Entscheidungsstichwort (Thema)
Umgruppierung eines Betriebs während des Verbleibenszeitraums von einem nach dem InvZulG begünstigten in einen nicht begünstigten Wirtschaftszweig
Leitsatz (NV)
Wird ein Betrieb, den das Statistische Landesamt einem nach dem InvZulG begünstigten Wirtschaftszweig zugeordnet hat, vor Ablauf der Verbleibensfrist in einen nicht begünstigten Wirtschaftszweig umgruppiert, darf sich die Umgruppierung des Betriebs aus Gründen des Vertrauensschutzes regelmäßig nicht auf abgeschlossene Investitionen auswirken, für die der Betriebsinhaber (erhöhte) Investitionszulagen in Anspruch genommen hat. Dies gilt sowohl für Umgruppierungen aufgrund neuer statistischer Verzeichnisse als auch für Umgruppierungen aufgrund der geänderten Auffassung der Behörde. Die Investitionszulage darf nur zurückgefordert werden, wenn die ursprüngliche Zuordnung offensichtlich unzutreffend war oder sich die für die Zuordnung maßgebenden Verhältnisse geändert haben.
Normenkette
InvZulG 1996 § 3 Nr. 4, § 5 Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (EFG 2000, 1411) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt einen Steinbruch, in dem Natursteine durch Sprengung gewonnen werden. Der Bruch wird zu einer im Gelände des Steinbruchs befindlichen Aufbereitungsanlage der Klägerin transportiert, in der durch mehrmaliges Brechen und Sieben 13 verschiedene Produkte für das Baugewerbe, die Betonindustrie und den Straßenbau hergestellt werden. Die Produkte werden bis zum Verkauf auf Halden gelagert und je nach Bestellung vermischt und ausgeliefert.
Bis Anfang 1999 war die Klägerin vom Statistischen Landesamt der Gruppe 26.70 ―Be- und Verarbeitung von Natursteinen― der Klassifikation der Wirtschaftszweige 1993 zugeordnet worden. Anfang 1999 wurde der Betrieb der Klägerin in die Gruppe 14.21 ―Gewinnung von Kies und Sand― umgruppiert.
Mit Bescheid vom Oktober 1998 lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) die Gewährung einer Investitionszulage für das Streitjahr 1997 ab, weil der Betrieb der Klägerin nicht zum verarbeitenden Gewerbe i.S. des § 3 Nr. 4, § 5 Abs. 3 des Investitionszulagengesetzes 1996 (InvZulG 1996) gehöre.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1411 veröffentlichtem Urteil stattgab.
Mit der Revision trägt das FA vor, die Klägerin habe nicht auf die Einordnung durch das Statistische Landesamt vertrauen dürfen, weil sie offensichtlich unzutreffend gewesen sei. Sachgerecht sei eine Zuordnung zur Gruppe 14.1. Nach den Vorbemerkungen zu Abschnitt C. der Klassifikation der Wirtschaftszweige ―Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden― umfasse dieser Abschnitt auch Tätigkeiten zur Aufbereitung des Rohmaterials wie Zerkleinern, Waschen, Entsalzen, Klassieren und Anreichern. Genau diese Aufbereitung schließe sich im klägerischen Betrieb an die Gewinnung des Rohmaterials an. Aus dem Systematischen Verzeichnis für Produktionsstatistiken, das die Ebenen der Wirtschaftszweigklassen nach den charakteristischen Waren und Dienstleistungen beschreibe (Klassifikation der Wirtschaftszweige, Vorbemerkungen 2.3), ergebe sich zudem, dass eine Be- und Verarbeitung des Rohmaterials im Sinne der Klasse 26.7 nicht vorgenommen werde. Das Systematische Güterverzeichnis führe zur Gruppe 26.7 der Klassifikation die Erzeugnisse der Klägerin nicht auf. Vielmehr seien dort Pflastersteine und -platten, Bordsteine, Fliesen und Würfel von Naturstein genannt. Eine Zuordnung zur dieser Gruppe sei daher offensichtlich unzutreffend.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG die von der Klägerin aufgrund von § 3 Nr. 4, § 5 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a InvZulG 1996 begehrte Investitionszulage gewährt.
1. Nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a InvZulG 1996 erhöht sich die Investitionszulage von 5 v.H. auf 10 v.H., wenn neben anderen, hier nicht streitigen Voraussetzungen, der Betrieb zum verarbeitenden Gewerbe gehört und die Wirtschaftsgüter, für welche die Zulage begehrt wird, mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem solchen Betrieb verbleiben (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b InvZulG 1996).
Nach der Rechtsprechung des Senats ist für die Beantwortung der Frage, ob ein Betrieb dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist, die Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1993 (früher: Systematik der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen, Ausgabe 1979) als Dokumentation der Verkehrsauffassung heranzuziehen. Werden in einem Betrieb mehrere Tätigkeiten ausgeübt, ist der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit maßgebend, der sich grundsätzlich nach den auf die einzelnen Tätigkeiten entfallenden Wertschöpfungsanteilen bestimmt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 19. Oktober 2000 III R 100/96, BFH/NV 2001, 487). Aus Gründen der Rechtssicherheit ist die Abgrenzung der Gewerbezweige in engster Anlehnung an die Klassifikation der Wirtschaftszweige vorzunehmen. Die Statistischen Landesämter bestimmen gemäß Tz. 3.1 der Vorbemerkung der Klassifikation der Wirtschaftszweige die Zuordnung des Unternehmens nach der Haupttätigkeit, die den größten Beitrag zur Wertschöpfung leistet. Diese Einordnung haben die Finanzämter zu übernehmen, es sei denn, sie ist offensichtlich unzutreffend (z.B. BFH-Urteil vom 6. August 1998 III R 28/97, BFHE 187, 124, BStBl II 2000, 144; BFH-Beschluss vom 24. Februar 1999 III B 194/96, BFH/NV 1999, 1123, jeweils m.w.N.).
2. Ziffer 26.70.2 der Klassifikation ―Sonstige Be- und Verarbeitung von Natursteinen― umfasst die zu Unterabschnitt DI ―Glasgewerbe, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden― gehörende Unterklasse der Be- und Verarbeitung von Natursteinen für die Verwendung im Baugewerbe und Straßenbau, für Dacheindeckungen usw. und von aus Steinbrüchen geliefertem Bruchstein. Die zum Unterabschnitt CB ―Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau― gehörende Ziffer 14.11.2 ―Gewinnung von Natursteinen― hingegen erfasst die Gewinnung und das Rohbehauen von Marmor, Granit, Sandstein usw. zur Verwendung als Naturstein.
Nach der Beschreibung zu Ziffer 26.70.2 können die Arbeiten in der Aufbereitungsanlage an den im Steinbruch gewonnenen Steinen zum verarbeitenden Gewerbe gehören, denn der Begriff der Be- und Verarbeitung ist nicht definiert. Darunter können daher auch das Brechen und Sieben von Steinen fallen.
Die Einordnung durch das Statistische Landesamt ist auch nicht deshalb offensichtlich unzutreffend, weil die Klassifikation den Bereich der Be- und Verarbeitung von Natursteinen von der nicht zum verarbeitenden Gewerbe gehörenden Gewinnung von Steinen und Erden zusätzlich in der Weise abgrenzt, dass ―wie aus einem Vermerk zu Ziffer 26.70.2 hervorgeht― in Steinbrüchen ausgeführte Arbeiten, wie z.B. die Gewinnung von rohbehauenen Steinen, nicht erfasst sein sollen.
Denn das Beispiel "Gewinnung von roh behauenen Steinen" lässt zumindest den Schluss zu, dass mit den "in Steinbrüchen ausgeführten Arbeiten" nur die Arbeiten am Steinbruch selbst zur Gewinnung von Material gemeint sind, nicht aber die weitere Zerkleinerung und Aufbereitung der Steine, auch wenn sich die Aufbereitungsanlage auf dem Gelände des Steinbruchs befindet. Aus dem Systematischen Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken, das gemäß den Vorbemerkungen zur Klassifikation Ziffer 2.3 im Bereich des Produzierenden Gewerbes als Hilfsmittel für eine Zuordnung dienen kann, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn unter der Meldenummer 2670 12 100 sind als Beispiele für bearbeitete Natursteinerzeugnisse auch Körnungen und Splitter von Natursteinen genannt, die durch Brechen und Sieben von Natursteinen im Betrieb der Klägerin hergestellt werden.
Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass der Unternehmensschwerpunkt im Streitjahr im verarbeitenden Bereich lag, denn der Betrieb verfügt mit der Herstellung von 13 unterschiedlichen Produkten über ein breites, an unterschiedliche Industriezweige gerichtetes Angebot, so dass nicht von einer nur untergeordneten verarbeitenden Tätigkeit auszugehen ist.
3. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Zuordnung des Betriebs durch das statistische Landesamt ab 1999 zu dem Wirtschaftszweig Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden aus Gründen des Vertrauensschutzes den Anspruch der Klägerin auf Investitionszulage nicht berührt.
Die Förderung durch Investitionszulagen hat zum Ziel, Unternehmer zu Investitionen im Fördergebiet anzureizen, um die Wirtschaftskraft zu stärken und dadurch Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Der Investor soll bei seinen Investitionsentscheidungen die (erhöhte) Investitionszulage bei der Finanzplanung mit berücksichtigen können. Wer durch eine Behörde einem begünstigten Wirtschaftszweig (hier verarbeitendes Gewerbe) zugeordnet worden ist und für die begünstigten Investitionen im Fördergebiet eine (erhöhte) Investitionszulage in Anspruch genommen hat, muss sich darauf verlassen können, dass bei gleichbleibenden Verhältnissen die Investitionszulage nicht zurückgefordert wird. Deshalb darf sich eine Umgruppierung des Betriebs zu einem nicht begünstigten Wirtschaftszweig vor Ablauf des Verbleibenszeitraums aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht auf eine abgeschlossene Investition auswirken. Dies gilt sowohl für Umgruppierungen aufgrund neuer statistischer Verzeichnisse als auch für Umgruppierungen aufgrund der geänderten Auffassung der Behörde (Senatsurteil vom 11. April 1995 III R 77/91, BFH/NV 1995, 1090), es sei denn die ursprüngliche Zuordnung war offensichtlich unzutreffend oder die für die Zuordnung maßgebenden Verhältnisse haben sich geändert. Beides liegt im Streitfall nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 873245 |
BFH/NV 2003, 204 |
BStBl II 2003, 360 |
BFHE 2003, 366 |
BB 2003, 778 |
DStRE 2003, 540 |
HFR 2003, 582 |