Leitsatz

1. § 16 Abs. 2 GrEStG ist auf einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG anwendbar.

2. Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG ist nicht (mehr) erfüllt, wenn durch einen Anteilsrückerwerb das von dieser Vorschrift vorausgesetzte Quantum von 95 % der Anteile der Gesellschaft unterschritten wird.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3, § 16 Abs. 2 GrEStG

 

Sachverhalt

An der grundbesitzenden G-GmbH (Stammkapital 25.000 EUR) waren die Kl zunächst mit 64,8 %, F mit 10 % und die H-AG mit 25,2 % beteiligt. Die Klägerin erwarb mit ordnungsgemäß angezeigtem Vertrag vom 18.12.2008 von der H-AG deren Geschäftsanteil und ferner von F einen Geschäftsanteil i.H.v. 1.250 EUR (5 %), sodass sie mit insgesamt 23.750 EUR (95 %) an der G-GmbH beteiligt war. Der Kaufpreis für den von F erworbenen Geschäftsanteil betrug 3.000 EUR.

Das FA setzte gegen die Klägerin im Hinblick auf die in ihrer Person i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vereinigten 95 % der Anteile an der G-GmbH durch Bescheid vom 30.11.2009 Grunderwerbsteuer i.H.v. 20.825 EUR fest. Im Verlauf des gegen diesen Bescheid geführten Einspruchsverfahrens vereinbarte die Kl mit F gem. notariell beurkundetem Vertrag vom 10.2.2010 die Aufhebung des Vertrags vom 18.12.2008 sowie die Rückabtretung des Geschäftsanteils von 1.250 EUR an der G-GmbH. In demselben Vertrag verkaufte F einen Geschäftsanteil von 1.225 EUR zu einem Kaufpreis von 3.000 EUR an die Klägerin und trat diesen an die Kl ab. Der Kaufpreisanspruch der F wurde mit dem Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung des Kaufpreises aus dem Vertrag vom 18.12.2008 vollumfänglich verrechnet. Das FA versagte die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG. Das sah hingegen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG als erfüllt an und gab der Klage statt (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.9.2012, 3 K 362/10, Haufe-Index 3597726).

 

Entscheidung

Auch der BFH sah das so und wies die Revision des FA als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Auch bei den von § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG fingierten Grundstücksübergängen ist die Grunderwerbsteuer nach Maßgabe des § 16 Abs. 2 GrEStG nicht festzusetzen oder aufzuheben. Allerdings sah die Finanzverwaltung die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG nur bei vollständiger"Rückgängigmachung" des tatbestandserfüllenden Rechtsvorgangs als erfüllt an. Für ein solches Erfordernis fehlt es jedoch an einer Gesetzesgrundlage.

Der BFH hat bereits in seinem Urteil vom 18.4.2012, II R 51/11 (BFHE 236, 569, BFH/PR 2012, 319) für Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 2 GrEStG bejaht, wenn aufgrund eines Anteilsrückerwerbs innerhalb von 2Jahren nach Steuerentstehung die Anteilsgrenze von 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen unterschritten wird. Ob die Finanzverwaltung dem folgen will, erscheint derzeit ungewiss; jedenfalls ist dieses Urteil bislang nicht im BStBl II veröffentlicht worden.

2. Auch bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 3 GrEStG ist es für die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG letztlich entscheidend, dass aufgrund eines Anteilsrückerwerbs die für § 1 Abs. 3 GrEStG maßgebende Anteilsgrenze von 95 % nicht mehr erreicht wird. Für diese Sichtweise ist in erster Linie das systematische Verhältnis zwischen § 1 und § 16 GrEStG ausschlaggebend: Weil der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG ausschließlich dann erfüllt ist, wenn 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen in einer Hand vereinigt werden, muss es auch für die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ausreichen, wenn durch Anteilsrückerwerb das steuerbegründende Quantum von 95 % der Anteile der Gesellschaft wieder unterschritten wird.

Ein Rückerwerb sämtlicher Anteile, deren Übergang zur Verwirklichung des Steuertatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat, ist daher für die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG nicht erforderlich.

3. Die vorstehenden Grundsätze dürften auch für die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG auf den durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013 (BGBl I, 1809) eingefügten neuen Steuertatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG gelten. Durch den ebenfalls durch das AmtshilfeRLUmsG geänderten § 16 Abs. 5 GrEStG ist klargestellt, dass auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3a GrEStG der Regelung des § 16 Abs. 2 GrEStG unterfallen. Schon aufgrund des systematischen Verhältnisses zwischen § 1 und § 16 GrEStG müssen daher die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG als erfüllt angesehen werden, wenn nach einem die wirtschaftliche Beteiligung i.S.d. § 1 Abs. 3a GrEStG begründenden Rechtsvorgang ein Rückerwerb einer Beteiligung am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaft (vgl. § 1 Abs. 3a Satz 2 GrEStG) in einem Umfang erfolgt, der zur Unterschreitung der "durchgerechneten" (dazu § 1 Abs. 3a Satz 3 GrEStG)Anteilsquote von 95 % führt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.6.2013 – II R 52/12

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