Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestaltungsmissbrauch und Börsenklausel bei Dividendenstichtagsgeschäften nicht anrechnungsberechtigter Anteilseigner

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden am Tag vor der Hauptversammlung dividendenberechtigte Altaktien von einem nicht anrechnungsberechtigten Anteilseigner erworben und die gleiche Anzahl junger Aktien desselben Emittenten ohne Dividendenanspruch vom Erwerber an den Verkäufer übertragen, so sind dennoch dem Erwerber der Altaktien die Dividende und die damit verbundenen Steuerguthaben als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen.

2. Die Berücksichtigung von Kursverlusten der Altaktien aufgrund der zwischenzeitlichen Gewinnausschüttung wird unabhängig von der Motivation und den Absprachen der Beteiligten nicht durch § 50c Abs.1 EStG 1987 ausgeschlossen, wenn der Erwerber die Anteile über ein Kreditinstitut erworben hat, das den Kaufvertrag über die Börse ausgeführt hat (sog. Börsenklausel).

3. Die sog. Börsenklausel in § 50c Abs. 8 Satz 2 EStG 1987 schließt die Anwendung des § 42 AO aus. (Leitsätze 1-3: Anschluss an Urteil des BFH vom 15.12.1999 I R 29/97, BStBl II 2000, 527)

4. Steuerabzugs- und -anrechnungsbeträge können bei einem Einzelgewerbetreibenden für Zeiträume vor 1995 nicht gesondert festgestellt werden.

 

Normenkette

AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1, §§ 42, 180 Abs. 5; EGAO Art. 97 § 10b; EStG § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 36 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 50c Abs. 1, 4, 8 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.01.2007; Aktenzeichen XI R 8/04)

BFH (Urteil vom 17.01.2007; Aktenzeichen XI R 8/04)

BFH (Urteil vom 30.11.2005; Aktenzeichen I R 127/04, I R 88/05)

BFH (Urteil vom 30.11.2005; Aktenzeichen I R 88/05)

 

Tatbestand

Der Kläger war als freier Börsenmakler an der Börse zu A tätig. Er und der Beklagte streiten um die Behandlung von sog. „Dividendenstichtagsgeschäften”.

Der Kläger kaufte am 23.05.1991 von der I-Bank 44.000 Aktien der S-AG (Wertpapier-Nr. ...) zu einem Kurs von…DM/Stück (Gesamtbetrag zzgl. Provision DM). Die Aktien stammten von einem ausländischen Kunden. Der Kauf wurde über die O-Kasse abgewickelt.

Am selben Tag verkaufte der Kläger an die I-Bank 44.000 neue Aktien der S-AG (Wertpapier-Nr. ...) zu einem Kurs von…DM/Stück (Gesamtbetrag abzgl. Provision…DM). Die I-Bank leitete die Aktien an die Verkäufer der vom Kläger zuvor erworbenen Aktien weiter.

Tag der Hauptversammlung war der 24.05.1991. Ex-Tag war der 27.05.1991.

Die O-Kasse stellte für den Kläger folgende Dividendenabrechnung und Steuerbescheinigung aus:

Wertpapierbezeichnung:

S-AG

Wertpapier-Kenn-Nr.:

Stückzahl:

44.000

Ausschüttung pro Stück:

DM

Bruttobetrag:

DM

anrechenbare Kapitalertragsteuer

DM

Nettobetrag:

DM

anrechenbare Körperschaftsteuer:

DM

zu versteuernde Einnahmen:

DM

(DM + DM)

Der Kläger berücksichtigte den Kursverlust zzgl. An- und Verkaufskosten gewinnmindernd. Die Bruttodividende zzgl. Körperschaftsteuer erfasste er als Ertrag:

Ankauf einschl. Provision

DM

Verkauf einschl. Provision

DM

Kursverlust

DM

Nettodividende

DM

Kapitalertragsteuer

DM

Körperschaftsteuer

DM

DM

Gewinnerhöhung

DM

Das Finanzamt für Großbetriebsprüfung vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, der An- und Verkauf der Aktien erfülle den Umgehungstatbestand des § 42 AO. Die getätigten An- und Verkäufe hätten auf Grund des kalkulierten Kurses zwingend zu einem erheblichen Verlust geführt, der nur durch die Erstattung von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer habe ausgeglichen werden können. Andererseits hätten die nicht anrechnungsberechtigten Geschäftspartner über der zu erwartenden Nettodividende liegende Kursgewinne erzielt, so dass durch diese Gestaltung eine Umgehung des Ausschlusses der Körperschaftsteueranrechnung möglich gewesen sei. Des Weiteren spreche für ein Umgehungsgeschäft, dass der Kläger weder an der Hauptversammlung teilgenommen noch sein Stimmrecht ausgeübt und keine sich aus derartigen Aktienpaketen ergebenden Marktchancen wahrgenommen habe.

Der Beklagte folgte der Auffassung des Finanzamts für Großbetriebsprüfung, erkannte den Aktienerwerb, deren Veräußerung und den Dividendenzufluss nicht an und lehnte die Anrechnung von Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer ab. Er änderte den erlassenen Feststellungsbescheid nach § 164 Abs. 2 AO und stellte den Gewinn auf…DM - statt richtig:…DM - (Gewinn bisher DM + Korrektur Kursverlust zzgl. An- und Verkaufskosten…DM ./. Korrektur Dividende zzgl. Körperschaftsteuer…DM, Gewerbesteuererstattungsanspruch…DM), die anzurechnende Körperschaftsteuer und die anzurechnende Kapitalertragsteuer jeweils auf 0 DM fest. Der Beklagte änderte außerdem die Gewinnfeststellung für 1992. Dem Kläger stand auf Grund eines hohen Verlustes aus 1987 ein Verlustvortrag zu. Auf Grund der Gewinnminderungen in 1990 und 1992 in Folge der Betriebsprüfung verblieb für 1992 ein anrechenbarer Gewerbeverlust aus 1987, der von dem positiven Gewerbeertrag 1992 (Verlust + Hinzurechnungen) abgezogen werden konnte und zu einem Gewerbesteuererstattungsanspruch für 1992 führte. Diesen Gewerbesteuererstattungsans...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge