Leitsatz (amtlich)
1. Die in Art. 1 der VO (EWG) 20/62 ausgeführten Tarifpositionen 02.01 A III a und 02.06 B haben ihren Charakter als Rechtsnormen des EWG-Rechts dadurch nicht verloren, daß die Bundesrepublik durch nationale Rechtsnormen von der in Art. 11 der genannten VO vorgesehenen Ermächtigung Gebrauch gemacht hat, für Waren der Tarifpositionen 02.01 A III a und 02.06 B Ausfuhrerstattungen zu gewähren.
2. Fleisch von Hausschweinen, das zur Erreichung einer die Haltbarkeit verbessernden festen Oberfläche und eines gewünschten Geschmacks mehrere Tage getrocknet und danach zur Erlangung einer Kühlreserve bei –15 bis 20 Grad Celsius ein bis zwei Tage in einem Tiefkühlraum gelagert wird, ist als frisches Fleisch (in gefrorenem Zustand) der Tarifposition 02.01 A III a zuzuweisen.
3. Getrocknetes Fleisch der Tarifposition 02.06 B liegt nur dann vor, wenn das Fleisch durch den Trocknungsvorgang so nachhaltig haltbar gemacht worden ist, daß eine anschließende Tiefkühlung als Kühlreserve entbehrlich ist.
Normenkette
EWGV 20/62 Art. 1; EWGV 20/62 Art. 11; DurchfG EWG-SchwEiGE § 5; Erst-VO SchwEiGe Anlage 1 (1. d. F. der ÄndVO vom 29. August 1963, BZBl 1963, 753)
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) lieferte seit 1961 an in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) stationierte US-Streitkräfte Schinken und Schultern ohne Knochen sowie Kotelettstränge. Auf Wunsch der amerikanischen Abnehmer lagerte die Klägerin das Fleisch nach der Schlachtung je nach Wassergehalt vier bis acht Tage bei einer Temperatur von ca. + 2 bis 5 Grad Celsius in einem Exhaustorraum mit sechs Luftgebläsen auf Nirosta-Etagenwagen. Ziel dieses Verfahrens war es, bei dem Fleisch eine teste Oberfläche und damit eine bessere Haltbarkeit, in erster Linie aber einen bestimmten, von den Amerikanern gewünschten Geschmack zu erreichen. Nach der Lagerung wurde das Fleisch in Kartons verpackt und ein bis zwei Tage in einem Tiefkühlraum bei minus 15 bis 20 Grad Celsius gelagert, um für den Transport eine Kühlreserve zu bekommen. Der Versand erfolgte in Kühlwagen unter teilweiser Verwendung von Trockeneis. In ihren beim Finanzamt (FA) eingereichten Anträgen und Abwicklungsscheinen sowie in ihren Rechnungen ordnete die Klägerin diese Waren der Tarifgruppe 02.01 des Warenverzeichnisses für die Außenhandelsstatistik zu (Fleisch und genießbarer Schlachtabfall von den in den Tarifnr. 01.01 bis 01.04 genannten Tieren frisch gekühlt oder gefroren). Diese Tarifierung ließ sich die Klägerin durch eine unverbindliche Tarifauskunft des Zollamts (ZA) B bestätigen. Nach Inkrafttreten der Verordnung (EWG) Nr. 20/62 – VO (EWG) 20/62 – vom 4. April 1962 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1962 S. 945 – ABlEG 1962, 945 –, Bundeszollblatt 1962 S. 627 – BZBl 1962, 627 –) und der darauf beruhenden nationalen Erstattungsverordnung Schweine, Eier, Geflügel – ErstVO-SchwEiGe – vom 8. März 1963 (BGBl I 1963, 152, BZBl 1963, 180) in der Form der Ersten Änderungsverordnung (1. ÄndVO) vom 29. August 1963 (BGBl I 1963, 741. BZBl 1963, 753), mit der erstmals Ausfuhrerstattungen für getrocknetes oder geräuchertes Fleisch von Hausschweinen der Tarifstelle 02.06-B-I-b festgesetzt waren, ordnete die Klägerin in ihren Anträgen auf Erstattung und auf Erstattungszusage die aufgeführten Waren dieser Tarifstelle zu. In ihren Rechnungen blieb sie bis April 1964 bei der Tarifnr. 02.01.
