Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuschuß zum Mutterschaftsgeld; rückwirkende Vergütungserhöhung

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld ist eine nach dem Berechnungszeitraum (drei Monate vor Beginn der Schutzfrist, § 14 Abs 1 Satz 2 MuSchG) erfolgte rückwirkende Erhöhung der Vergütung insoweit zu berücksichtigen, wie sie sich für den Berechnungszeitraum auswirkt.

 

Normenkette

MuSchG § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 11 Abs. 2, § 14 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.04.1993; Aktenzeichen 19 Sa 48/93)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 24.11.1992; Aktenzeichen 5 Ca 4138/92)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, wie der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld zu berechnen ist, wenn die tarifliche Vergütung rückwirkend erhöht wird.

Die Klägerin ist seit dem 22. März 1983 bei dem beklagten Land in den medizinischen Einrichtungen der Universität in D als Kinderkrankenschwester beschäftigt. Ihre Vergütung richtet sich nach den Vergütungstarifverträgen für den Bereich der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder zum BAT.

In der Zeit vom 23. Februar 1991 bis 15. Juni 1991 bestanden für die Klägerin die Beschäftigungsverbote des § 3 Abs. 2 und des § 6 Abs. 1 MuSchG. Für die vorgenannte Zeit erhielt die Klägerin von der AOK D ein kalendertägliches Mutterschaftsgeld von 25,– DM. Das beklagte Land zahlte als Zuschuß zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 1 MuSchG insgesamt 6.785,65 DM. Dies entspricht einem kalendertäglichen Zuschuß in Höhe von 60,05 DM. Diesen hat das beklagte Land aufgrund der Nettovergütungen der Klägerin in der Zeit vom 1. November 1990 bis 31. Januar 1991 ermittelt.

Am 22. März 1991 wurde der Änderungstarifvertrag Nr. 26 zum BAT für den Bereich der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder abgeschlossen. In diesem Tarifvertrag wurden die tariflichen Vergütungen ab 1. Januar 1991 erhöht. Die Klägerin erhielt für den Monat Januar 1991 demgemäß eine Nachzahlung in Höhe von 198,44 DM netto.

Die Klägerin hat geltend gemacht, diese Nachzahlung sei für den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld zu berücksichtigen, da die Erhöhung in dem Berechnungszeitraum für das Mutterschaftsgeld (drei Monate vor Beginn der Mutterschutzfrist) wirksam geworden sei. Daraus ergebe sich eine kalendertägliche Erhöhung des Zuschusses von 2,20 DM und für den Anspruchszeitraum von 113 Kalendertagen demgemäß ein Betrag von 248,60 DM.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 248,60 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Juni 1991 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das beklagte Land hat unter Hinweis auf einen Runderlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 1. November 1989 und ein gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialleistungsträger vom 12. Mai 1987 die Ansicht vertreten, eine tarifliche Vergütungserhöhung sei bei der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nur dann zu berücksichtigen, wenn der Zeitpunkt des Tarifabschlusses vor dem Beginn der Mutterschutzfrist liege. Es müsse sowohl für die Berechnung des von der Krankenkasse zu zahlenden Mutterschaftsgeldes wie für den Zuschuß des Arbeitgebers auf die Verhältnisse bei Beginn der Schutzfrist abgestellt werden. Spätere Änderungen in der Vergütungshöhe müßten außer Betracht bleiben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des beklagten Landes ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision erstrebt das beklagte Land weiterhin die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden, daß die für Januar 1991 erfolgte tarifliche Gehaltserhöhung bei der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld zu berücksichtigen ist.

