Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung. Erläuterung eines Änderungsbescheides. Einkommensteuer 1986–1990
Leitsatz (amtlich)
Die Änderung eines Steuerbescheides ist auch ohne vorherige Anhörung des Steuerpflichtigen ausreichend erläutert, wenn eine dem geänderten Bescheid beigefügte Anlage den Umfang der Änderung erläutert, und die Abweichung gegenüber dem vorangegangenen Bescheid zweifelsfrei benennt. In diesem Fall ist die unterlassene Anhörung nicht ursächlich für das Versäumen der Rechtsbehelfsfrist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.
Normenkette
AO 1977 § 121 Abs. 1, § 126 Abs. 3 S. 1, § 110 Abs. 1
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit ihren Klagen wird die Klägerin im Ergebnis erreichen, daß ihr die Kinder-, Haushalts- und Ausbildungsfreibeträge für die beiden Töchter in den Streitjahren 1986 bis 1990 gewährt werden.
Die Klägerin erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Aus ihrer im Jahre 1987 geschiedenen Ehe gingen zwei Töchter hervor, die in den Streitjahren bereits volljährig waren und sich in Berufsausbildung befanden.
Nachdem der Beklagte der Klägerin zunächst antragsgemäß die Kinder-, Haushalts- und Ausbildungsfreibeträge gewährt hatte. Obwohl das den anderen Elternteil veranlagende Finanzamt die Übertragung der Kinderfreibeträge für die Jahre 1986 und 1987 auf jenen mitgeteilt hatte, änderte er mit Bescheiden vom 3. November 1982 diese Veranlagung ab, indem er der Klägerin nunmehr die Kinder-, Haushalts- und Ausbildungsfreibeträge versagte. Anlaß für diese Änderung war eine erneute Mitteilung des den anderen Elternteil veranlagenden Finanzamts darüber, daß – nach weiteren Ermittlungen – die Kinderfreibeträge nunmehr in vollem Umfang dem Vater übertragen worden seien. Den Änderungsbescheiden beigefügt war eine handschriftliche Anlage mit folgendem Inhalt:
„Nach den Ermittlungen des Finanzamts Bremen-Ost stehen dem Vater Ihrer Kinder W. und H. die vollen Kinderfreibeträge zu, weil Sie nur unwesentlichen Unterhalt geleistet haben. Das gilt auch für die Jahre, in denen die Kinder bei Ihnen gemeldet waren, da der durch den Vater geleistete Unterhalt als Haushaltsgeld teilweise an Sie weitergegeben wurde. Da keine Kinderfreibeträge mehr gewährt werden, entfallen auch die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Haushaltsfreibetrages und der Ausbildungsfreibeträge.”
Gegen diese Änderungsbescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 21. Dezember 1992, beim Beklagten eingegangen am 28. Dezember 1992, Einspruch ein und beantragte im Verlaufe des Verfahrens Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist. Zur Begründung gab sie an, sie sei vor Erlaß der Änderungsbescheide zum Sachverhalt nicht gehört worden. Zudem sei die Änderung nur unzureichend begründet worden. Dies habe zur Folge gehabt, daß sie zunächst einmal den Sachverhalt im Familienkreise habe aufklären müssen. Da dies infolge des gespannten Verhältnisses zwischen den geschiedenen Partnern und einer Erkrankung des früheren Ehemannes schwierig gewesen sei, sei es zu Versäumung der Einspruchsfrist gekommen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 17. August 1993, zur Post gegeben am 18. August 1993, verwarf der Beklagte den Einspruch – unter Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – als unzulässig. Im wesentlichen begründete er die Abweisung damit, ein zureichender Grund für die verspätete Einlegung des Einspruchs sei nicht schlüssig vorgetragen, insbesondere könne er nicht im Fehlen einer Begründung für den Änderungsbescheid liegen, da diese mit Anlage zu dem Änderungsbescheid gegeben worden sei.
Den mit dem Einspruch hilfsweise gestellten Antrag, die festgesetzten Steuern gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO herabzusetzen, wies der Beklagte mit Bescheid vom 13. Januar 1993 zurück mit der Begründung,
„Die Haushaltszugehörigkeit der Tochter H. zur Mutter war dem Finanzamt bekannt, jedoch hat die Tatsache, daß H. in den Streitjahren volljährig war und es laut Schmidt, Einkommensteuerkommentar, in diesem Fall zweifelhaft ist, ob eine Unterhaltsverpflichtung durch Pflege und Erziehung der Kinder erfüllt ist, in Verbindung mit Bestätigungen der Töchter, der Vater habe allein zum Unterhalt beigetragen, zur Gewährung der vollen Kinderfreibeträge beim Vater geführt.”
Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14. September 1993, abgesandt am 16. September 1993 zurück. Zur Begründung führte er aus, zwar habe die Klägerin nach Bestandskraft der Steuerfestsetzungen für die Jahre 1986 bis 1990 dem Beklagten im Einzelnen Art und Umfang der erbrachten Unterhaltsleistungen und damit neue Tatsachen dem Finanzamt vorgetragen, jedoch treffe die Kläger ein grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO an der nachträglichen Bekanntgabe
„die (Klägerin) konnte der Anlage zu den geänderten Steuerbescheiden ohne weiteres entnehmen, daß zwei halbe Kinderfreibeträge nicht mehr gewährt wurden. Diese Änd...