Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete: Eintritt des nichtehelichen Lebenspartners in das Mietverhältnis des verstorbenen Mieters
Leitsatz (amtlich)
Der überlebende Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft tritt in entsprechender Anwendung des § 569a Abs. 2 Satz 1 BGB in den Mietvertrag des verstorbenen Mieters ein.
Normenkette
BGB § 569a
Verfahrensgang
BayObLG |
LG München I |
AG München |
Gründe
I. Mit Vertrag vom 19. Juni 1967 hat der Kläger eine Wohnung an Eheleute vermietet. Nach dem Tod der Ehefrau setzte der Mann das Mietverhältnis allein fort und nahm im Jahre 1978 die unverheiratete Beklagte in die Wohnung auf. Diese lebte mit ihm dort bis zu seinem Tod im Jahre 1990 zusammen. Einwendungen hat der Kläger dagegen nicht erhoben. Der Mieter wurde von seinen gesetzlichen Erben beerbt. Der Kläger verlangt mit der Klage Räumung und Herausgabe der Wohnung von der Beklagten. Das Amtsgericht München hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis eingetreten. § 569a Abs. 2 BGB sei auf den überlebenden Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zumindest entsprechend anwendbar.
Das auf die Berufung des Klägers mit der Sache befaßte Landgericht München I hält hingegen § 569 a Abs. 2 BGB für unanwendbar, weil es sich bei der dort vorgesehenes Sonderrechtsnachfolge um eine Ausnahmevorschrift handele, deren Anwendungsbereich nicht durch Analogie ausgeweitet werden dürfe. Es möchte deshalb der Klage stattgeben, sieht sich hieran jedoch durch einen Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Saarbrücken gehindert (RE-Miet 1/90 vom 6. März 1991 = NJW 1991, 1760 = WuM 1991, 251). Es hat deshalb dem Bayerischen Obersten Landesgericht folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
Tritt der nichteheliche Lebenspartner gemäß § 569 a Abs. 2 Satz 2 (richtig: Satz 1) BGB in den Mietvertrag des verstorbenen Mieters ein?
Das Bayerische Oberste Landesgericht teilt die Auffassung des Landgerichts, sieht sich aber an einer entsprechenden Entscheidung ebenfalls durch den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Saarbrücken gehindert. Es hat deshalb mit Beschlug vom 20. Juli 1992 die ihm vom Landgericht gestellte Rechtsfrage dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung durch Rechtsentscheid vorgelegt (NJW 1993, 137 = WuM 1992, 528 = ZMR 1992, S. 498 = GE 1992, S. 929).
Nach Auffassung des Bayerischen obersten Landesgerichts ist § 569 a Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach hausstandszugehörige Familienangehörige nach dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis eintreten, auf den überlebenden Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft weder unmittelbar noch analog anwendbar. Der Gesetzgeber habe die Sonderrechtsnachfolge in das Mietverhältnis von dem Bestehen eines gemeinsamen Hausstandes und der Familienangehörigkeit abhängig gemacht. Diese gesetzgeberische Entscheidung, die auf einer Abwägung der Interessen des Vermieters, der Erben des Mieters und der bisherigen Bewohner beruhe, werde unterlaufen, wenn dem Begriff des Familienangehörigen eine inhaltsleere Bedeutung gegeben werde, was der Fall sei, wenn nur auf eine hinreichend enge, persönliche Beziehung im Sinne einer auf Dauer angelegten Partnerschaft abgestellt werde. Es fehle an Kriterien, nach denen eine enge persönliche Verbundenheit mit der dafür erforderlichen Klarheit festgestellt werden könne. Allein die Dauer der Beziehung sei kein geeignetes Abgrenzungsmerkmal. Für den Vermieter und die Erben werde es oft nicht möglich sein festzustellen, welche Form des persönlichen Zusammenlebens gegeben sei. Damit werde die Rechtslage beim Ableben des bisherigen Mieters unüberschaubar. Deshalb sei es sachgerecht, den Begriff des Familienangehörigen entsprechend der herkömmlichen Auffassung auch des historischen Gesetzgebers auf verwandte oder verschwägerte Personen zu begrenzen.
