Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch für die Dauer des Asylverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Sozialleistungsträger i.S.v. § 67 Abs. 2 EStG ist befugt, gegen ablehnende Bescheide der Kindergeldkasse Klage zu erheben.

2) Die Anerkennung als Asylberechtigter gewährt ausländerrechtlich nicht rückwirkend einen qualifizierten Titel gemäß § 62 Abs. 2 EStG.

3) Die Neufassung von § 62 Abs. 2 EStG sowie die zugehörige Anwendungsregelung in § 52 Abs. 61a S. 2 EStG sind verfassungsgemäß.

4) Ein Kindergeldanspruch gemäß Art. 33 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über soziale Sicherheit vom 30.04.1964 (BGBl. II 1965, 1170) in Gestalt des Zusatzabkommens vom 02.11.194 (BGBl. II 1986, 1040) setzt u.a. eine Erwerbstätigkeit des Kindergeldberechtigten und einen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im anderen Vertragsstaat voraus.

5) Ein Kindergeldanspruch gemäß Art. 24 Abs. 1 Buchst. b) der Genfer Konvention (Flüchtlingsabkommen vom 28.07.1951, BGBl. II 1953, 559) besteht nur unter dem Vorbehalt der gesetzlichen Bestimmungen des § 62 Abs. 2 EStG.

6) Art. 29 der Genfer Konvention (Flüchtlingsabkommen vom 28.07.1951, BGBl. II 1953, 559) i.V.m. § 62 Abs. 1 EStG gewährt keinen Kindergeldanspruch.

7) Ein Kindergeldanspruch gemäß Art. 2 des Vorläufigen Europäischen Abkommen über Soziale Sicherheit unter Ausschluß der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen (BGBl. II 1956, 507) i.V.m. Art. 2 des Zusatzprotokolls (BGBl. II 1956, 528) besteht nur bei einem inländischen Wohnsitz i.S.v. § 8 AO, der in einem Übergangsheim für Asylbewerber nicht begründet werden kann.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 2 Nrn. 2c, 3, § 67 Abs. 2; Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über soziale Sicherheit vom 30.04.1964 (BGBl. II 1965, 1170) in Gestalt des Zusatzabkommens vom 02.11.194 (BGBl. II 1986, 1040) Art. 33; Genfer Konvention (Flüchtlingsabkommen vom 28.07.1951) Art. 24 Abs. 1 Buchst. b); Genfer Konvention (Flüchtlingsabkommen vom 28.07.1951 Art. 29; Vorläufiges Europäisches Abkommen über Soziale Sicherheit unter Ausschluß der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen (BGBl. II 1956, 507) i.V.m. Art. 2 des Zusatzprotokolls (BGBl. II 1956, 528) Art. 2; AO § 8; EStG § 52 Abs. 61a S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist der Kindergeldanspruch für einen rechtskräftig als Aslyberechtigter anerkannten Kindergeldberechtigten für die Dauer des Asylverfahrens.

Die Klägerin (Klin.) ist eine Gebietskörperschaft. Sie leistete Hilfe für den Lebensunterhalt an den Beigeladenen (Beigel.), seine Ehefrau und seine Kinder. Der Beigel., der die … Staatsangehörigkeit hat, war im November 2001 mit seiner Ehefrau in die Bundesrepublik eingereist und hatte Asyl beantragt. Während der Dauer des Asylverfahrens waren er, seine Ehefrau und seine am 00.00.0000 und 00.00.0000 geborenen Kinder NC und KC im staatlichen Übergangsheim für Asylbewerber, B-Straße 26, T untergebracht. Die Familie nutzte dort ein 30 qm großes Zimmer. Diele, Küche und Bad waren Gemeinschaftsflächen und wurden von anderen Asylantragstellern mitbenutzt. Während der Dauer des Asylverfahrens hatte der Beigel. eine Aufenthaltsgestattung nach dem AsylVfG a. F. und ist keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts N, das seit dem 12.03.2002 rechtskräftig ist, wurde der Beigel. als Asylberechtiger anerkannt.

Am 06.05.2003 beantragte der Beigel. Kindergeld für seine beiden Kinder. Unter dem 07.05.2003 beantragte die Klin. Erstattung des Kindergelds bei der Beklagten (Bekl.), da sie bei der Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt an den Beigel. das Kindergeld nicht angerechnet hatte. Mit Bescheid vom 28.05.2003 wurde dem Beigel. Kindergeld ab April 2003 bewilligt und ab Juli 2003 ausgezahlt. Die Klin. erhielt eine Durchschrift des Bescheids. Am 10.06.2003 legte die Klin. gegen den Bescheid vom 28.05.2003 Einspruch ein, mit dem Begehren, Kindergeld ab Einreise bzw. Geburt der Kinder zu bewilligen und an die Klin. auszuzahlen. Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 17.07.2003 wurde dem Einspruch insoweit stattgegeben, als Kindergeld ab März 2003 bewilligt und an die Klin. gezahlt wurde. Im Übrigen wurde der Einspruch zurückgewiesen. Gegenüber dem Beigel. wurde mit Bescheid vom 21.07.2003 die Kindergeld-Festsetzung entsprechend geändert. Im August 2003 zog der Beigel. mit seiner Familie aus dem Übergangsheim für Asylbewerber aus und lebt seit dem in D.

Die Klin. begehrt mit ihrer Klage die Bewilligung des Kindergelds für den Beigel. für den Zeitraum Mai 2002 bis Februar 2003. Sie meint, der Kindergeldanspruch des Beigel. habe auch für die Dauer des Asylverfahrens bestanden.

Die Klin. beantragt,

unter Änderung des Bescheids der Bekl. vom 28.05.2003 in Gestalt der EE vom 17.07.2003 Kindergeld für NC (geboren 00.00.0000) und KC (geboren 00.00.0000) für Mai 2002 bis Februar 2003 dem Beigel. zu bewilligen, hilfsweise für den Unterliegensfall,

die Revi...

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