Mit Rückforderungsbescheid vom 11. Mai 1967 forderte die Beklagte und Revisionsklägerin (die Einfuhr- und Vorratsstelle – EVSt –) Ausfuhrerstattung mit der Begründung zurück, daß es sich bei dem an die US-Streitkräfte gelieferten Schweinefleisch nicht um getrocknetes Fleisch der Tarifstelle 02.06-B, sondern um Frischfleisch der Tarifstelle 02.01-A-III-a handele. Für geforerenes Schweinefleisch dieser Art waren keine Erstattungen festgesetzt. Die EVSt stützte sich in ihrem Rückforderungsbescheid auf zwei Gutachten der Professoren B und S sowie auf einen Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 6. Dezember 1966; sie zog ferner ein Gutachten der Staatlichen Chemischen Untersuchungsanstalt B über Fleischstücke heran, die länger als ein bis zwei Tage im Tiefkühlraum der Klägerin gelagert hatten.
In der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, daß sie das Fleisch zutreffend als getrocknet tarifiert habe. Sie legte Gutachten des Lebensmitteltierarztes Dr. T und des Professors Dr. K vor, aus denen sich ergibt, daß Schweinefleisch der streitigen Art infolge der vorgenommenen Trocknung Trocknungsverluste von 8 bis 21 % aufgewiesen hätte.
Selbst wenn diese Auffassung nicht zutreffen sollte, sei der Erstattungswiderruf rechtswidrig. Die Erstattungsgewährung stelle einen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Für die Rücknahme solcher Verwaltungsaktes seien die Grundsätze über den Vertrauensschutz von Bedeutung. Eine eventuelle Fehlerhaftigkeit beruhe allein darauf, daß der Verordnungsgeber Erstattungen eingeführt habe, ohne die an den Begriff „getrocknetes Fleisch” zu stellenden Anforderungen näher zu definieren. Die Ursache der Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsakte liege damit im Verwaltungsbereich der EVSt.
Die EVSt führte demgegenüber aus, von getrocknetem Fleisch i. S. der Tarifnr. 02.06 könne nur dann gesprochen werden, wenn das Fleisch infolge einer bestimmten Bearbeitung seinen Frischfleischcharakter unwiederbringlich eingebüßt habe und so konserviert sei, daß es keiner weitergehenden Konservierung mehr bedürfe. Zur Begründung dieser Auffassung berief sich die EVSt auf später erlassene Erläuterungen zum Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften (ErlGZT). Danach gehören zur Tarifnr. 02.06-B-1-b (Schweinefleisch getrocknet) nur Waren, die durch Trocknen haltbar gemacht worden sind. Die von der Klägerin gelieferte Ware habe eingefroren werden müssen, um ihr die erforderliche Haltbarkeit zu verleihen. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin, so meinte die EVSt weiter, nicht berufen. Ihr habe bekannt sein müssen, daß dieselbe Ware nicht gleichzeitig zwei unterschiedlichen Tarifpositionen oder amtlichen Warenbezeichnungen angehören könne.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es sah die streitigen Fleischwaren als getrocknet i. S. der Erstattungsverordnung an. Nach Auffassung des FG folge daraus, daß sowohl der Abschöpfungstarif als auch die Erstattungsverordnung die Position „Fleisch von Hausschweinen, getrocknet oder geräuchert, in ganzen oder halben Tierkörpern” (Tarifstelle 02.06-B-I-b-1) enthielten, daß unter „getrocknet” ein auch bei ganzen Tierkörpern mittels einer wirtschaftlich sinnvollen Behandlung erzielter, technisch erreichbarer Zustand zu verstehen sei. Dann könne aber die Auffassung der EVSt, getrocknetes Fleisch dürfe einen Wassergehalt von höchstens 10 % haben, nicht