Zweifelhaft erscheine, ob, was eine nichteheliche Lebensgemeinschaft angehe, im Rahmen des § 569a, Abs. 2 Satz 1 BGB eine Regelungslücke vorliege. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft sei bei Inkrafttreten der Bestimmung im Jahre 1964 als Erscheinung des sozialen Lebens bekannt gewesen. Die Situation sei deshalb eine andere als bei der Auslegung von Bestimmungen aus der Entstehungszeit des Bürgerlichen Gesetzbuches. Bejahe man eine Regelungslücke, so sei die nichteheliche Lebensgemeinschaft aber nicht anders zu behandeln als andere Formen des Zusammenlebens, deren Einbeziehung in die Sonderrechtsnachfolge der Gesetzgeber ebenfalls ausgeschlossen habe. Ihre Schutzbedürftigkeit sei grundsätzlich nicht anders als die sonstiger Hausgenossen zu bewerten, die bei langdauerndem Mitgebrauch ihren Lebensmittelpunkt in den Räumen des Mieters gefunden hätten, ohne mit ihm verwandt oder verschwägert zu sein. Die gesetzliche Regelung lasse erkennen, daß der Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit allein für die Sonderrechtsnachfolge und die damit verbundene Einschränkung der Dispositionsbefugnis des Vermieters nicht genügen sollte.
II. Die Vorlage ist zulässig (§ 541 Abs. 1 ZPO). Mit der von ihm beabsichtigten Entscheidung würde das Bayerische Oberste Landesgericht von dem Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Saarbrücken abweichen. Nach dessen Auffassung ist § 569 a Abs. 2 Satz 1 BGB auf den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft entsprechend anwendbar, wenn die nichteheliche Lebensgemeinschaft auf Dauer angelegt war und beide Teile unverheiratet waren. Auch diese nach Auffassung des Oberlandesgerichts Saarbrüchen die analoge Anwendung einschränkenden Voraussetzungen sind hier erfüllt. Beide Partner waren unverheiratet und haben mehr als elf Jahre zusammengelebt.
III. Der Senat beantwortet die Rechtsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.
1. In Übereinstimmung mit dem vorlegenden Gericht geht der Senat davon aus, daß eine unmittelbare Anwendung der Bestimmung nicht in Betracht kommt, weil der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht Familienangehöriger im Sinne von § 569a Abs. 2 BGB ist. Ein einheitlicher Inhalt des Begriffs „Familienangehöriger” läßt sieh aus der Gesetzessprache nicht herleiten. Er ist deshalb für jede Regelung mit Blick auf deren Sinn und Zweck (BGHZ 102, 257, 259; 111, 1, 5) unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs (BGHZ 84, 36, 38; Wiek ZMR 1991, 181 in seiner Arm. zu LG Berlin ZMR 1990, 461) zu ermitteln.
a) Entsprechend dem Normzweck, den dem verstorbenen Mieter in besonderer Weise verbundenen Personen die Wohnung als Mittelpunkt der bisherigen Lebens- und Wirtschaftsführung zu erhalten, wird der Begriff bei § 569 a Abs. 2 BGB weit ausgelegt. Er umfaßt nach einhelliger Auffassung Verwandte und Verschwägerte unabhängig welchen Grades. Darüber hinaus werden auch Pflegekinder zu den Familienangehörigen gezählt (MünchKomm/Voelskow, BGB, 2. Aufl., Rdn. 9; Soergel/Kummer, BGB, 11. Aufl., Rdnr. 8 jeweils zu § 569 a BGB; Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, 3. Aufl., § 25 Rdnr. 3). Dagegen bestehen keine Bedenken.
b) Darüber hinaus sollen nach vor allem im Schrifttum vertretener Auffassung auch Freunde, Verlobte und insbesondere in einem eheähnlichen Verhältnis Zusammenlebende zu den Familienangehörigen i. S. d. § 569a Abs. 2 BGB zu zählen sein (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Kap. I, Rdnr. 78; Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl. Anh. nach § 1588 „Nichteheliche Lebensgemeinschaft” Rdnr. 138; Wiek aaO). Zur Begründung wird im wesentlichen angeführt, die Vorschrift habe keinen typisch ehe- oder familienrechtlichen Gehalt. Für die Auslegung stehe deshalb im Vordergrund der Zweck, bestehende Hausgemeinschaften zu schützen. Danach komme es allein auf die nahe persönliche Beziehung des überlebenden Partners zum verstorbenen Mieter unabhängig vom Bestehen familienrechtlicher oder familiärer Bindungen an (Soergel/Lange; Sternel; Wiek jeweils aaO; Lieb, Gutachten zum 57. Deutschen Juristentag (1988) unter A 105).
Dem vermag der Senat nicht zuzustimmen.
aa) Nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers hat die Norm zweifelsfrei einen ehe- und familienrechtlichen Bezug: § 19 MSchG sah in der ursprüngliches Fassung einen Ausschlug des Kündigungsrechts des Vermieters gemäß § 569 BGB (jetzt § 569 Abs. 1 BGB) zugunsten des Ehegatten und volljähriger Verwandter bis zum zweiten Grad vor (§ 19 MSchG vom 1. Juni 1923, RGBl. I 353). Erst durch spätere Neufassungen wurde eine Sonderrechtsnachfolge zugunsten aller beim Tod des Mieters zum Hausstand gehörenden Familienangehörigen eingeführt (§ 6 der 3. Verordnung zur Ausführung der Verordnung über Kündigungsschutz für Miet- und Pachträume vom 5. September 1939, RGBl. I 1670 und § 19 MSchG vom 15. Dezember 1942, RGBl. I 712). Der Kreis der Familienangehörigen wurde infolge dessen in Rechtsprechung und Schrifttum nunmehr weit gezogen und nur durch das Merkmal der Hausstandszugehörigkeit begrenzt. Er umfaßte auch schon nach damaligem Verständnis alle Verwandten und Verschwägerten unabhängig welchen Grades (Roquette, Mieterschutzgesetz, § 19 Rdnr. 14 f; Bettermann, Mieterschutzgesetz, § 19 Rdnr. 8), jedoch nicht sonstige, mit dem Mieter in einem gemeinsamen Hausstand zusammenlebende, ihm persönlich verbundene Personen, etwa Verlobte oder „in wilder Ehe” zusammenlebende Partner (LG Wiesbaden ZMR 1956, 195; LG Hannover ZMR 1961, 267; LG München MDR 1963, 222: a.A. für „Verlobte” soweit ersichtlich nur LG Lüneburg ZMR 1954, 46). Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber des Jahres 1964 bei Schaffung des § 569a BGB den unverändert übernommenen Begriff des „Familienangehörigen” in einem weitergehenden Sinn verstehen wollte, sind nicht vorhanden. Das vorlegende Gericht bemerkt zu Recht, daß der so bestimmte Kreis der eintrittsberechtigten Personen in den parlamentarischen Beratungen als äußerst weitgehend empfunden worden ist.
bb) Auch wenn die Auslegung einer Norm sich nicht allein an ihrer Entstehungsgeschichte orientieren kann, sondern den gewandelten gesellschaftlichen Verhältnissen, insbesondere der späteren starken Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften Rechnung tragen muß, kommt diesem herkömmlichen, an gemeinsamer Abstammung oder Schwägerschaft ausgerichteten Verständnis des Begriffs „Familienangehöriger” im Rahmen des § 569 a Abs. 2 BGB heute noch maßgebliche Bedeutung zu.
Trotz der zunehmenden Verbreitung nichtehelicher Lebensgemeinschaften wird der Begriff des Familienangehörigen auch nach allgemeinem Sprachverständnis nicht losgelöst von dem Wortbestandteil Familie verstanden. Der nichteheliche Lebenspartner gilt in diesem Sinne nicht als Familienangehöriger (LG Karlsruhe, FamRZ 1982, 599; LG Berlin NJW-RR 1990, 1041; Erman/Schopp, BGB, B. Aufl., §§ 569 a, 569 b Rdnr. 4).
