Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert bei Streit um Wirksamkeit von Einkommensteuer-Änderungsbescheiden

 

Leitsatz (NV)

Begehrt ein Steuerpflichtiger die Feststellung der Nichtigkeit von Einkommensteuer-Änderungsbescheiden, so bemißt sich der Streitwert nur nach dem Unterschiedsbetrag zwischen den Steuerfestsetzungen in den Änderungsbescheiden einerseits und in den vorangegangenen Bescheiden, die geändert werden sollten, andererseits.

 

Normenkette

GKG § 13 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Gegenüber der Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Kostenschuldnerin) waren am 19. September und am 11. Oktober 1983 für die Veranlagungszeiträume 1975 bis 1980 Einkommensteuer-Änderungsbescheide ergangen. Sie hatten gegenüber den geänderten Bescheiden (für die Jahre 1977 und 1978 waren zunächst jeweils getrennte Veranlagungen durchgeführt worden) zu folgenden abweichenden Steuerfestsetzungen geführt:

Jahr geänderter Einkommen- Änderungs- Einkommen-

Bescheid steuerschuld bescheid steuerschuld

DM DM

1975 15. 7. 1982 319 036 19. 9. 1983 334 694

1976 22. 7. 1983 107 091 19. 9. 1983 123 459

1977 14. 7. 1980 43 473

und 28. 4. 1983 100 844 11. 10. 1983 148 215

1978 22. 1. 1982 30 669

und 28. 4. 1983 319 140 11. 10. 1983 357 211

1979 5. 7. 1983 451 568 19. 9. 1983 451 768

1980 26. 7. 1983 468 277 19. 9. 1983 464 379.

Die Kostenschuldnerin griff die Änderungsbescheide mit der Klage an. Sie beantragte, die Nichtigkeit dieser Bescheide festzustellen. Zur Begründung berief sie sich auf Adressierungs- und Bekanntgabemängel und führte in diesem Zusammenhang auch aus, daß bereits die zuvor erlassenen, nunmehr geänderten Bescheide wegen verschiedener Bekanntgabemängel unwirksam seien, ohne allerdings auch diese Bescheide zum Gegenstand des Klageverfahrens zu machen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die dagegen erhobene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (. . .) wies der erkennende Senat als unbegründet zurück.

Mit Kostenrechnung vom . . . setzte die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) für das erfolglose Beschwerdeverfahren Gerichtskosten in Höhe von 8 852 DM an; sie legte einen Streitwert von 1 879 726 DM zugrunde.

Dagegen hat die Kostenschuldnerin Erinnerung eingelegt. Sie macht geltend, bei der Streitwertberechnung hätte berücksichtigt werden müssen, daß im Falle der Feststellung der Nichtigkeit der Änderungsbescheide die vorangegangenen Bescheide wieder in Kraft getreten wären. Außerdem seien für sämtliche streitigen Veranlagungszeiträume später nochmals Änderungsbescheide ergangen. Angesichts dieser Umstände liege hier ein ,,besonderer Fall" im Sinne des BFH-Urteils vom 12. März 1970 IV 4/64 (BFHE 99, 11, BStBl II 1970, 547) vor; der Streitwert sei nur mit 1 v.H. der in den angefochtenen Bescheiden insgesamt festgesetzten Steuern anzunehmen.

Die Kostenschuldnerin beantragt, den Streitwert mit 18 797,26 DM anzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung hat zum überwiegenden Teil Erfolg.

Sie führt zum Ansatz der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren . . . auf der Grundlage eines Streitwertes in Höhe von 47 424 DM.

1. Mit der Erinnerung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) können auch Einwendungen gegen den vom Kostenbeamten zugrunde gelegten Streitwert geltend gemacht werden (s. z. B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., Vor § 135 Rdnr. 36; vgl. auch den Beschluß des Senats vom 9. April 1987 III E 1/87, BFH/NV 1987, 665).

2. Der Streitwert des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde entspricht regelmäßig dem voraussichtlichen Streitwert des angestrebten Revisionsverfahrens (BFH-Beschluß vom 23. April 1980 I B 45/78, BFHE 130, 445, BStBl II 1980, 751).

Mit der Revision wollte die Kostenschuldnerin die Feststellung der Nichtigkeit der Einkommensteuer - Änderungsbescheide für die Veranlagungszeiträume 1975 bis 1980 vom 19. September und 11. Oktober 1983 erreichen. Denn es ist davon auszugehen, daß sie den im Klageverfahren bereits ausdrücklich so gestellten Antrag weiterverfolgt hätte. Wäre diesem Antrag entsprochen worden, hätte festgestanden, daß die Änderungsbescheide vom 19. September und 11. Oktober 1983 unwirksam sind (§ 124 Abs. 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Sie selbst hätten dann zu keiner Zeit Rechtswirkungen erzeugt; das heißt aber andererseits, für die Kostenschuldnerin wären (nunmehr) die Einkommensteuerfestsetzungen maßgebend, die die vorangegangenen Bescheide enthielten. Die Kostenschuldnerin hatte demnach ihrem Antrag zufolge (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG) lediglich ein Interesse an der Wiederherstellung des Zustandes, der vor Erlaß der Änderungsbescheide herrschte. Der Streitwert bemißt sich mithin nur nach dem Unterschiedsbetrag zwischen den Steuerfestsetzungen in den Änderungsbescheiden einerseits und in den vorangegangenen Bescheiden, die geändert werden sollten, andererseits. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Einkommensteuer 1980 in dem ursprünglichen Bescheid (zugunsten der Kostenschuldnerin) um 3 898 DM niedriger festgesetzt war. Dieser Steuerbetrag ist nunmehr erhöhend in die Ermittlung des Gebührenstreitwertes einzubeziehen (s. hierzu z. B. Ruban in Gräber, a.a.O., Vor § 135 Rdnr. 24, mit Rechtsprechungsnachweisen).

Danach ergibt sich für die Jahre 1975 bis 1979 ein Streitwert von 43 526 DM (1 415 347 DM ./. 1 371 821 DM); unter Einbeziehung des Jahres 1980 beträgt der Streitwert mithin insgesamt 47 424 DM (43 526 DM + 3 898 DM).

Das Vorbringen der Kostenschuldnerin im Klageverfahren, auch die vorangegangenen Bescheide seien unwirksam, ist - entgegen der Auffassung des Kostenbeamten - für die hier vorzunehmende Streitwertermittlung ohne Bedeutung. Denn für sie ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG stets an den Antrag des Klägers anzuknüpfen. Dieser beschränkte sich im Streitfall jedoch auf die Feststellung der Nichtigkeit allein der Änderungsbescheide vom 19. September und 11. Oktober 1983. Er wurde auch nicht im Beschwerdeverfahren erweitert. Schließlich spricht nichts dafür, daß die früheren Einkommensteuerbescheide ihrerseits tatsächlich nichtig wären oder (aus anderen Gründen) aufgehoben worden waren.

Für eine Anwendung des von der Kostenschuldnerin zitierten BFH-Urteils in BFHE 99, 11, BStBl II 1970, 547 ist im Streitfall kein Raum. Jene Entscheidung betraf den Streitwert für ein Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung.

3. Auf der Grundlage eines Streitwertes von 47 424 DM ist somit gemäß § 11 GKG i.V.m. 1371 des Kostenverzeichnisses ein Gebührenbetrag von 448 DM anzusetzen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 5 Abs. 4 Sätze 1 und 2 GKG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415715

BFH/NV 1988, 725

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