Leitsatz (amtlich)

Zur internationalen Zuständigkeit bei einem Anspruch auf Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff. InsO.

 

Normenkette

EuGVVO Art. 1-2, 5; InsO § 129

 

Verfahrensgang

LG Marburg (Urteil vom 02.08.2005; Aktenzeichen 2 O 209/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.05.2009; Aktenzeichen IX ZR 39/06)

BGH (Beschluss vom 21.06.2007; Aktenzeichen IX ZR 39/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 2.8.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Marburg - 2 O 209/04 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtstreits im Berufungsrechtszug zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteiles vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. GmbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) die beklagte Gesellschaft belgischen Rechts aufgrund Insolvenzanfechtung in Anspruch.

Die Gemeinschuldnerin mit Sitz in O1, eingetragen im Handelsregister des AG Frankenberg unter HRB ..., betrieb in ca. 200 Großflächenmärkten in ganz Deutschland den Handel mit Heimwerkerbedarf, insb. Wandbekleidungen und Bodenbelägen. Im Jahr 2001 kam es zu erheblichen Geschäftsverlusten und Umsatzeinbrüchen. Die finanzielle Lage des Unternehmens war derart angespannt, dass die Gesellschaft nicht mehr in der Lage war, die laufenden Kosten aus den erwirtschafteten Umsätzen zu erbringen. Ende 2001 bis März 2002 wurden der Gemeinschuldnerin die dafür erforderlichen Mittel durch eine Ihrer Hauptgesellschafterinnen, die B mit Sitz in O2, Belgien, zur Verfügung gestellt. Am 11.3.2002 teilte die B. mit, keine weitere finanzielle Unterstützung zu gewähren. Auch die weitere Hauptgesellschafterin, die C. KgaA, lehnte die Bereitstellung von finanziellen Mitteln mit Schreiben vom 11.3.2002 ab. Der von der Geschäftsleitung der Gemeinschuldnerin vorgelegte Sanierungsplan wurde als zu kostenintensiv und risikobehaftet zurückgewiesen.

Am 14.3.2002 tätigte die Gemeinschuldnerin auf elektronischem Wege eine Sammelüberweisung von ihrem Konto ... der Sparkasse O3 von vier Teilbeträgen zu insgesamt 210.000 EUR. Eine Überweisung i.H.v. 50.000 EUR erfolgte auf das Konto der Beklagten mit der Konto Nummer ... bei der D. Bank mit Sitz in O4. Am 15.3.2002 stellte die Gemeinschuldnerin bei dem Insolvenzgericht Marburg Insolvenzantrag, mit der Begründung sie könne ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen. Mit Beschl. v. gleichen Tage wurde gem. §§ 21, 22 InsO durch das Insolvenzgericht - AG Marburg - zur Sicherung der Masse die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Gemeinschuldnerin angeordnet und der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschl. v. 1.6.2002 ordnete das AG Marburg - Insolvenzgericht - die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin an.

Der Kläger forderte die Beklagte unter Anfechtung der Zahlung vom 14.3.2003 zur Rückzahlung der überwiesenen 50.000 EUR bis 19.5.2004 auf. Dem kam die Beklagte nicht nach.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das LG Marburg sei international und national örtlich zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Die Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EUGVÜ) v. 9.10.1978 wie auch das Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v. 16.9.1988 (BGBl. II 1994, 2658) seien nicht mehr anwendbar. Vielmehr seien die - wortgleichen - Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12 v. 16.1.2001 S. 1 ff.) (im Folgenden: EuGVVO) maßgebend. Die Bestimmungen der EuGVVO seien jedoch bei insolvenzrechtlichen Anfechtungsklagen gem. Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVVO nicht anwendbar. Auch aus Art. 3 Abs. 1 EuInsVO (Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG Nr. L 160 vom 29.5.2000 S. 1) folge keine abweichende internationale Zuständigkeit. Die Bestimmungen der EuInsVO seien nach Art. 43 S. 2 EuInsVO auf die am 14.3.2002 - vor In-Kraft-Treten der EuInsVO - unternommenen Rechtshandlungen nicht anzuwenden. Demgemäß bestimme sich mangels anderweitig positiv rechtlicher Ausgestaltung die internationale Zuständigkeit nach dem innerstaatlichen Internationalen Privatrecht. Danach bestehe eine internationale Notzuständigkeit des LG Marburg; denn weder in Deutschland (§§ 13, 17, 32 ZPO) noch in Belgien sei durch das Prozessrecht ein Gerichtsstand begründet. Nach belgischen Prozessrecht erfolge gem. Art. 574 Abs. 2 und 631 der Belgischen Gerichtsordnung eine Rückverweisung de...

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