Rz. 6

Art. 110 AEUV verbietet die diskriminierende Belastung von Waren aus anderen Mitgliedstaaten mit Abgaben. Nach Art. 110 Abs. 1 AEUV dürfen die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art erheben, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar belastet sind. Nach Art. 110 Abs. 2 AEUV dürfen die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine inländischen Abgaben erheben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen. Der EuGH hat diese Vorschrift mehrfach – auch aus umsatzsteuerlicher Sicht – ausgelegt.

 

Rz. 7

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH[1] stellt eine beim Grenzübertritt einer Ware erhobene einseitige Abgabe, unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Erhebungsform, eine Abgabe zollgleicher Wirkung i. S. d. Art. 28ff. AEUV dar, sofern sie nicht Teil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung ist, die systematisch sämtliche inländischen und eingeführten Waren nach gleichen Kriterien auf der gleichen Handelsstufe erfasst. In diesem Fall fällt die Abgabe in den Anwendungsbereich des Art. 110 AEUV. Die USt erfüllt nicht den Tatbestand einer Abgabe mit gleicher Wirkung wie Zölle. Sie ist Bestandteil des gemeinsamen MwSt-Systems, durch das ein einheitlicher Steuermechanismus geschaffen wurde, der systematisch nach objektiven Kriterien sowohl Umsätze innerhalb der Mitgliedstaaten als auch Einfuhrumsätze erfasst. Die im Inland erhobene USt und die EUSt sind daher integraler Bestandteil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung i. S. d. Art. 110 AEUV. Die Vereinbarkeit der inländischen MwSt und der EUSt mit dem Unionsrecht ist deshalb im Rahmen des Art. 110 AEUV und nicht in dem der Art. 28ff. AEUV zu beurteilen.[2]

 

Rz. 8

Richtungsweisend war in diesem Zusammenhang auch das Urteil des EuGH v. 5.5.1982.[3] Danach ist die Erhebung von EUSt im Einfuhrland zwar auch dann zulässig, wenn der Einführende den Gegenstand von einer Privatperson in einem anderen EG-Mitgliedstaat erworben hat. Im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot in Art. 110 AEUV muss jedoch auf die im Einfuhrland anfallende EUSt der Restbetrag der im Ausfuhrmitgliedstaat erhobenen USt (Restmehrwertsteuer) angerechnet werden, der im Wert des Gegenstands im Zeitpunkt der Einfuhr noch enthalten ist, sofern für die Lieferung eines gleichartigen Gegenstands durch eine Privatperson innerhalb des Einfuhrmitgliedstaats eine USt nicht erhoben wird.

[1] Vgl. z. B. EuGH v. 12.1.1983, Rs. 39/82, Donner.
[2] EuGH v. 3.10.1985, Rs. 249/84, Profant.
[3] EuGH v. 5.5.1982, Rs. 15/81, Schul Douane Expediteur, NJW 1983, 1252, sog. Schul-I-Urteil.

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