zutreffen. Denn unstreitig sei ein ganze oder halbe Schweine betreffenden Trocknungsverfahren, mit dem der Wassergehalt auf 10 % herabgesetzt werden könne, nach den derzeitigen Möglichkeiten, wenn überhaupt möglich, auf jeden Fall zu kostspielig, um noch wirtschaftlich sinnvoll zu sein. Der Auflassung der EVSt, daß der Abschöpfungstarif insoweit eine Leerposition enthalte, könne nicht gefolgt werden. Das ergebe sich daraus, daß sowohl der Abschöpfungstarif als auch die Erstattungsverordnung für ganze oder halbe getrocknete Tierkörper unterschiedliche Abschöpfungs- bzw. Erstattungssätze vorsähen. In der Erstattungsverordnung könne daher nur ein Trocknungsvorgang angesprochen sein, der nicht nur bei anderen, kleineren Einheiten, sondern auch bei ganzen Tierkörpern technisch durchführbar und handelsüblich sei. Entscheidend sei, daß dem Fleisch durch den Trocknungsvorgang unwiderruflich der Charakter von Frischfleisch genommen worden sei; hierzu sei nach den übereinstimmenden Angaben, auch den von der EVSt eingeholten Gutachten, ein Wasserentzug von etwa 10 % ausreichend. Auch das vom FG eingeholte Gutachten der Bundesanstalt für Fleischforschung bestätige den Vortrag der Klägerin bezüglich des Trocknungsgrades des Fleisches.
Folge man der Auffassung der EVSt, daß der Begriff „getrocknet” als „durch Trocknen haltbar gemacht” zu verstehen sei, so ergebe sich nichts anderes. Die Bundesanstalt habe nämlich ausgeführt, daß das Fleisch durch die vorgenommene Trocknung eine höhere Haltbarkeit als Frischfleisch bekomme. Ob die Haltbarkeit um zwei Tage, um Wochen oder Monate verlängert werde, sei für die Tarifierung als getrocknetes Fleisch unbeachtlich. Auf den von der EVSt angebotenen Beweis, daß es technisch und wirtschaftlich möglich sei, auch Schweinehälften durch bloße Trocknung für längere Zeit halbar zu machen, komme es deshalb nicht an.
Das FG vertrat weiter die Auffassung, daß unabhängig von der Frage der Beschaffenheit der Ware die EVSt den ihr obliegenden Nachweis, daß die Klägerin frische Ware und nicht getrocknete Ware geliefert habe, nicht geführt habe.
Mit ihrer gegen das Urteil des FG eingelegten Revision rügt die EVSt die Verletzung des Art. 11 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 der VO (EWG) 20/62 des Rates über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Schweinefleisch, ferner der §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 ErstVOSchwEiGe und des § 76 FGO. Sie führt aus, der in § 1 ErstVOSchwEiGe (i. V. m. der dazu ergangenen Anlage) verwendete Begriff „getrocknet” sei unter Heranziehung der Tarifstelle 02.06-B im Auslegungswege zu ermitteln. Dort stünden die Behandlungsarten des „Räucherns” und des „Trocknens” gleichrangig und gleichwertig nebeneinander. Diese aufwendigen Behandlungsarten verliehen der Ware eine nicht nur kurzfristige Haltbarkeit und veränderten sie in ihrer Struktur grundsätzlich. Die Auffassung des FG, daß für die Tarifierung unter die Tarifnr. 02.06 ein Wasserrentzug von etwa 10 % ausreichend sei, sei angesichts des eingeräumten Umstandes, daß wegen der unterschiedlichen Qualität des Fleisches und den Verschiedenheiten der Bestimmungsmethoden Abweichungen in der genannten Prozentzahl nach oben oder unten denkbar seien, nicht haltbar. Es könne nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, die Abgrenzung der beiden Tarifpositionen von einem derart unscharfen und unpraktikablen Kriterium abhängig zu machen.
Bei der Auslegung des Begriffes „getrocknet” müsse auf die VO (EWG) 20/62 zurückgegriffen werden. Art. 11 dieser VO, der die Mitgliedstaaten zur Gewährung von Erstattungen ermächtigt habe, verweise auf die in Art. 1 Abs. 1 aufgeführten Erzeugnisse. Es komme deshalb auf den gemeinschaftsrechtlichen Sinn dieses Begriffes an. nach den ErlGZT zur Tarifnr. 02.06 gehörten zur Tarifstelle B-1-b (Schweinefleisch getrocknet) nur Waren, die durch Trocknen haltbar gemacht worden seien. Fleisch, dem teilweise Wasser entzogen worden sei, dessen Haltbarmachung jedoch durch Tiefkühlung (Einfrieren) erreicht werde, werde der Tarifnr. 02.02 zugewiesen. Diese allerdings im streitigen Zeitraum noch nicht geltenden Erläuterungen stellten bei unverändert geblichener Tariflage die übereinstimmende Auflassung der Gemeinschaft dar.
Die EVSt beantragt unter Hinweis auf die Vorlagepflicht gemäß Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) die Frage vorzulegen, wie der Begriff von Fleisch von Schweinen, getrocknet, der Nummer des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) 02.06 B in Art. 1 VO (EWG) 20/62 auszulegen ist, insbesondere, ob unter diese Tarifstelle nur Waren gehören, die durch Trocknen nicht nur kurzfristig haltbar gemacht worden sind, und zwar ohne zusätzliche Tiefkühlung.
Den Verstoß gegen § 76 FGO begründet die EVSt damit, daß das FG auf die Einholung eines Gutachtens zu der Frage verzichtet habe, ob auch Schweinehälften durch bloße Trocknung für längere Zeit halbar gemacht werden können. Das Gericht sei auch dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Vorschlag nicht gefolgt, in einem mit den erforderlichen Einrichtungen versehenen Schlachtbetrieb Schweinefleisch nach der „hanging-hall-Methode” zu behandeln und zu untersuchen.
Die EVSt beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, daß es im Streitfall um die Auslegung einer dem deutschen Recht angehörenden Bestimmung gehe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage.
Das FG hat der Klage in erster Linie mit der Begründung stattgegeben, daß es bei der Unterscheidung von Fleisch von Hausschweinen der Tarifnr. 02.01 einerseits und Fleisch von Hausschweinen, getrocknet der Tarifnr. 02.06 andererseits darauf ankomme, ob dem Fleisch durch den Trocknungsvorgang unwiderruflich der Charakter von Frischfleisch genommen werde. Das ist nach Auffassung des FG dann der Fall, wenn dem frischen Fleisch etwa 10 % Wasser entzogen wird. Dabei hat das FG sich auf ein von ihm eingeholtes Gutachten gestützt, wonach es möglich ist, daß bei der von der Klägerin angewandten Trocknungsmethode („hanging-hall-Methode”) durchschnittliche Trocknungsverluste von etwa 10 bis 15 % bei Schweinefleisch der hier streitigen Art erreicht werden können. Daß ein Entzug von etwa 10 % Wasser für den tariflichen Begriff „getrocknetes Fleisch” ausreiche, hat das FG auch daraus abgeleitet, daß in der nationalen Erstattungsverordnung eine Ausfuhrerstattung auch für getrocknetes Schweinefleisch in ganzen oder halben Tierkörpern vorgesehen sei. Eine Trocknung ganzer oder halber Körper auf den von der Verwaltung für erforderlich gehaltenen Wassergehalt von nur 10 % ist nach Auffassung des FG technisch nicht möglich, auf jeden Fall aber wirtschaftlich zu kostspielig.