2. Das schließt jedoch nicht aus, § 569 a Abs. 2 Satz 1 BGB auf den überlebenden Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft entsprechend anzuwenden.
a) Die Zahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften ist erheblich angestiegen; sie werden gesellschaftlich weithin toleriert (vgl. die statistischen Angaben bei Lieb aaO unter A 13 ff). Diese Entwicklung konnte der Gesetzgeber im Jahre 1964 nicht voraussehen, auch wenn ihm nichteheliche Lebensgemeinschaften als „typische Erscheinung des sozialen Lebens” bekannt waren (BVerfGE 82, 6, 13; BGHZ 84, 36, 38). Ihr hat die Rechtsprechung bereits verschiedentlich Rechnung getragen. So ist der Inhaber eines dinglichen Wohnungsrechts befugt, die Partnerin (den Partner) einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in analoger Abwendung des § 1093 Abs. 2 BGB in die Wohnung aufzunehmen, wenn beide unverheiratet sind und das Verhältnis auf Dauer angelegt ist (BGHZ 84, 36). Im Mietrecht hat der Vermieter unter den Voraussetzungen des § 549 BGB den ständigen Aufenthalt eines nichtehelichen Partners in der Mietwohnung zu dulden (BGHZ 92, 213). Auch außerhalb des Miet- und Wohnungsrechts haben Rechtsprechung (zur Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO vgl. BGHZ 111, 1) und Gesetzgeber die nichteheliche Lebensgemeinschaft als Form des Zusammenlebens von Mann und Frau zur Kenntnis genommen und rechtliche Folgen an ihre Existenz geknüpft (vgl. etwa § 122 BSHG; § 137 Abs. 2 a AFG). Das Bundesverfassungsgericht hat die Auffassung, auch § 569 a Abs. 2 BGB weise im Hinblick auf diese Entwicklung eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke auf, unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht beanstandet und betont, sie ersetze nicht in unzulässiger Weise eine Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers durch eine richterliche, denn der Gesetzgeber selbst habe das privatautonome Auswahlrecht des Vermieters in bezug auf den Vertragspartner zugunsten bestimmter Personengruppen eingeschränkt, die mit dem verstorbenen Mieter einen gemeinsamen Hausstand hatten (BVerfGE 82, 6). Die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat zwar keine präjudizielle Wirkungen für die Beantwortung der Vorlagefrage, als Teil der aufgezeigten Rechtsentwicklung kann sie indessen nicht unbeachtet bleiben. Das gilt insbesondere für die Vereinbarkeit der analogen Anwendung des § 569 a Abs. 2 BGB auf den überlebenden Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Art. 6 Abs. 1 GG.
b) Bedenken gegen die Analogie könnten danach nur aus dem sogenannten einfachen Recht hergeleitet werden. Derartige Bedenken bestehen nicht, jedenfalls seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. November 1992 (1 BvL 8/87) – wie noch darzulegen sein wird – nicht mehr.
aa) Die Diskussion der Vorlagefrage in Rechtswissenschaft und Praxis, vornehmlich die hierzu durch Veröffentlichung bekannt gewordenen Entscheidungen in den Tatsacheninstanzen (LG Hannover FamRZ 1985, 1255 f. mit Anm. von Bosch; LG Hamburg WuM 1989, 304; LG Berlin, NJW-RR 1990, 1041; siehe auch LG Karlsruhe FamRZ 1982, 599) lassen erkennen, daß der Konfliktstoff regelungsbedürftig ist. Beachtung verdient, daß in diesem Zusammenhang auf dem 57. Deutschen Juristentag nicht an ein Eingreifen des Gesetzgebers, sondern an richterliche Rechtsfortbildung gedacht worden ist.