1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Klägerin für die Dauer der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und des § 6 Abs. 1 MuSchG sowie für den Entbindungstag von der Beklagten ein Zuschuß in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen 25,– DM und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt zu zahlen war. Dabei bestimmt § 14 Abs. 1 Satz 2 MuSchG, daß das durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt aus den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten vor Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 zu berechnen ist. Hierzu haben die Parteien zutreffend die Nettobezüge zugrunde gelegt, die die Klägerin für die Monate November und Dezember 1990 sowie Januar 1991 bezogen hatte, weil die Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 am 23. Februar 1991 begann. Danach stand der Klägerin ein kalendertäglicher Zuschuß zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 60,05 DM zu.

2. Die Nettobezüge der Klägerin für den maßgeblichen Dreimonatszeitraum vor Beginn der Schutzfrist haben sich nachträglich dadurch verändert, daß sich die tarifliche Vergütung durch den am 22. März 1991 geschlossenen Änderungstarifvertrag Nr. 26 zum BAT rückwirkend ab 1. Januar 1991 erhöht hat. Die Klägerin erhielt für den Monat Januar eine Nachzahlung von 198,44 DM netto, die ihr mit der Gehaltsabrechnung Mai 1991 überwiesen wurde. Diese Verdiensterhöhung, die sich für den nach § 14 Abs. 1 Satz 2 MuSchG maßgeblichen Bemessungszeitraum auswirkte, ist für die Berechnung des Zuschusses zu berücksichtigen.

a) Dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 MuSchG ist nicht zu entnehmen, wie eine für einen abgerechneten Kalendermonat des Bezugszeitraums nachträglich erfolgte Erhöhung der Vergütung zu werten ist. Zunächst muß man davon ausgehen, daß der Monat Januar 1991, auf den es hier ankommt, als abgerechneter Kalendermonat des Bezugszeitraums weiterhin maßgebend bleibt. Die spätere Verdiensterhöhung und die daraus folgende Notwendigkeit, die Bezüge für den Monat Januar neu zu berechnen, kann nicht dazu führen, diesen Monat aus dem Berechnungszeitraum von drei Monaten nachträglich herauszunehmen.

b) Bleiben aber die Bezüge des Monats Januar 1991 für die Berechnung des Zuschusses verbindlich, dann ist es nach Sinn und Zweck der Regelung, die schwangere Frau während der Schutzfristen vor Nachteilen in Bezug auf ihre wirtschaftliche Stellung zu bewahren, geboten, eine durch Tarifvertrag nachträglich erfolgte Verdiensterhöhung für die Berechnung des Zuschusses zu berücksichtigen. Maßgebend ist der Verdienst, den die Frau in den letzten drei abgerechneten Monaten zu beanspruchen hat. Es kommt nicht darauf an, ob die zustehende Vergütung in dem Berechnungszeitraum der Frau auch tatsächlich zugeflossen ist. In diesem Sinne hat das Bundesarbeitsgericht schon früher für den Zuschuß nach dem Arbeiterkrankheitsgesetz eine nachträglich erfolgte, aber für den Berechnungszeitraum sich auswirkende Lohnerhöhung gewertet (Urteil vom 20. Oktober 1960 - 2 AZR 580/59 - AP Nr. 11 zu § 2 ArbKrankhG; Urteil vom 21. November 1967 - 1 AZR 450/66 - AP Nr. 31 zu § 2 ArbKrankhG). Es entspricht auch übereinstimmender Auffassung im Schrifttum, daß Verdiensterhöhungen, die nach Ablauf des Berechnungszeitraums vereinbart werden, dann, wenn sie sich für die Zeit des Berechnungszeitraums auswirken, als Arbeitsentgelt für die Berechnung des Zuschusses zugrunde zu legen sind (Bulla/Buchner, Mutterschutzgesetz, 5. Aufl., § 14 Rz 75; Gröninger/Thomas, Mutterschutzgesetz, Stand Oktober 1993, § 13 Rz 68; Heilmann, Mutterschutzgesetz, 2. Aufl., § 13 Rz 84; Meisel/Sowka, Mutterschutz/Mutterschaftshilfe/Erziehungsgeld, 3. Aufl., § 200 RVO Rz 36; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, Mutterschutzgesetz, 6. Aufl., § 200 RVO Rz 38).