Der Senat kann der Auffassung des FG nur insoweit folgen, als es bei der Unterscheidung der streitigen Tarifnummern auf den Frischfleischcharakter abstellt. Die weiteren Ausführungen des FG halten einer näheren Prüfung nicht stand.
Das FG hat zunächst verkannt, daß die Auslegung der Frage, was unter Fleisch von Schweinen, getrocknet, zu verstehen ist, keine Frage nur des nationalen Rechts ist. Grundlage dafür, daß für getrocknetes Schweinefleisch eine Ausfuhrerstattung gewährt wurde, war Art. 11 der inzwischen nicht mehr geltenden VO (EWG) 20/62 über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Schweinefleisch. Erstattungsfähig waren nach dieser Vorschrift die in Art. 1 der genannten VO erwähnten Waren, also auch Fleisch von Hausschweinen (Nummer 02.02 A III a des GZT) und getrocknetes Fleisch von Schweinen (Nummer 02.06 B des GZT). Daran, daß es sich bei diesen tariflichen Begriffen um solche des UWG-Rechts handelt, ändert sich nichts dadurch, daß die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet waren, für unter die VO (EWG) 20/62 fallenden Waren Ausfuhrerstattung zu gewähren, sondern daß sie dazu lediglich ermächtigt waren. Machten sie von dieser Ermächtigung Gebrauch, wie es in der Bundesrepublik durch § 5 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnungen Nr. 20 (Schweinefleisch), Nr. 21 (Eier) und Nr. 22 (Geflügel) des Rates der EWG sowie zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft vom 26. Juli 1962 – DurchfG EWG-SchwEiGe – (BGBl I, 465, BZBl 1962, 647) und der darauf beruhenden Erstattungsverordnung Schweine, Eier, Geflügel i. d. F. der am 2. September 1963 in Kraft getretenen Verordnung zur Änderung dieser Verordnung vom 29. August 1963 geschehen ist, dann verlieren die in der Anlage 1 der zuletzt genannten Verordnung aufgeführten tariflichen Warenbezeichnungen nicht ihren Charakter als materielle Rechtsnormen des EWG-Rechts. Ohne Bedeutung ist, daß es im Jahre 1962 noch keinen vom Rat der EWG verordneten und als EWG-Recht geltenden GZT (i. S. eines Gemeinsamen Zolltarifschemas) gab. Der Rat der EWG hat jedenfalls in Art. 1 der VO (EWG) 20/62 die erwähnten Tarifnummern zum Bestandteil einer EWG-Verordnung gemacht und sich dabei ganz offensichtlich auf die Nummern (Hauptpositionen) und den Wortlaut des Brüsseler Zolltarifschemas bezogen, das alle Mitgliedstaaten aufgrund des Abkommens über das Zolltarifschema vom 15. Dezember 1950 (BGBl II 1952, 1, vgl. auch BGBl II 1960, 470) angewandt haben.
Gegenstand der zur Abgrenzung der streitigen Tarifnummern erforderlichen Auslegung ist deshalb nicht die nationale Erstattungsverordnung Schweine, Eier, Geflügel in der jeweiligen Fassung, also nationales Recht, sondern EWG-Recht. Die Auslegung von EWG-Recht kann aber im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung in allen Mitgliedstaaten nur einheitlich erfolgen. Daraus folgt, daß auf in einzelnen Mitgliedstaaten eingeholte Sachverständigengutachten, die auf der Grundlage nationaler Durchführungsvorschriften und unter Berücksichtigung nationaler Aspekte erstattet worden sind, nicht abgestellt werden kann. Für den Streitfall bedeutet das, daß es bei der Abgrenzung der Tarifpositionen 02.01-A-III a und 02.06-B weder auf das vom FG eingeholte Gutachten des Sachverständigen noch auf die von den Beteiligten im Vorverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegten Gutachten ankommt.