bb) Die Auffassung des vorlegenden Gerichts, nichteheliche Lebensgemeinschaften seien durchweg nicht anders als sonstige Formen des außerehelichen Zusammenlebens zu behandeln, weil sie diesen gegenüber keine typischen Besonderheiten aufwiesen, teilt der Senat nicht. Denn es gibt innerhalb der Vielzahl möglicher Formen außerehelichen Zusammenlebens Partnerschaften, die eine so weitgehende Ähnlichkeit mit einer Ehe oder sonstigen familiären Beziehung aufweisen, daß das Fehlen einer „formalen” rechtlichen Bindung die analoge Anwendung des § 569 a Abs. 2 BGB nicht ausschließen kann, wie die Bestimmungen der §§ 122 BSHG, 137 Abs. 2 a AFG zeigen, geht der Gesetzgeber selbst von der Existenz außerehelicher Gemeinschaften aus, in denen die partnerschaftlichen Bindungen im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft den auf Ehe oder Verwandtschaft beruhenden Bindungen so ähnlich sein können, daß sie eine – partielle – rechtliche Gleichbehandlung gebieten.
cc) Liegen diese Voraussetzungen im Einzelfall vor, so ist es nicht gerechtfertigt, die Partner solcher „eheähnlichen Gemeinschaften” bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 569 a BGB ungünstiger zu stellen als Verwandte oder Verschwägerte. Das Vertrauen in die Aufrechterhaltung des bisherigen Mittelpunktes der Lebens- und Wirtschaftsführung ist für den überlebenden Partner einer lange Zeit andauernden und durch das gegenseitige Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens gekennzeichneten „eheähnlichen Gemeinschaft” (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 17. November 1992 – 1 BvL 8/87) nicht weniger schutzwürdig, wie bei dem – nach einhelliger Auffassung ganz weit zu ziehenden – Kreis sonstiger Familienangehöriger. Weder mit den allgemein herrschenden Wertvorstellungen und der bei weiten Teilen der Bevölkerung grundlegend geänderten Einstellung zu Ehe und Familie noch den tatsächlichen Familienstrukturen wäre es vereinbar, dem weitläufigen Verwandten oder Verschwägerten ein Eintrittsrecht zu gewähren, dem langjährigen Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft dagegen zu versagen. Erst recht erscheint es nicht hinnehmbar, dem aus einer solchen Partnerschaft hervorgegangenen gemeinsamen nichtehelichen Kind das Eintrittsrecht zu gewähren, dessen leiblichen überlebenden Elternteil aber auszuschließen und auf sein „Recht” zu verweisen, als Familienangehöriger des Kindes in der Wohnung zu verbleiben (so aber Bub/Treffer/Heile, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., Kap. II Rdnr. 853; Bosch, FamRZ 1991, 1, 5).
dd) Der analogen Anwendung stehen auch keine durchgreifenden Bedenken wegen denkbarer Unsicherheiten bei der erforderliche Abgrenzung gegenüber sonstigen außerehelichen Partnerschaften entgegen. (a. A.: LG Karlsruhe FamRZ 1982, 599; Bosch FamRZ 1985, 1256 = Arm. zu LG Hannover FamRZ 1985, 1255; ders. FamRZ 1989, 28 und FamRZ 1991, 1 f.; Staudinger/Sonnenschein, BGB, 12. Aufl., z. Bearb. 1981, § 569 a Rdnr. 19; Heile aaO). Auch wenn einzuräumen ist, daß die formalen Kriterien der Ehe oder des Status von Verwandtschaft oder Schwägerschaft einfacher und sicherer festzustellen sind, vermögen solche im Einzelfall nicht auszuschließende Unsicherheiten jedenfalls im Rahmen des § 569 a Abs. 2 BGB die Ablehnung einer Analogie nicht mehr zu rechtfertigen (anders zu § 116 SGB X BGHZ 102, 257, 263 f). Der Kreis der analog § 569 a Abs. 2 Satz 1 BGB Eintrittsberechtigten ist bei der sachlich gebotenen Beschränkung auf Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft zugleich hinlänglich konkret umschrieben. Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft wird vom Gesetzgeber ohne nähere Umschreibung verwandt (§ 122 BSHG, § 137 a Abs. 2 AFG), mithin als bekannt oder zumindest bestimmbar vorausgesetzt. Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ist – wie auch sonst – Aufgabe der Fachgerichte. Zudem ist der Begriff durch den Beschlug des Bundesverfassungsgerichts vom 17. November 1992 (aaO) nunmehr in einer Weise eingegrenzt worden, daß er für die Rechtspraxis in einer die gebotene Rechtssicherheit gewährleistenden Weise handhabbar ist. Danach setzt eine eheähnliche Gemeinschaft eine Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau voraus, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zuläßt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushaltsund Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht. Gleichgeschlechtliche und ihrer Art nach nur vorübergehend angelegte Partnerschaften scheiden damit von vornherein aus.
