Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung von Umsätzen in einem Bordellbetrieb
Leitsatz (NV)
1. Die (gesamten) Umsätze in einem Saunaclub sind demjenigen zuzurechnen, der nach außen als Erbringer sämtlicher in einem derartigen Club erwarteten Dienstleistungen auftritt. Für die umsatzsteuerrechtliche Zurechnung ist daher unerheblich, ob die Prostituierten innerhalb des Betriebes als Arbeitnehmer oder Subunternehmer tätig geworden sind.
2. Eine schlüssige Darlegung eines Verfahrensfehlers wegen Nichtvernehmung von Zeugen liegt nur dann vor, wenn der Kläger darlegt, dass das FG seinem Urteil die behauptete Tatsache nicht zugrunde gelegt hat und die Tatsache nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des FG entscheidungserheblich war.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 3, § 81
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 12.10.2006; Aktenzeichen 14 K 5153/03) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG), mit dem es hinsichtlich der Streitjahre 1997 bis 2000 dem Kläger, der einen Saunaclub betrieb, auch die Entgelte aus der Tätigkeit der Dirnen zugerechnet hat. Hierzu gelangte das FG aufgrund folgender Feststellungen:
Der Kläger betrieb in den Streitjahren einen Saunaclub, in dem 15 bis 20 Damen tätig waren. In Zeitungsinseraten warb er mit dem Hinweis der "Annahme aller Kreditkarten" und führte auf der Homepage eine Rubrik mit der Bezeichnung "Unsere Girls". Der Kunde entrichtete bei Betreten des Clubs einen Eintritt von 100 DM, in dem die Getränke (außer Champagner) inbegriffen waren.
Nachdem er mit der Dame seiner Wahl den Leistungsumfang ausgehandelt hatte (die Festpreise betrugen pro 1/2 Stunde 400 DM, 1 Stunde 600 DM, Whirlpoolzimmer ab 800 DM), entrichtete der Kunde den Gesamtbetrag teilweise bei der jeweiligen Dame in bar. Bei Kreditkartenzahlung wurde der Betrag nach den vom FG ausgewerteten Vernehmungsprotokollen der Kunden entweder dem Geschäftskonto des Klägers gutgeschrieben oder es musste der Kunde einen sog. "Wechselbeleg" unterzeichnen, nachdem der Kunde bestätigte, den Kreditbetrag in bar erhalten zu haben. Das "gewechselte" Bargeld wurde dann der Prostituierten übergeben. Diese mussten für ihre Anwesenheit im Club ein Grundentgelt von 200 DM täglich (bzw. 1 000 DM wöchentlich) sowie für jede Zimmernutzung eine weitere Zahlung (bei halbstündiger Nutzung z.B. 100 DM) entrichten. Der Club vereinnahmte zusätzlich die Erlöse aus dem Champagnerverkauf sowie bis zum Jahre 1999 eine Kreditkartenzahlungsprovision. Die Damen waren grundsätzlich ausschließlich in den Räumen des Clubs tätig. In einem Fall musste eine Dame, die mit dem Kunden einen Abend außerhalb des Clubs verbringen wollte, eine "Auslöse" von 1 500 DM an den Kläger zahlen.
Der Kläger erklärte in seinen Umsatzsteuererklärungen lediglich die Entgelte, die sich aus der täglichen Eintrittsgebühr von Freiern und Prostituierten, der einzelnen Nutzung eines Zimmers durch die Prostituierte mit einem Freier sowie den Getränkeerlösen ergaben. Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung erhöhte das FA die Umsätze zusätzlich um die geschätzten Dirnenentgelte.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner vor dem FG erhobenen Klage. Kurz vor der mündlichen Verhandlung reichte der Kläger einen Schriftsatz ein, in dem er beantragte, u.a. zu 27 verschiedenen "Sachverhaltskomponenten" 12 Damen und 3 Freier als Zeugen zu vernehmen. Nachdem das FG zur mündlichen Verhandlung keine Zeugen geladen hatte, wiederholte der Kläger die Beweisanträge unter Verweis auf seinen Schriftsatz.
Das FG gab der Klage teilweise hinsichtlich der Höhe der Umsätze statt, rechnete jedoch dem Kläger auch die Dirnenentgelte als eigene Leistung zu. Die Vernehmung der vom Kläger genannten Zeugen sei nicht geboten, weil es zum einen im Wesentlichen vom dem vom Kläger unter Beweis gestellten Sachverhalt ausgegangen sei und zudem die Beweiserheblichkeit fehle.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der auf Verfahrensfehler gestützten Nichtzulassungsbeschwerde. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das FG habe den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verletzt, weil es den entscheidungserheblichen Sachverhalt aus den Akten und den darin befindlichen Vernehmungsprotokollen entnommen habe, anstatt die angebotenen Zeugen zu hören. Weiterhin habe das FG verfahrensfehlerhaft gegen Denkgesetze verstoßen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensfehler ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (§ 81 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie der Nichterhebung eines angebotenen Zeugenbeweises gerügt, so genügt es nicht, wenn der Beschwerdeführer lediglich darlegt, dass das FG einem angebotenen Zeugenbeweis nicht nachgekommen ist. Vielmehr gehört zur ordnungsgemäßen "Darlegung" eines Verfahrensfehlers i.S. des § 116 Abs. 3 FGO auch der Vortrag, dass nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG die Tatsache, hinsichtlich der das FG keinen Zeugenbeweis erhoben hat, entscheidungserheblich ist und das FG bei seinem Urteil von einem anderen --den Beweisanträgen nicht entsprechenden-- Sachverhalt ausgegangen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621; BFH-Beschluss vom 15. Februar 2000 X B 122/99, BFH/NV 2000, 1082). Denn ein Urteil kann nicht auf der fehlerhaften Gewinnung der tatsächlichen Grundlagen einer Entscheidung beruhen, wenn es auf die nach Auffassung des Beschwerdeführers fehlerhaft gewonnene Feststellung nach der Rechtsauffassung des FG rechtlich nicht ankommt oder das FG dem Vortrag des Klägers gefolgt ist (Gräber/Koch, FGO, § 81 Rz 3). Dies gilt auch für eine Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme nach § 81 FGO. Aus der vom Kläger zitierten Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 6. Mai 1999 VII R 59/98, BFH/NV 2000, 49) ergibt sich nichts anderes.