3. Dem vorstehend gewonnenen Ergebnis stehen keine anderweitigen Regelungen im Mutterschutzgesetz entgegen.

a) § 14 Abs. 1 MuSchG stellt ebenso wie § 200 Abs. 2 RVO für die Berechnung des Mutterschaftsgeldes auf die Bezüge der drei abgerechneten Monate ab, die vor Beginn der Schutzfrist liegen. Daraus ergibt sich zweierlei: Einmal soll es maßgeblich auf den Verdienst aus der Zeit vor Beginn der Schutzfrist ankommen; zum anderen erfolgt aus dem Erfordernis der Abrechnung, daß über die zu berücksichtigenden Bezüge zu der Zeit Klarheit bestehen soll, zu der die Leistungen nach dem Mutterschutzgesetz bzw. der RVO ab Beginn der Beschäftigungsverbote einsetzen. Im vorliegenden Fall sind für die Berechnung des Zuschusses zu Recht die Monate November und Dezember 1990 sowie Januar 1991 von dem beklagten Land herangezogen worden. Die nachträgliche, sich für die Januarbezüge auswirkende Erhöhung der Tarifgehälter muß gerade dann, wenn man als ausschlaggebend für die Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld den Verdienst der Bezugsperiode ansieht, im Wege einer Neuberechnung mit in Ansatz gebracht werden. Das wird von Sinn und Zweck des Gesetzes, wie schon früher ausgeführt, gefordert.

b) Dem steht nicht entgegen, daß das Bundessozialgericht für die Berechnung des Krankengeldes entschieden hat, daß nur ein Lohnabrechnungszeitraum herangezogen werden kann, der vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten abgerechnet und abgelaufen war und daß später eintretende Lohnänderungen, gleichgültig worauf sie beruhen, grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Das soll nicht nur dann gelten, wenn die Lohnänderungen erst nach Eintritt des Versicherungsfalles, also während des Bezuges des Krankengeldes eintreten, sondern auch dann, wenn sich die Lohnänderungen noch auf den letzten Lohnabrechnungszeitraum auswirken (BSG Urteil vom 25. Juni 1991 - 1/3 RK 6/90 - SozR 3-2200 § 182 RVO Nr. 8 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Das Bundessozialgericht begründet seine Auffassung im wesentlichen damit, daß Gesichtspunkte der Verwaltungsökonomie und der notwendigen Schematisierung kurzfristiger Leistungen beim Krankengeld dafür sprechen, nur einen bis zum Eintritt des Versicherungsfalles verdienten Lohn zu berücksichtigen. Der letztgenannte Gesichtspunkt kann für die Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld keine tragfähige Begründung dafür abgeben, den im Berechnungszeitraum erzielten Verdienst nicht neu zu berechnen, wenn eine nachträgliche, aber für den Berechnungszeitraum sich auswirkende Erhöhung der Vergütung erfolgt ist. Hinzu kommt, daß bei der Bezugsdauer für den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld wie auch für das Mutterschaftsgeld, die für eine Dauer von 14 Wochen gewährt werden, nicht davon gesprochen werden kann, es handele sich nur um kurzfristige Leistungen.