Art. 1 Abs. 1 der VO (EWG) 20/62 unterscheidet zwischen Waren der Nummern 02.01 A III a und 02.06 B des GZT. Obwohl zur erstgenannten Tarifposition die korrespondierende Warenbezeichnung nach Art. 1 VO (EWG) 20/62 „Fleisch von Hausschweinen” lautet, hat der Senat keinen Zweifel, daß der Verordnungsgeber damit auf den vollen Wortlaut der unter dieser Tarifstelle zusammengefaßten Warenbezeichnung des im Jahre 1962 geltenden Zolltarifschemas verwiesen hat. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Die Tarifnr. 02.01 hatte damals (wie im übrigen auch heute) den Wortlaut „Fleisch … von den in den Tarifnrn. 01.01 bis 01.04 genannten Tieren, frisch, gekühlt oder gefroren”; die Unterposition A-III-a bezog sich auf Fleisch von Hausschweinen.
Bei Abwägung des Wortlauts der Tarifposition 02.01-A-III-a kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß darunter nur frisches Schweinefleisch in natürlichem Zustand fällt, und zwar auch dann, wenn es gekühlt oder gefroren ist. Der Charakter als frisches Fleisch geht auch dann nicht verloren, wenn das Fleisch vor der Kühlung oder dem Gefrieren einer notwendigerweise mit dem Verlust von Wasser verbundenen Lagerung unterzogen wird. Dies gilt in der Regel auch dann, wenn das gelagerte Fleisch zum Zwecke der Abtrocknung der Oberfläche einem Luftgebläse ausgesetzt wird und wenn mit dieser, dem Gefrieren vorausgehenden Trocknung, wie im Streitfalle, nicht eine verbesserte Haltbarkeit, sondern in erster Linie ein bestimmter, von den Abnehmern erwünschter Geschmack erreicht wird.
Von getrocknetem Fleisch i. S. der Tarifposition 02.06-B („Fleisch und genießbarer Schlachtabfall… gesalzen, in Salzlake, getrocknet oder geräuchert von Schweinen”) kann demgegenüber erst dann gesprochen werden, wenn durch die auf die Trocknung hinzielende Behandlung eine wesentlich verlängerte Haltbarkeit erreicht worden ist, wie dies auch für gesalzenes, in Salzlake gelegtes und geräuchertes Fleisch zutrifft. Bei in solcher Weise haltbar gemachtem Fleisch handelt es sich im Gegensatz zu nur oberflächlich angetrocknetem Fleisch nicht mehr um frisches Fleisch der Tarifposition 02.01-A-III a.
Im Streitfalle hat das FG festgestellt, daß die streitigen Fleischteile zunächst einem je nach dem Wassergehalt vier bis acht Tage andauernden Trocknungsprozeß unterworfen und danach ein bis zwei Tage in einem Tiefkühlraum bei – 15 bis 20 Grad gelagert worden sind. Mit der Lagerung sollte eine Kühlreserve erzielt werden. Es steht weiter fest, daß das Fleisch im Kühlwagen unter teilweiser Verwendung von Trockeneis versandt worden ist. Eine solche Behandlung von Fleischteilen ist aber nach den vorstehenden Ausführungen dann nicht erforderlich, wenn es sich um nachhaltig haltbar gemachtes Fleisch handelt. Die Klägerin hat damit an ihre Abnehmer nicht getrocknetes und damit für längere Zeit haltbar gemachtes Fleisch geliefert, sondern nur oberflächlich angetrocknetes, aber noch frisches Fleisch.