2. Die Beschwerdeschrift entspricht diesen Anforderungen nicht. Sie lässt nicht erkennen, dass das FG einen nach seiner, des FG, Ansicht entscheidungserheblichen Zeugenbeweis nicht erhoben hat.
a) Das FG ist entsprechend der Rechtsprechung des BFH davon ausgegangen, dass Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes grundsätzlich derjenige ist, der als Unternehmer nach außen auftritt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Februar 2001 V B 191/00, BFH/NV 2001, 1152; vom 9. Oktober 2003 V B 12/02, BFH/NV 2004, 97; zu Bordellumsätzen vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 1991 V R 11/91, BFH/NV 1991, 844, und die Senatsbeschlüsse vom 31. März 2006 V B 181/05, BFH/NV 2006, 2138; vom 20. Oktober 2003 V B 21/03, BFH/NV 2004, 380; vom 27. Januar 1997 V B 83/96, BFH/NV 1997, 766, und vom 30. Juni 1994 V B 15/94, BFH/NV 1995, 457).
Demgemäß hat das FG maßgeblich darauf abgestellt, dass der Kläger in seiner Werbung als Inhaber eines Bordellbetriebs als Erbringer sämtlicher vom Kunden in einem Saunaclub erwarteten Dienstleistungen einschließlich der Verschaffung von Geschlechtsverkehr aufgetreten ist ("Unsere Girls"). Nach außen sei nicht die einzelne Dame, sondern der Kläger als Erbringer eines vollständigen Leistungspaketes --nicht nur als Zimmervermieter und Gastwirt-- aufgetreten, der den Gästen im Rahmen seines Unternehmens mit Hilfe der dort tätigen Prostituierten die Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr verschafft habe, zumal die Partnerinnen hierfür "im Regelfalle austauschbar" erschienen. Weiterhin hat das FG ausgeführt, dass es für das maßgebliche Auftreten nach außen weder darauf ankomme, ob die dort tätigen Damen lohnsteuerrechtlich als Arbeitnehmer oder als selbständig tätige Subunternehmer einzuordnen seien noch auf die Art und Weise der Zahlung. Deshalb sei auch unerheblich, dass die Damen "Eintritt" an den Kläger zahlen mussten. Auch aus einer Entrichtung des Gesamtlohnes an die einzelne Prostituierte folge nicht, dass im Widerspruch zu dem Auftreten nach außen die einzelne Dame insoweit als selbständige Leistungserbringerin anzusehen sei.
Weiteres Indiz für eine einheitliche Leistung des Klägers sei, dass den Kunden die Zusammensetzung des Entgelts (Tagesentgelt, Zimmermiete, Dirnenlohn, Getränkeanteil) nicht bekannt gewesen sei. Unerheblich sei auch, dass die Damen einen eigenen Clubeintritt zahlen mussten, denn für die Zurechnung der Umsätze komme es lediglich auf das Außenverhältnis an.
b) Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt ausgehend hat das FG von einer Erhebung der beantragten Einvernahme von 15 Zeugen zu 27 "Sachverhaltskomponenten" abgesehen, weil es die im Beweisantrag des Klägers unter Beweis gestellten Sachverhalte im Wesentlichen berücksichtigt habe und eine weitere Beweiserhebung nicht entscheidungserheblich sei. Der Beschwerdeschrift lässt sich nicht entnehmen, zu welchem nach der Rechtsansicht des FG maßgeblichem Beweisthema das FG keinen Beweis erhoben hat. Die Mitwirkungspflicht fordert von den Beteiligten, Beweisanträge nur zu bestimmten, substantiierten Tatsachenbehauptungen zu stellen. Beweisanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken soll, brauchen regelmäßig dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahe zu legen (BFH-Beschluss vom 6. September 2005 IV B 14/04, BFH/NV 2005, 2166). Soweit der Kläger beantragt hat, Zeugen dazu zu vernehmen, ob die Prostituierten "im eigenen Namen und für eigene Rechnung" aufgetreten sind, liegt kein ordnungsgemäßer Beweisantrag vor, da es sich hierbei nicht um Tatsachen, sondern um eine rechtliche Bewertung tatsächlicher Vorgänge handelt. Insbesondere kam es nach der maßgeblichen Sicht des FG weder auf die Zahlungsmodalitäten der Freier, noch auf die Darstellung der Leistungsbeziehungen "aus der Sicht der Prostituierten" oder auf ihr "Selbstverständnis" an.
c) Soweit der Kläger einen Verstoß gegen die Denkgesetze rügt, stellt dies einen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils, jedoch keinen Verfahrensfehler dar (BFH-Beschluss vom 5. Januar 2007 II B 31/06, BFH/NV 2007, 972).
Fundstellen
Haufe-Index 1957444 |
BFH/NV 2008, 827 |