstlosigkeit eines Motorsportvereins; Abweisung der Klage aufgrund einer mündlichen Verhandlung, an der kein Vertreter des beklagten Finanzamtes teilgenommen hat
Leitsatz (NV)
- Die Zusammenarbeit eines Motorsportvereins mit einem Automobilclub im Bereich der Touristik, der Rechtsberatung und der Vermittlung von Versicherungsschutz außerhalb motorsportlicher Veranstaltungen hängt nicht mit der motorsportlichen Betätigung des Vereins zusammen und wird nicht von der Rechtsfolge des § 67a Abs. 1 AO 1977 erfasst, nach der sportliche Veranstaltungen eines Sportvereins unter bestimmten Voraussetzungen Zweckbetriebe sind.
- Für das Finanzgericht besteht kein Anlass, wegen des Nichterscheinens eines Vertreters des Finanzamtes in der mündlichen Verhandlung die Sache zu vertagen, wenn es dem Finanzamt nicht gemäß § 80 Abs. 3 FGO aufgegeben hat, zur mündlichen Verhandlung einen Beamten oder Angestellten zu entsenden.
Normenkette
AO 1977 §§ 55, 67a; FGO § 80 Abs. 3, § 91 Abs. 2
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist ein eingetragener Verein. Sein satzungsmäßiger Zweck war in den Jahren 1992 und 1993 (Streitjahre) die Förderung des Motorsports, der Verkehrssicherheit und der internationalen Beziehungen auf motorsportlicher Basis. Der Kläger führte entsprechend seiner Satzung eigene Motorsportveranstaltungen durch und beteiligte sich an Motorsportveranstaltungen. Um seine satzungsmäßigen Zwecke und insbesondere die motorsportlichen Interessen verfolgen zu können, hatte er 1974 ein Korporativabkommen (KA 1974) mit dem X-Verein abgeschlossen. 1990 wurde ein neues Korporativabkommen (KA 1990) mit dem nicht gemeinnützigen X-Verein abgeschlossen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) vertrat die Auffassung, aufgrund des KA 1990 sei dem Kläger die von ihm begehrte Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1991 zu versagen. Er erließ Körperschaftsteuerbescheide für die Streitjahre, denen diese Rechtsauffassung zugrunde liegt. Die Klage des Klägers war erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Ansicht, die Förderung des Motorsports sei nicht gemeinnützig. Das FG-Urteil ist auszugsweise in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 514 veröffentlicht. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (Urteil des beschließenden Senats vom 29. Oktober 1997 I R 13/97, BFHE 184, 226, BStBl II 1998, 9).
Auch im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage ab (FG-Urteil vom 3. August 2000). Zur Begründung führte es nunmehr aus, der Kläger habe durch den Abschluss des KA 1990 und die Beitragszahlungen an den X-Verein gegen das Gebot der Selbstlosigkeit (§ 55 der Abgabenordnung ―AO 1977―) verstoßen. Die Revision ließ das FG nicht zu.
Mit der Beschwerde beantragt der Kläger, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet. Sie war insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.
1. Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen einer Abweichung des angegriffenen FG-Urteils von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) begehrt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung in der bis Ende 2000 geltenden Fassung ―FGO a.F.―), ist die Beschwerde unzulässig. Der Kläger hat nicht ―was insoweit zur Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlich gewesen wäre (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.)― einen in dem FG-Urteil enthaltenen Rechtssatz bezeichnet, der von der BFH-Rechtsprechung abweicht.
2. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
a) Die Revision ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung) zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Die erste Rechtsfrage, aus der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits herleitet und deren Klärung im Revisionsverfahren er anstrebt, geht sinngemäß dahin, ob ein Motorsportverein nicht gemeinnützig ist, wenn er seinen Mitgliedern
eine nicht nur gemeinnützige Themen behandelnde Clubzeitschrift eines nicht gemeinnützigen Dachverbandes liefert,
gesondert zu vergütende Leistungen des Dachverbandes (Versicherungs-, Schutzbrief- und Reiseangebote) vermittelt und
Leistungen des Dachverbandes anbietet, die auch außerhalb des gemeinnützigen Satzungszwecks genutzt werden können (z.B. Abschlepphilfe und Rechtsauskünfte), und diese Leistungen von absolut untergeordneter Bedeutung sind und ggf. durch einen gesondert ausgewiesenen Beitragsanteil des Dachverbandes abgegolten werden.