Aus den vorstehend angeführten Gründen kann der Senat der Auffassung des FG nicht folgen, daß es für den tariflichen Begriff „getrocknetes Fleisch” ausreiche, wenn die mit einem nur geringen Wasserverlust verbundene Trocknung die Haltbarkeit des Fleisches auch nur um zwei Tage verlängere. Eine solch kurzfristige Verlängerung der Haltbarkeit, die auch beim normalen Abhängen von frischem Fleisch eintritt, ist als tariferhebliches Unterscheidungskriterium ungeeignet. Es ist auch nicht entscheidungserheblich, ob es technisch möglich oder wirtschaftlich vertretbar ist, ganze oder halbe Tierkörper von Schweinen bis auf einen Wassergehalt von 10 % herabzutrocknen. Zunächst ist der Rückforderungsbescheid nicht damit begründet worden, daß getrocknetes Fleisch erst dann vorliegt, wenn ein solcher Trocknungsgrad erreicht worden ist. Daneben kann es für die Tarifierung nicht darauf ankommen, ob es technisch möglich oder finanziell vertretbar ist, ganze oder halbe Schweinekörper so zu trocknen, daß sie haltbar gemacht werden. Im übrigen spricht gegen die Auffassung des FG, daß auch im zur Zeit geltenden GZT unter der Tarifstelle 02.06 B I b 1 getrocknete ganze und halbe Tierkörper von Schweinen aufgeführt sind, nicht aber leicht getrocknete. Teile von Schweinen der hier streitigen Art sind dagegen auch als „leicht getrocknet” aufgeführt (Tarifstellen 02.06 B I b 3 bis 5).
Der Senat vermag dem FG auch insoweit nicht zu folgen, als es der Auffassung ist, die EVSt habe den ihr obliegenden Nachweis nicht geführt, daß die Klägerin kein getrocknetes Fleisch an die US-Streitkräfte geliefert habe. Es trifft zwar zu, daß den an die Streitkräfte gelieferten Partien keine Proben entnommen worden sind und daß deshalb die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG hier nicht Platz greift. Darauf kommt es aber für den im Rahmen der objektiven Beweislast der EVSt obliegenden Nachweis nicht an. Denn es ist nach den eigenen Feststellungen des FG unstreitig, daß die an die Abnehmer gelieferten Fleischwaren vier bis sechs Tage lang u. a. zur Erlangung einer festen Oberfläche angetrocknet und danach ein bis zwei Tage lang bei -15 bis 20 Grad gelagert, also tiefgekühlt worden sind. Ziel der nur die Oberfläche des Fleisches wesentlich beeinflussenden Trocknung war es, wie das FG festgestellt hat, eine bessere Haltbarkeit zu erzielen (nahe dem Hauptzweck, einen bestimmten Geschmack zu erreichen). Diese Verbesserung der Haltbarkeit war aber nicht so nachhaltig, daß das Fleisch ohne anschließende Tiefkühlung gelagert und transportiert werden konnte. Diese Behandlung des Fleisches beinhaltet, wie vorstehend ausgeführt worden ist, den Nachweis, daß es sich um noch frisches, gefrorenes Fleisch gehandelt hat.
In seiner Auffassung über den tariflichen Charakter der streitigen Fleischwaren sieht sich der Senat im übrigen durch die auf die VO (EWG) 97/69 vom 16. Januar 1969 (ABlEG Nr. L 14 vom 21. Januar 1969) gestützten zusätzlichen Erläuterungen zur Tarifstelle 02.06-B-I-b bestärkt. Nach diesen für die FG zwar nicht verbindlichen Erläuterungen gehört zu dieser Tarifstelle Fleisch, das durch Trocknen haltbar gemacht worden ist. Ergänzend ist, für den Streitfall von besonderer Bedeutung, hinzugefügt, daß Fleisch, dem teilweise Wasser entzogen worden ist, dessen Haltbarmachung jedoch durch Tiefkühlung erreicht wird, zur Tarifnr. 02.01 gehört.