c) Das hier gefundene Ergebnis ist noch in Beziehung zu setzen zu der in § 11 MuSchG für die Berechnung des Mutterschutzlohns getroffenen Regelung. Wenn eine Frau wegen der in § 11 MuSchG genannten Beschäftigungsverbote teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen muß, hat der Arbeitgeber mindestens den Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in dem die Mutterschutzfrist begonnen hat, weiter zu gewähren (sogenannter Mutterschutzlohn). In § 11 Abs. 2 MuSchG ist bestimmt, daß bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während oder nach Ablauf des Berechnungszeitraums eintreten, von dem erhöhten Verdienst auszugehen ist. § 14 MuSchG enthält keine Bestimmung, die sich mit Verdiensterhöhungen während oder nach Ablauf des Berechnungszeitraums befaßt. Daraus läßt sich jedoch nicht herleiten, daß es aus Gründen der systematischen Betrachtung nicht in Betracht käme, Verdiensterhöhungen zu berücksichtigen, die sich für den Berechnungszeitraum auswirken. Die Bedeutung des § 11 Abs. 2 MuSchG liegt nämlich darin, daß von einem erhöhten Verdienst auch dann auszugehen ist, wenn dieser nach Ablauf des Berechnungszeitraums eintritt und sich für diesen nicht mehr auswirkt. Insoweit findet aber eine Verdiensterhöhung im Rahmen des § 14 MuSchG nach der hier vertretenen Auffassung ebenfalls keine Berücksichtigung.

4. Das Landesarbeitsgericht hat schließlich mit Recht angenommen, daß der Runderlaß des Finanzministeriums NW vom 1. November 1989 sowie die in dem Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialleistungsträger vom 12. Mai 1987 niedergelegte Auffassung dem hier gewonnenen Ergebnis nicht entgegenstehen können. Beide Äußerungen sind nicht rechtsverbindlich, sondern geben nur Rechtsauffassungen wieder. Dabei wird entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts die von den Spitzenverbänden in dem vorgenannten Rundschreiben geäußerte Ansicht nicht nur für die Berechnung des Krankengeldes, sondern auch für die Berechnung des Mutterschaftsgeldes vertreten (vgl. DOK 1973 S. 573; ferner Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zu den Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft vom 12. Januar 1989, zu 1.4.3, n. v.).

Die vorgenannten Erklärungen des Finanzministeriums bzw. der Spitzenverbände der Sozialleistungsträger gehen dahin, daß eine Gehaltserhöhung, die nach Ablauf des Berechnungszeitraums in Kraft getreten ist und sich ganz oder teilweise für die Vergütung im Berechnungszeitraum auswirkt, dann berücksichtigt werden soll, wenn die zugrunde liegende Vereinbarung, etwa wie hier der Tarifvertrag, vor Beginn der Schutzfrist abgeschlossen wurde. Für diese, von dem hier vertretenen Standpunkt abweichende Differenzierung ist kein Grund ersichtlich. Denn wenn der Tarifvertrag zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, der nach Ablauf des Berechnungszeitraums liegt, kann ebenfalls nicht mehr auf die in den abgerechneten Zeiträumen bezogenen Vergütungen abgestellt werden, sondern müssen diese neu berechnet werden. Es ist dann aber kein sachgerechter Grund dafür ersichtlich, eine Neuberechnung nur dann für zulässig zu halten, wenn der Tarifvertrag vor Beginn der Schutzfrist abgeschlossen wurde.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Düwell, Arntzen, Kessel

 

Fundstellen

Haufe-Index 60115

BAGE 00, 00

BAGE, 229

BB 1994, 1713

BB 1994, 1713-1714 (LT1)

DB 1994, 1783-1784 (LT1)

EBE/BAG 1994, 115-117 (LT1)

FamRZ 1994, 1104 (L)

DOK 1995, 191 (K)

EEK, III/130 (ST1)

NZA 1994, 793

NZA 1994, 793-794 (LT1)

USK, 9421 (LT1)

WzS 1995, 89 (T)

ZAP, EN-Nr 752/94 (S)

ZTR 1994, 342-343 (LT1)

AP, (LT1)

AR-Blattei, ES 1220 Nr 103 (LT1)

ErsK 1994, 204 (T)

ErsK 1994, 465 (KT)

EzA-SD 1994, Nr 13, 10-11 (LT1)

EzA, (LT1)

EzBAT, Zuschuß zum Mutterschaftsgeld Nr 14 (LT1)

SVFAng Nr 91, 57 (T)

Streit 1995, 35 (S)

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