Entscheidungsstichwort (Thema)
Unrichtigkeiten im Tatbestand; Sachaufklärung; materiell-rechtliche Mängel; fehlerhafte Rechtsanwendung; Divergenz; Begründungsfristablauf
Leitsatz (NV)
1. Eine etwaige falsche Darstellung sowie Unrichtigkeiten im Tatbestand des FG-Urteils muss der Kläger nicht im Rechtsmittelverfahren beim BFH, sondern mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beim FG geltend machen.
2. Die Darlegung einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht als Verfahrensmangel erfordert Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten (z.B. zum Übergehen von Beweisanträgen bzw. zur unterlassenen Amtsermittlung).
3. Die Rüge einer fehlerhaften Sachverhaltswürdigung und tatrichterlichen Überzeugungsbildung des FG und damit materiell-rechtliche Mängel können eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.
4. Werden im Kern eine unzutreffende Umsetzung der BFH-Rechtsprechung und fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG und damit die inhaltliche Unrichtigkeit des Urteils, also materiell-rechtliche Fehler, gerügt, kann damit die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.
5. Die in den nach Ablauf der Begründungsfrist und damit verspätet eingereichten Schriftsätzen enthaltenen Ausführungen sind, soweit sie nicht nur erläuternder, ergänzender oder vervollständigender Natur sind, unbeachtlich.
Normenkette
AO §§ 129, 172; EStG § 10d; FGO § 76 Abs. 1, §§ 94, 108, 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 24.05.2007; Aktenzeichen 2 K 3030/05 E,F) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen liegen die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.
1. Eine etwaige falsche Darstellung sowie Unrichtigkeiten im Tatbestand des Urteils des Finanzgerichts (FG) hätte der Kläger nicht hier im Rechtsmittelverfahren beim Bundesfinanzhof (BFH), sondern mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beim FG geltend machen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Oktober 2005 IX B 164/05, BFH/NV 2006, 340, m.w.N.).
2. a) Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) hinsichtlich des Vorhandenseins "unerledigter Einsprüche" die Streitjahre betreffend und eines sich darauf beziehenden Antrags an das FG hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. So fehlen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten (zum Übergehen von Beweisanträgen: BFH-Beschlüsse vom 27. Oktober 1998 X B 115/97, BFH/NV 1999, 630; vom 15. September 2006 IX B 209/05, BFH/NV 2007, 80, m.w.N.; zur unterlassenen Amtsermittlung: BFH-Beschlüsse vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43; vom 6. September 2006 VIII B 187/05, BFH/NV 2007, 74); insbesondere ist der (vermeintlich) beim FG gestellte diesbezügliche Antrag nicht näher mit Fundstelle in einem Schriftsatz bezeichnet; ausweislich des Sitzungsprotokolls (zu dessen Beweiskraft s. § 94 FGO i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung) wurde ein solcher Antrag nicht gestellt.
b) Die Rüge der mangelnden Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO; zu den Darlegungsanforderungen s. unter 2.a) hinsichtlich der Reichweite der tatsächlichen Verständigung, die im Rahmen eines vorausgehenden anderen finanzgerichtlichen Verfahrens in dessen mündlicher Verhandlung vom August 2001 (mit vorausgegangenem Erörterungstermin) getroffen wurde, und deren Wirksamkeit insoweit, greift nicht durch. Denn zum einen sind die dazu (vermeintlich) "vorgelegten Beweismittel" nicht bezeichnet, Beweisanträge wurden in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt; zum anderen rügt der Kläger ("keine Gesamtbereinigung" durch die tatsächliche Verständigung) eine fehlerhafte Sachverhaltswürdigung und tatrichterliche Überzeugungsbildung des FG und damit materiell-rechtliche Mängel, die eine Zulassung der Revision jedoch nicht rechtfertigen. Zudem wurde in der mündlichen Verhandlung die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten "ausführlich erörtert"; insoweit bestand für den Kläger hinreichend Gelegenheit, seine Interpretation der getroffenen Verständigung bzw. der Reichweite der Verständigung darzulegen. Darüber hinaus erschließt sich nicht, wieso der pauschale Verweis auf die BFH-Urteile vom 5. Oktober 1990 III R 19/88 (BFHE 162, 211, BStBl II 1991, 45) und vom 31. Juli 1996 XI R 78/95 (BFHE 181, 103, BStBl II 1996, 625, jeweils zur Zulässigkeit tatsächlicher Verständigungen) dem entgegenstehen könnte.
3. a) Eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) ist nicht erforderlich; die (konkludent) gerügte Divergenz zum BFH-Urteil vom 19. Mai 1999 XI R 97/94 (BFHE 189, 63, BStBl II 1999, 762) liegt nicht vor. Das FG ist vielmehr mit der BFH-Rechtsprechung davon ausgegangen, dass Ehegatten grundsätzlich ihr Veranlagungswahlrecht bis zur Unanfechtbarkeit eines nach §§ 172 ff. der Abgabenordnung (AO) oder nach § 10d des Einkommensteuergesetzes geänderten Einkommensteuerbescheids erneut ausüben können. Dabei ist es von der Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide der Streitjahre (1991 bis 1994) ausgegangen, die durch die später eingelegten Einsprüche "mangels (neuen) Regelungsgehalts" nicht mehr tangiert worden seien. Danach lag für das FG ein relevanter Änderungsrahmen anders als im Fall des (vermeintlichen) Divergenz-Urteils in BFHE 189, 63, BStBl II 1999, 762, nicht vor.
b) Auch ist eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO; zu den Darlegungsanforderungen vgl. BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2005 IX B 98/05, BFH/NV 2006, 768; vom 14. September 2007 VIII B 15/07, BFH/NV 2008, 61) hinsichtlich einer (konkludent vorgebrachten) Divergenz zum BFH-Urteil vom 2. August 2006 XI R 65/05 (BFHE 214, 492, BStBl II 2007, 921) mangels gleich oder ähnlich gelagertem Sachverhalt nicht erforderlich. Denn anders als in dem in BFHE 214, 492, BStBl II 2007, 921 entschiedenen Fall, in dem es um eine noch mögliche Verlustfeststellung trotz verjährter Einkommensteuerfestsetzung ging, hat das FG im Streitfall die Berücksichtigung von (zurückliegenden) Verlusten wegen der Bestandskraft und Unanfechtbarkeit der Verlustfeststellung auf den 31. Dezember 1990 abgelehnt. Zudem hat es keine Anhaltspunkte für eine Änderung dieser Verlustfeststellung nach §§ 172 ff. AO oder § 129 AO gesehen.
4. a) Der Kläger rügt im Kern --zum Teil nach Art einer Revisionsbegründung und im Wesentlichen auf der Basis einer anderen Tatsachengrundlage-- die unzutreffende Umsetzung der BFH-Rechtsprechung und fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG und damit die inhaltliche Unrichtigkeit des Urteils, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. BFH-Beschluss vom 30. August 2007 IX B 104/07, BFH/NV 2007, 2144).
b) Die darüber hinaus in den nach Ablauf der Begründungsfrist und damit verspätet eingereichten Schriftsätzen vom 25. September 2007 (Eingang des vom Fax abweichenden Originals beim BFH am 12. November 2007), vom 20. Januar 2008 und vom 26. Mai 2008 enthaltenen Ausführungen sind, soweit sie nicht nur erläuternder, ergänzender oder vervollständigender Natur sind, unbeachtlich (vgl. BFH-Beschluss vom 25. September 2006 VI B 69/05, BFH/NV 2007, 83, unter 3., m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2017670 |
BFH/NV 2008, 1512 |