ee) Ob diese auch für das Eintrittsrecht gem. § 569 a Abs. 2 BGB erforderlichen Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, kann anhand von – nicht erschöpfend aufzählbaren – Indizien festgestellt werden, wobei vor allem die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des Partners zu verfügen, von Bedeutung sind (BVerfG aaO). Unerträgliche Nachforschungen, die die Intimsphäre berühen würden (BGHZ aaO), sind dabei nicht veranlaßt. Im übrigen erscheint es nicht unzumutbar, wenn derjenige, der sich auf ein Eintrittsrecht beruft und den deshalb die Darlegungs- und Beweislast für dessen Voraussetzungen trifft, die zur Feststellung einer eheähnlichen Gemeinschaft erforderlichen Informationen erteilen muß.
ff) Damit vermögen auch die Bedenken des vorlegenden Gerichts, die Rechtsbeziehungen zwischen Vermiete, Erben des Mieters und überlebendem Partner würden beim Tode des Mieters unüberschaubar, wenn auf formale Abgrenzungskriterien verzichtet werde, nicht durchzugreifen. Wußte der Vermieter von der eheähnlichen Gemeinschaft oder hätte er sie jedenfalls schon zu Lebzeiten dulden müssen, erfahren seine Rechte, insbesondere seine Dispositionsbefugnis, keine weitergehende Einschränkung als beim Eintritt eines Ehegatten oder Familienangehörigen. Das Fehlen einer familienrechtlichen Bindung, das für das Aufenthaltsrecht schon zu Lebzeiten des Mieters ohne Belang war, führt auch nach dessen Tod zu keiner besonderen Belastung des Vermieters. Selbst wenn es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Frage kommt, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorgelegen hat, wiegen die damit vorübergehend verbundenen Rechtsunsicherheiten nicht so schwer, daß sie einer Analogie entgegenstehen müßten. Der zunächst in der Wohnung verbleibende, sich auf ein Eintrittsrecht berufende Partner hat die bisherige Miete fortzuentrichten und tritt gegebenenfalls mit allen Rechten und Pflichten in das Mietverhältnis ein. Bei unzumutbaren Beeinträchtigungen steht dem Vermieter das Kündigungsrecht gemäß § 569 a Abs. 5 zur Seite. Bislang schon nicht im Hausstand mit dem Mieter lebende Erben werden in der Regel kein gewichtiges Interesse daran haben, das Mietverhältnis fortzusetzen. Auch für sie wäre es letztlich nicht untragbar, wenn die Frage eines möglichen Eintritts in Rechte und Pflichten des verstorbenen Mieters von dem Ausgang eines Rechtsstreits zwischen Vermieter und dem sich auf ein vorrangiges Eintrittsrecht berufenden überlebenden Partner abhinge.
gg) Schließlich bestehen – wie dargelegt – gegen die analoge Anwendung des § 569a Abs. 2 BGB auf den überlebenden Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfGE 82, 6). Weder gebietet Art. 6 Abs. 1 GG, die Führung solcher Partnerschaften durch den Ausschlug von der Nachfolgemöglichkeit zu erschweren, noch wird die Dispositionsfreiheit des Vermieters in einem die Eigentumsgewährleistung berührenden Maße beeinträchtigt. Das gilt jedenfalls, soweit das Eintrittsrecht nicht schon jedem auch nur kurze Zeit mit dem Mieter zusammenlebenden Partner gewährt wird, was bei eheähnlichen, durch eine lange Dauer des Zusammenlebens gekennzeichnete Gemeinschaften ausgeschlossen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 708022 |
BGHZ |
BGHZ, 116 |
BB 1993, 752 |
NJW 1993, 999 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1993, 950 |
JuS 1993, 597 |