Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei Prüfung der Frage, ob eine Wertfortschreibung von Amts wegen auf den 21. Juni 1948 vorzunehmen ist, muß die Auswirkung der Fortschreibung auf den Lastenausgleich in Betracht gezogen werden.
Normenkette
FortschrG § 7; AO § 225a/2; BewG § 22/1
Tatbestand
Streitig ist die Wertfortschreibung des Einheitswertes für das Einfamilienhaus des Beschwerdeführers (Bf.) in X auf den 21. Juni 1948. Der Einheitswert des Grundstücks am 1. Januar 1935 beträgt 21.600 RM. Im Jahre 1938 verkaufte der Bf. von der zu dem Grundstück gehörenden Fläche eine Parzelle von 493 qm. Wertfortschreibung wegen der Bestandsveränderung wurde nicht vorgenommen. Während des Krieges wurde das Dach des Einfamilienhauses beschädigt. Im Oktober 1949 gab der Bf. den Kriegssachschaden in der Vermögensanzeige und Selbstberechnung zur Soforthilfeabgabe bei seinem Wohnsitz-Finanzamt Y an, das im August 1950 bei dem Finanzamt X wegen des angegebenen Kriegsschadens Rückfrage hielt. Im Juli 1950 beantragte der Bf. bei dem Finanzamt X wegen des Kriegssachschadens und des Verkaufs der Parzelle Wertfortschreibung des Einheitswertes gemäß dem Fortschreibungsgesetz vom 10. März 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl. - S. 25) für den 21. Juni 1948. Die Vorbehörden haben den Antrag als verspätet abgelehnt. Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß der Antrag, selbst wenn er bereits als im Oktober 1949 gestellt gelten könnte, gemäß § 7 des Fortschreibungsgesetzes verspätet gewesen sei. Gründe zur Nachsichtgewährung lägen nicht vor. Zu einer Wertfortschreibung von Amts wegen, die nur bei erheblichen Wertunterschieden in Frage käme, sei kein Grund vorhanden. Gegen die Ablehnung einer Anregung zur Vornahme einer Wertfortschreibung von Amts wegen sei nur das Beschwerdeverfahren an die Oberfinanzdirektion gegeben.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) sieht den Antrag auf Wertfortschreibung als rechtzeitig an. Nach dem Ergänzungserlaß des Landes Schleswig-Holstein vom 28. September 1949 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - S. 367) sei über Anträge auf Wertfortschreibung, die bis zum 31. Dezember 1949 eingegangen seien, sachlich zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Der Antrag auf Wertfortschreibung für den 21. Juni 1948 war gemäß § 7 des Fortschreibungsgesetzes bis zum 31. Mai 1949 zu stellen. Die Antragsfrist ist gemäß § 7 a. a. O. in Verb. mit § 225 a Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) als Ausschlußfrist anzusehen. Dem in der Rb. erwähnten Ergänzungserlaß kommt die Bedeutung zu, daß an sich verspätete, jedoch bis zum 31. Dezember 1949 eingegangene Anträge auf Wertfortschreibungen entweder unter Gewährung von Nachsicht als rechtzeitige Anträge oder als Anregungen zu einer Wertfortschreibung von Amts wegen behandelt werden sollten. Wäre die Angabe des Kriegssachschadens in der Vermögensanzeige für die Soforthilfeabgabe im Oktober 1949 als Antragstellung gemäß § 7 des Fortschreibungsgesetzes oder wenigstens als Anregung zu einer Wertfortschreibung von Amts wegen anzusehen, so würde die in dem erwähnten Ergänzungserlaß vorgesehene Voraussetzung für die Berücksichtigung des Begehrens des Bf. gegeben sein. Die Frage, ob in der Erwähnung des Kriegsschadens in der Vermögensanzeige für die Soforthilfeabgabe ein Antrag im Sinne des § 7 des Fortschreibungsgesetzes zu erblicken ist, kann indessen unentschieden bleiben. Denn selbst wenn der Antrag auf Wertfortschreibung erstmalig im Juli 1950 gestellt wurde und Nachsicht wegen Versäumnis der Antragfrist nicht in Betracht kam, war er doch gemäß § 225 a Abs. 2 AO unter dem Gesichtspunkt der Wertfortschreibung von Amts wegen zu betrachten und eine Fortschreibung von Amts wegen "erforderlichenfalls" vorzunehmen. "Erforderlichenfalls" bedeutet, daß die steuerliche Gerechtigkeit die Fortschreibung verlangt. Dieser Fall ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige einen ausreichenden Grund für die begehrte Fortschreibung auf den angegebenen Stichtag hat und nicht grundlos mit seiner Antragstellung jahrelang gewartet hat. Das Finanzamt will die Wertfortschreibung von Amts wegen nur auf krasse Ausnahmefälle beschränkt wissen. Dies ist zu eng. Das Finanzgericht fordert das Vorliegen eines erheblichen Wertunterschieds. Es ist zutreffend, daß nicht jede geringfügige Abweichung die Fortschreibung von Amts wegen in Gang setzt. Bei Prüfung der Frage, ob ein erhebliches, die Einleitung des Verfahrens von Amts wegen rechtfertigendes Interesse des Steuerpflichtigen auf dem Spiele steht - vorausgesetzt, daß der Steuerpflichtige nicht grundlos jahrelang mit seiner Antragstellung gewartet hat -, ist für Wertfortschreibungen auf den 21. Juni 1948 auch die Auswirkung auf den Lastenausgleich (besonders §§ 21, 29, 31, 39, 47, 77 Abs. 1 des Lastenausgleichgesetzes) zu berücksichtigen. Das angefochtene Urteil läßt nicht erkennen, daß dies geschehen ist. Das Finanzgericht ist ferner zu Unrecht der Ansicht, daß gegen die Ablehnung einer Wertfortschreibung von Amts wegen nur das Beschwerdeverfahren an die Oberfinanzdirektion gegeben sei, und daß daher eine Entscheidung in der Sache selbst nicht habe ergehen können. Der Senat hat in dem Urteil III 266/51 S vom 31. Oktober 1952 (Bundessteuerblatt III S. 313) ausgesprochen, daß die Ablehnung einer Wertfortschreibung von Amts wegen der Ablehnung eines Antrags auf Wertfortschreibung gleichkomme und nach § 235 Ziff. 1 AO im ordentlichen Rechtsmittelverfahren angreifbar sei. Die angefochtene Entscheidung und die ihr zugrunde liegende Einspruchsentscheidung waren hiernach aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das gemäß den vorstehenden Ausführungen nochmals die Frage der Wertfortschreibung von Amts wegen zu prüfen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 407579 |
BStBl III 1953, 65 |
BFHE 1954, 164 |
BFHE 57, 164 |