Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorschriftswidriges Verbringen von Zigaretten. Ort und Zeitpunkt des Verbringens. Erlöschen der Zollschuld bei Beschlagnahme. „Beteiligung” im zollrechtlichen Sinn. Zollrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist ermessensgerecht, die arbeitsteilig und gleichgewichtig am vorschriftswidrigen Verbringen von Zigaretten in das Zollgebiet beteiligten Personen durch Steuerbescheid als Gesamtschuldner für die entstandenen Einfuhrabgaben in Anspruch zu nehmen.

2. Der Begriff des „Verbringens” beschränkt sich auf den unmittelbaren Bereich des Grenzübertritts mit anschließender Beförderung zur ersten zuständigen Zollstelle. Werden die Zigaretten erst nach Verlassen dieses Bereichs, nämlich erst während des Entladens innerhalb des Zollgebiets und damit erst nach Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens durch Beamte der Zollfahndung beschlagnahmt und eingezogen, kann die Zollschuld mit der Einziehung der Ware nicht mehr nach Art. 233 Buchst. d des Zollkodex (ZK) erlöschen.

3. „Beteiligt” an dem vorschriftswidrigen Verbringen ist jedenfalls derjenige, der im Sinne von § 27 StGB Beihilfe leistet. Jedwede Beteiligung, also auch eine bloße Hilfestellung im Hintergrund, führt zur Zollschuld. Beteiligt im Sinne von Art. 202 Abs. 3 ZK am vorschriftswidrigen Verbringen von Zigaretten ist danach, wer Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und mit Hilfe seines Gabelstaplers die Entladung des LKW selbst vorgenommen hat, um dadurch zur weiteren Abwicklung des Zigarettenschmuggels beizutragen.

4. § 19 TabStG erfasst nur die Fälle des innergemeinschaftlichen Verbringens und kann nicht dahin ausgelegt werden, dass Steuerschuldner bei der Einfuhr aus einem Drittland nur derjenige sein könne, der die Ware selbst verbringt und positive Kenntnis von Art und Menge der unverzollten Zigaretten hat.

 

Normenkette

StGB § 27; ZK Art. 202 Abs. 3, Art. 213, 233 Buchst.d; EWGV 2913/92 Art. 202 Abs. 3, Art. 213, 233 Buchst.d; AO 1977 § 5; TabStG §§ 19, 21; UStG 1999 § 21 Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.03.2006; Aktenzeichen VII R 24/04)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Mit rechtskräftig gewordenem Strafurteil vom 24.07.2001 verurteilte das Landgericht L… den Kläger wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die dagegen erhobene Revision des Klägers verwarf das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 26.02.2002 als offensichtlich unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 Strafprozessordnung -StPO-. Das Landgericht führt in seinem Urteil folgendes aus:

„…Am 27.09.1999 reiste der insoweit zwischenzeitlich bereits rechtskräftig Verurteilte Andrzej A… im Auftrage seines Arbeitgebers Slawomir B… mit einem Lastzug, bestehend aus einer Zugmaschine mit dem amtlichen Kennzeichen P.. 3… und einem Kühlauflieger mit dem amtlichen Kennzeichen J.. 9… über den Grenzübergang M… von Polen kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein. In dem Kühlauflieger befanden sich versteckt hinter einer Tarnladung (bestehend aus diversen Paletten mit Sägespänen) 4.000.000 Stück Zigaretten der Marke „West”. Auftragsgemäß meldete der Verurteilte A… diese Zigaretten bei seiner Einreise in das Bundesgebiet nicht zur Einfuhr an und entrichtete für diese auch keine Einfuhrabgaben. Von M… aus fuhr er dann zur Werkstatt des Angeklagten C… in N…, wobei er von seinem Auftraggeber zuvor angewiesen worden war, dort nicht vor 16.00 Uhr des 27.09.1999 zu erscheinen, und erreichte das Werkstattgelände demgemäß auch erst kurz nach 16.00 Uhr. Dort ließ ihn der Angeklagte entsprechend vorangegangener Absprachen mit den Organisatoren und Hintermännern dieses Schmuggeltransportes sogleich in die Werkhalle einfahren und schloss sofort nach der Einfahrt des Lastzuges das Hallentor, um ein unauffälliges, ungestörtes und unentdecktes Entladen der geschmuggelten Zigaretten und deren anschließende Übergabe an die sich bereits in der Nähe bereithaltenden vietnamesischen Zigarettenhändler zu ermöglichen. Gleich darauf erschienen in der Werkhalle dann noch der insoweit ebenfalls bereits rechtskräftig verurteilte Leszek D… sowie eine weitere unbekannt gebliebene Person. Während der Verurteilte A… zunächst noch im Führerhaus der Zugmaschine verweilte, begaben sich der Verurteilte D…, die unbekannt gebliebene Person und der Angeklagte zur Rückseite des Aufliegers, öffneten dort die Türen und begannen mit Hilfe eines Gabelstaplers die Tarnladung zu entladen – wobei der Angeklagte den Gabelstapler bediente –, um an die hinter der Tarnladung versteckten Zigaretten zu gelangen. Sie hatten gerade die ersten Paletten mit der Tarnladung aus dem Auflieger entladen, als Beamte des Zollfahndungsamtes O…, die kurz zuvor einen entsprechenden Hinweis von einem Informanten erhalten hatten, die Werkhalle stürmten. Während es der unbekannt gebliebenen Person gelang, durch einen Sprung dur...

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