Die Klägerin kann sich gegenüber dem Erstattungsrückforderungsbescheid nicht auf ihr Vertrauen in den Bestand der zurückgenommenen Bescheide berufen. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Widerrufsbescheide der Marktordnungsstellen nach dem damals geltenden Recht (hier der VO [EWG] 20/62) nicht auf § 94 AO, sondern nur auf das allgemeine Verwaltungsrecht gestützt werden können (vgl. Urteile vom 8. Mai 1970 VII R 52/57, BFHE 99, 281, 284, und vom 9. Mai 1972 VII R 22/69, BFHE 106, 150). Wie der Senat im letztgenannten Urteil unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) entschieden hat, kann sich der Begünstigte dann nicht auf sein Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes (hier der Erstattungsbescheide) berufen, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt auf der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Begünstigten beruht und diesen ein wenn auch nur geringes Verschulden daran trifft. Das gleiche gilt dann, wenn die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes durch Umstände verursacht worden ist, die im Verantwortungsbereich des Begünstigten liegen. Dabei kann dem Rechtsgedanken des Vertrauensschutzes in den einzelnen Rechtsgebieten ein unterschiedliches Gewicht zukommen. Für das Ausfuhrerstattungsrecht hat der erkennende Senat in seinem letztgenannten Urteil die Schlußfolgerung gezogen, daß dann, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausfuhrerstattung nicht vorgelegen haben, mit ihrer Rückforderung in erster Linie ein ungerechtfertigter Wettbewerbs- oder Marktvorteil des einzelnen gegenüber den übrigen Marktteilnehmern zu beseitigen ist. Das öffentliche Interesse gebietet es, Ausfuhrerstattungen nur in den Fällen zu gewähren, für die sie vorgesehen sind. Dieses Interesse überwiegt deshalb in der Regel das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung der gewährten Erstattung. Das hat zur Folge, daß eine zu Unrecht gewährte Erstattung in der Regel widerruflich ist, sofern dem nicht im Einzelfalle das zu schützende Vertrauen des Begünstigten entgegensteht. Das trifft im Streitfalle nicht zu. Die Klägerin hat jahrelang Fleischpartien der streitigen Art in ihren Anträgen auf Ausfuhrvergütung und Umsatzsteuerfreiheit der Tarifnr. 02.01 zugeordnet. Sie hat sich darüber hinaus die Richtigkeit dieser Tarifierung durch eine unverbindliche Tarifauskunft des ZA B bestätigen lassen. Auch in ihren Rechnungen hat sie die streitigen Fleischpartien als frisches Fleisch bezeichnet. Erst nachdem aufgrund der Ersten Änderungsverordnung zur Erstattungsverordnung Schweine, Eier, Geflügel ab September 1963 erstmals Erstattungen für getrocknetes Fleisch gewährt wurden, ordnete die Klägerin die gleichen Waren der Tarifposition 02.06-B-I-b zu, in ihren Rechnungen erst ab April 1964. Bei dieser Sachlage kann die Klägerin keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Es lag in ihrem Verantwortungsbereich, daß sie die streitigen Fleischwaren in den Erstattungsunterlagen falsch anmeldete. Sie hätte sich, ebenso wie sie es im Jahre 1963 getan hatte, bei den in Frage kommenden Zollstellen unter Hinweis auf die neue Rechtslage hinsichtlich der Ausfuhrerstattung nach der Richtigkeit der von ihr vorgenommenen Tarifierung erkundigen können. Denn die gleichen Waren konnten nicht, ohne daß sich die in Frage kommenden Tarifpositionen geändert hatten, verschiedenen Tarifnummern zugeordnet werden.
Der Senat hat davon abgesehen, die Sache dem EGH zur Vorabentscheidung der Frage, welcher der beiden in Frage kommenden Tarifpositionen die streitigen Schweinefleischpartien zuzuweisen sind, vorzulegen (Art. 177 Abs. 1 und 3 EWGV). Die zur Abgrenzung der Tarifpositionen 02.01-A-III und 02.06-B erforderliche Auslegung läßt keine Zweifelsfragen offen, so daß eine Anrufung des EGH nicht veranlaßt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 510597 |
BFHE 1977, 223 |