Leitsatz (amtlich)
Ansprüche auf Umsatzsteuervergütung werden mit der Bekanntgabe des Vergütungsbescheids fällig. Erst von diesem Zeitpunkt an kann der Steuerpflichtige mit ihnen gegen Steuerforderungen aufrechnen.
Normenkette
AO § 124; UStG § 16; UStDB § 77
Tatbestand
Streitig ist die Rechtsfrage, ob ein Steuerpflichtiger mit Ansprüchen auf Umsatzsteuervergütung gegen Steuerforderungen des Finanzamts aufrechnen kann, solange der Vergütungsbescheid noch nicht ergangen ist.
Die Vorinstanz hat diese Frage in Übereinstimmung mit der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung verneint und dementsprechend die Berufung der Bfin. gegen die Beschwerdeentscheidung des Bundesministers der Finanzen vom 25. Oktober 1958 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Rb., die vom Finanzgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage nach § 286 AO zugelassen wurde, wird unrichtige Rechtsanwendung gerügt. Unter Bezugnahme auf das Vorbringen im Berufungsverfahren macht die Bfin. geltend, das Finanzgericht habe dem sogenannten Vergütungsbescheid im Hinblick auf die Zulässigkeit der Aufrechnung eine Funktion zugewiesen, die ihm nicht zukomme. Dieser "Bescheid", der eine Anweisung an die Finanzkasse auf Zahlung der beantragten Ausfuhrvergütung darstelle, habe hinsichtlich der Fälligkeit des Vergütungsanspruchs keinerlei Rechtswirkung, und zwar hinsichtlich des Vergütungsbetrages, der vom Finanzamt nicht bestritten werde. Nur soweit der Bescheid einen Vergütungsanspruch ablehne, also bestreite, komme ihm -- als Einrede im Sinne von § 390 BGB -- die rechtliche Wirkung einer Verhinderung der Aufrechnungslage zu. Solange also der Steuerpflichtige, der die Voraussetzungen für die Gewährung der Vergütung erfüllt habe, deren Leistung durch die Finanzverwaltung nach § 387 BGB fordern könne, und die Verwaltung keine Einrede nach § 390 BGB erhebe, indem sie den Vergütungsanspruch ganz oder teilweise ablehne, sei die Aufrechnungslage gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Zutreffend ist das Finanzgericht zunächst davon ausgegangen, daß für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Aufrechnung nach § 124 AO zulässig ist -- Vorliegen der sogenannten Aufrechnungslage --, die Vorschriften des bürgerlichen Rechts unmittelbar anzuwenden sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 102/54 U vom 11. August 1954, BStBl 1954 III S. 291, Slg. Bd. 59 S. 214). Das bedeutet, daß der Steuerpflichtige nur mit -- im Zeitpunkt der Aufrechnung -- fälligen Ansprüchen (hier Vergütungsansprüchen) gegen Steuerforderungen aufrechnen kann (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 18. Aufl., Anm. 6 zu § 387 und die dort aufgeführte Rechtsprechung des Reichsgerichts).
Damit kommt es für die Entscheidung des Streitfalles allein darauf an, wann Umsatzsteuervergütungsansprüche fällig werden. Die Bfin. vertritt die Ansicht, mit der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen und der Stellung des im Gesetz (§ 16 UStG) verlangten Antrages werde der Anspruch auf die Umsatzsteuervergütung fällig, so daß bereits unmittelbar nach der Antragstellung mit den beantragten Vergütungsansprüchen aufgerechnet werden könne. Auf die Feststellung des Vergütungsanspruchs in dem sogenannten Vergütungsbescheid komme es nicht an. Diese Auffassung verkennt die Rechtslage.
Es kann für die Entscheidung des Streitfalles dahingestellt bleiben, ob die im Schrifttum vertretene Ansicht zutrifft, daß der Umsatzsteuervergütungsbescheid, der einem Vergütungsanspruch stattgibt -- und nur ein solcher kann unter dem Gesichtspunkt der Aufrechnung von seiten eines Steuerpflichtigen in Betracht kommen --, eine sogenannte begünstigende Verfügung im Sinne von § 96 AO sei (vgl. Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Aufl., Anm. 6430; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, Anm. 4 zu § 96, und -- wegen der damit im Zusammenhang stehenden Problematik -- Tipke, "Über Bestandskraft", Steuer und Wirtschaft 1960 Sp. 809 ff.) und ob etwa demgemäß, da nach herrschender Ansicht nur sogenannte konstitutive, das heißt rechtsgestaltende Verwaltungsakte unter § 96 AO fallen, der Vergütungsanspruch selbst erst mit dem Vergütungsbescheid zur Entstehung gelangt. Denn auch wenn man dies nicht annimmt, kommt diesem Bescheid nach Ansicht des erkennenden Senats jedenfalls die Bedeutung zu, daß mit ihm zugunsten des Antragstellers vorläufiganerkannt wird, daß dieser die nach § 16 UStG erforderlichen Voraussetzungen der Umsatzsteuervergütung dargetan und daher nunmehr vorbehaltlich des sich aus § 76 Abs. 3 UStDB ergebenden Rückforderungsrechts des Finanzamts einen der Höhe nach begrenzten Anspruch auf Auszahlung dieses Vergütungsbetrages hat. Bis zum Erlaß des Vergütungsbescheids hat der Antragsteller wohl einen Anspruch auf Festsetzung des in seiner Person entstandenen Vergütungsanspruchs, jedoch keinen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung der Vergütung. Das bedeutet aber nichts anderes, als daß der Vergütungsanspruch erst mit dem Wirksamwerden, das heißt der Bekanntgabe des Vergütungsbescheids fällig wird; ebenso im Ergebnis, wenn auch ohne nähere Begründung, Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Aufl., Anm. 6448.
Da der die Aufrechnung Erklärende nur mit einer fälligen Forderung aufrechnen kann, ergibt sich also aus dem Vorstehenden, daß der Steuerpflichtige mit Umsatzsteuervergütungen erst aufrechnen kann, wenn der Vergütungsanspruch durch den Vergütungsbescheid festgesetzt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 410086 |
BStBl III 1961, 296 |
BFHE 1962, 78 |