Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Abzug von Zinsen als Betriebsausgaben, wenn das Darlehen unter nahen Angehörigen schenkweise begründet worden ist; zu den Voraussetzungen für eine verbindliche Zusage
Leitsatz (NV)
1. Verpflichtet sich ein Steuerpflichtiger in einem schriftlichen Vertrag, seinen Kindern Geldbeträge zuzuwenden, die sie ihm sogleich wieder als ,,Darlehen" zur Verfügung zu stellen haben, sind die ,,Zinsen" bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht abziehbare Zuwendungen i.S. des § 12 Nr.2 EStG (Anschluß an das BFH-Urteil vom 12. Februar 1992 X R 121/88, BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 568).
2. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat das FA die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen für jeden Veranlagungszeitraum erneut zu prüfen. Eine als falsch erkannte, selbst über eine längere Zeitspanne vertretene Rechtsauffassung muß es zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2; AO 1977 § 85
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1980 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Im Juni 1969 schenkte der Kläger seiner Ehefrau 30000 DM und seinen sechs damals minderjährigen Kindern je 20000 DM. Diese Beträge wurden vom Kapitalkonto des Klägers zugunsten der Kinder umgebucht, die ihrerseits die Schenkungsvaluta ab dem 1. Juli 1969 wieder dem Kläger als mit 12 v.H. verzinsliche Darlehen ,,für dessen Betrieb" zur Verfügung stellten. Nach dem Vertrag konnten die Darlehensgeber jederzeit über die Zinsen verfügen. Eine Kündigung war jeweils zum 31. Dezember mit einer Frist von einem Jahr möglich. Mit Rücksicht auf die Liquidität des Darlehensnehmers war eine auf drei Jahre begrenzte ratenweise Rückzahlung statthaft. Schenkungs- und Darlehensvertrag wurden in privatschriftlicher Form in derselben Urkunde niedergelegt. Die Kinder waren durch einen Pfleger vertreten. Im Dezember 1972 wurde der Steuerberater des Klägers als Ergänzungspfleger für drei der Kinder bestellt.
Mit Vertrag vom 16. März 1973 - abgeschlossen wiederum in der beschriebenen Weise - wurden die Darlehen von fünf Kindern um je 30000 DM aufgestockt. Für die aufgestockten Darlehen galten die gleichen Bedingungen, wie sie im Darlehensvertrag vom Juni 1969 festgelegt waren.
Am 26. Juli 1977 schlossen die Kläger und ihre Kinder, letztere vertreten durch den Pfleger, einen ,,Zusatzvertrag zum Darlehensvertrag vom Juni 1969", mit welchem der Kläger den Darlehensgebern zur Sicherung ihrer Forderungen den Maschinenpark des Betriebes sicherungshalber übereignete.
Nach dem Jahre 1969 fanden im Betrieb des Klägers drei Betriebsprüfungen statt. Im Bericht über die im Jahre 1973 durchgeführte Prüfung wurden die Darlehen nur unter dem schenkungsteuerrechtlichen Gesichtspunkt erwähnt. Eine im Jahre 1977 durchgeführte Prüfung betreffend die Jahre 1971 bis 1975 erkannte unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. März 1977 I R 213/74 (BFHE 121, 458, BStBl II 1977, 414) die Aufstockung der Darlehen um je 30000 DM nicht an, ließ aber den Abzug der Schuldzinsen für die ursprünglichen Darlehen als Betriebsausgaben zu. Die im Jahre 1981 durchgeführte Außenprüfung betreffend die Jahre 1976 bis 1979 versagte zunächst den Abzug jeglicher Darlehenszinsen als Betriebsausgaben; dem gegen die hierauf erlassenen Steuerbescheide gerichteten Einspruch gab der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) mit der Begründung statt, unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben seien die ursprünglichen Darlehen anzuerkennen.
Nach einer im Jahre 1985 durchgeführten Außenprüfung erkannte das FA die für das Streitjahr 1980 geltend gemachten Schuldzinsen auf die Darlehen der Kinder nicht als Betriebsausgaben an. Unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 19. September 1974 IV R 95/73 (BFHE 113, 558, BStBl II 1975, 141) und vom 10. April 1984 VIII R 134/81 (BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705) war es der Auffassung, das im Juni 1969 gegebene Schenkungsversprechen sei nicht, wie durch § 518 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorgeschrieben, gerichtlich oder notariell beurkundet worden und der Mangel der Form sei nicht nach § 518 Abs. 2 BGB geheilt. Die in einer einzigen Urkunde enthaltenen Schenkungs- und Darlehensverträge enthielten lediglich Schenkungsversprechen, ohne daß die versprochene Leistung bewirkt worden sei. Die auf das Darlehen der Ehefrau gezahlten Schuldzinsen ließ das FA unbeanstandet.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Aufgrund der bisherigen Sachbehandlung sei das FA nach Treu und Glauben verpflichtet, einen Abzug der geltend gemachten Schuldzinsen zuzulassen. Gerade aus der unterschiedlichen Behandlung der Darlehen sowie aus der Nichtbeanstandung des von der Ehefrau gewährten Darlehens hätte den Klägern die Gewißheit erwachsen müssen, daß die ursprünglichen Darlehen nicht mehr beanstandet würden. Der Abschluß des Zusatzvertrages im unmittelbaren zeitlichen Anschluß an die zweite Außenprüfung belege, daß im Hinblick auf das Ergebnis der vorausgegangenen Prüfung die Darlehen fortgeführt worden seien; insoweit hätten die Kläger Vermögensdispositionen getroffen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet.
1. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem FA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das FA hat glaubhaft gemacht, daß die Poststelle der Oberfinanzdirektion (OFD) die Revisionsbegründungsschrift am 6. November 1990 durch Aufgabe zur Post versandt hat. Bei normalem Postlauf wäre das Schriftstück fristwahrend - bis zum Ablauf des 12. November 1990 - beim BFH eingegangen. Entgegen der Auffassung der Kläger ist es ohne Bedeutung, daß die Verwaltung das Schriftstück erst wenige Tage vor Ablauf der Frist versandt hat.
2. Die Darlehenszinsen können nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden.
a) Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 12. Februar 1992 X R 121/88 (BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468) im Anschluß an das Urteil in BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705 entschieden:
Verpflichtet sich ein Steuerpflichtiger, seinen Kindern Geldbeträge zuzuwenden, die sie dem Vater sogleich wieder als ,,Darlehen" zur Verfügung zu stellen haben, sind die ,,Zinsen" bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht abziehbare Zuwendungen i.S. des § 12 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Abzug von Schuldzinsen setzt nicht nur voraus, daß die Darlehensmodalitäten einem Fremdvergleich standhalten, sondern weiterhin, daß im Verhältnis von Schenker und Beschenktem eine endgültige Vermögensverschiebung bewirkt worden ist. Der Schenker muß bereits in der Gegenwart Kapital übertragen haben, das ihm der Zuwendungsempfänger wiederum aufgrund eigener Verfügungsmacht zur Nutzung überlassen hat. Nur unter dieser Voraussetzung fällt ein an die Kinder gezahltes Nutzungsentgelt nicht unter das Abzugsverbot des § 12 Nr.2 EStG. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf das Senatsurteil Bezug genommen.
b) Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob die - privatschriftlichen - Darlehensverträge bereits wegen bürgerlich-rechtlicher Formunwirksamkeit (§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB) steuerlich nicht anerkannt werden könnten (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 1989 IV R 126/88, BFH/NV 1990, 692). Auch braucht nicht geprüft zu werden, ob die Zinsen zu den Fälligkeitszeitpunkten ausgezahlt oder aufgrund von im vornhinein getroffenen ernsthaften Vereinbarungen wiederum dem Kläger als Darlehen belassen worden sind. Das Senatsurteil in BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468 betraf einen Sachverhalt, der - abgesehen von der dort gewahrten Form (§ 518 Abs. 1 BGB) - mit dem hier zu beurteilenden vergleichbar ist; die Rechtsgrundsätze jenes Urteils führen auch im Streitfall zur Anwendung des § 12 Nr.2 EStG.
3. Zu Unrecht hat das FG entschieden, daß das FA nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert sei, den Betriebsausgabenabzug zu versagen, da die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und seinen Kindern bereits Gegenstand von Außenprüfungen gewesen seien.
a) Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hatte das FA in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung mußte es zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte (Senatsurteil vom 5. September 1990 X R 100/89, BFH/NV 1991, 217, mit Nachweisen der BFH-Rechtsprechung). Dies ist mit Recht sogar dann angenommen worden, wenn die - fehlerhafte - Auffassung im Prüfungsbericht niedergelegt worden ist (BFH-Urteil vom 16. Juli 1964 V 92/61 S, BFHE 80, 446, BStBl III 1964, 634) oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte (BFH-Urteil vom 22.Juni 1971 VIII 23/65, BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749). Das FA ist an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegte Rechtsauffassung auch dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (Urteil des erkennenden Senats vom 23. Mai 1989 X R 17/85, BFHE 157, 516, BStBl II 1989, 879, m.w.N.).
b) Eine vom vorstehenden Grundsatz abweichende Beurteilung kann erforderlich sein, wenn der Vorsteher oder der zuständige Sachgebietsleiter dem Steuerpflichtigen eine bestimmte rechtliche Behandlung zugesagt hat oder wenn das FA durch sein früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen schützenswerten Vertrauenstatbestand geschaffen hatte (BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520, unter 4. c; Urteil in BFH/NV 1991, 217). Einer solchen Zusage steht die unzutreffende Beurteilung im Prüfungsbericht oder eine aufgrund einer Außenprüfung ergangene Veranlagung nicht gleich (BFH-Urteile vom 26. Oktober 1962 VI 215/61 U, BFHE 76, 239, BStBl III 1963, 86, und vom 25. Mai 1977 I R 93/75, BFHE 122, 296, BStBl II 1977, 660).
Im Streitfall hat das FA keine Zusage erteilt. Ein schützenswerter Vertrauenstatbestand, der das FA außerhalb einer Zusage binden würde (vgl. Urteil in BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520, unter 4. c), ist weder von den Klägern dargelegt worden noch anderweitig ersichtlich.
4. Da das angefochtene Urteil von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war es aufzuheben. Die spruchreife Klage ist abzuweisen.
Fundstellen