Diese Frage würde sich in dem Revisionsverfahren nicht stellen und wäre somit in ihm auch nicht zu klären. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG waren diese Leistungen des X-Vereins ―des Dachverbandes― nicht von untergeordneter Bedeutung. Dies zeigt sich daran, dass die Mitglieder des Klägers, die sich auch diesen Teil des Leistungsangebots des X-Vereins sichern wollten, in den Streitjahren mit 80 DM/Jahr einen um über 30 DM höheren Mitgliedsbeitrag an den Kläger zu entrichten hatten als die Mitglieder, die auf diese Leistungen des X-Vereins keinen Wert legten.
Die zweite Rechtsfrage, zu deren Klärung der Kläger das Revisionsverfahren anstrebt, lautet sinngemäß, ob die Zusammenarbeit eines Motorsportvereins mit dem Dachverband gemäß § 67a AO 1977 als Zweckbetrieb zu beurteilen ist, wenn die Zusammenarbeit der Beratung der ehrenamtlichen Vereinsorgane hinsichtlich spezieller Fragen des Motorsports ―z.B. in Bezug auf die Sicherheit der Motorsportveranstaltungen des Vereins― dient und sie daher zur Verfolgung des gemeinnützigen Vereinszwecks notwendig ist und die Einnahmen des Vereins die Grenze des § 67a Abs. 1 AO 1977 von 60 000 DM pro Jahr nicht übersteigen und der Verein auch keine Veranstaltungen mit bezahlten Sportlern i.S. des § 67a Abs. 3 AO 1977 durchführt.
Auch diese Frage würde sich im Revisionsverfahren nicht stellen. Zu beurteilen wäre in dem Verfahren nicht die Zusammenarbeit des Klägers mit dem X-Verein auf dem Gebiet der Motorsportveranstaltungen, sondern die Zusammenarbeit im Bereich der Touristik, der Rechtsberatung und der Vermittlung von Versicherungsschutz außerhalb motorsportlicher Veranstaltungen. Der letztgenannte Teil der Zusammenarbeit hing jedoch nicht mit der motorsportlichen Betätigung des Klägers zusammen und ist ―was offenkundig ist und keiner Klärung durch den BFH bedarf― keine sportliche Veranstaltung i.S. des § 67a Abs. 1 AO 1977. Dieser Teil der Tätigkeit des Klägers wird daher nicht von der Rechtsfolge des § 67a Abs. 1 AO 1977 erfasst, nach der sportliche Veranstaltungen eines Sportvereins unter bestimmten Voraussetzungen Zweckbetriebe sind.
b) Die Revision ist auch nicht wegen der vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
Die Behauptung des Klägers, an dem FG-Urteil vom 3. August 2000 habe ein Richter mitgewirkt, der nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung am 3. August 2000 nicht an der Verhandlung teilgenommen habe, entspricht nicht den Tatsachen. Zwar enthält das Sitzungsprotokoll die Feststellung, an der mündlichen Verhandlung am 3. August 2000 habe der Richter am FG S teilgenommen, der nach den Angaben im FG-Urteil nicht an dem Urteil mitgewirkt hat. Das Protokoll wurde jedoch am 5. Oktober 2000 dahin gehend berichtigt, dass nicht S, sondern der Richter am FG W anwesend war. Demnach haben alle Richter, die nach den Angaben im FG-Urteil an der Entscheidung mitgewirkt haben, auch an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.
Es ist auch kein Verfahrensmangel, dass das FG aufgrund der mündlichen Verhandlung am 3. August 2000 das angegriffene Urteil erließ, obwohl an der Verhandlung kein Vertreter des FA teilgenommen hatte. Gemäß § 91 Abs. 2 FGO/FGO a.F. darf das FG auch beim Ausbleiben eines Beteiligten ohne ihn verhandeln und entscheiden. Da das FG dem FA nicht gemäß § 80 Abs. 3 FGO/FGO a.F. aufgegeben hatte, zur mündlichen Verhandlung einen Beamten oder Angestellten zu entsenden, bestand für das FG auch kein Anlass, wegen des Nichterscheinens eines Vertreters des FA die Sache zu vertagen. Dass der Kläger ―wie er nunmehr vorträgt― zu einer Rücknahme der Klage bereit gewesen wäre, falls das FA in der mündlichen Verhandlung die Gemeinnützigkeit des Klägers für die Zukunft anerkannt hätte, lässt auch nicht den Schluss zu, das FG hätte die Sache vertagen müssen. Der Kläger hat noch nicht einmal behauptet, dass er das FG über seine Bereitschaft zur außergerichtlichen Beilegung des Rechtsstreits informiert und eine Vertagung der Sache beantragt habe.
Fundstellen
Haufe-Index 585756 |
BFH/NV 2001, 1006 |