rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweckbetrieb. Erstellung von Versicherungsvergleichsanalysen durch eine gemeinnützige Verbraucherschutzorganisation

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine gegen Festsetzungen der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrags auf jeweils Null Euro gerichtete Klage ist zulässig, wenn das Finanzamt Einkünfte einer als gemeinnützig anerkannten Körperschaft dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet hat und im Klageverfahren vorgetragen wird, die Einkünfte seien dem Zweckbetrieb zuzurechnen und unterlägen daher weder der Körperschaftsteuer noch der Gewerbesteuer.

2. Die Förderung des Verbraucherschutzes führt unabhängig davon, ob diese Tätigkeit der Allgemeinheit oder einem Individuum angeboten wird, zu einem Vorteil bei dem einzelnen Verbraucher. Auch eine individuelle Aufklärung und Information des Verbrauchers ist als gemeinnützig anzuerkennen, soweit ein unbegrenzter Personenkreis ebenfalls auf vergleichbare Informationen zugreifen kann.

3. Im Streitfall erfolgte die Erstellung von Versicherungsvergleichsanalysen (‚Finanzanalysen’) ohne persönliche Beratung des Verbrauchers anhand dessen persönlicher Daten gegen Entgelt im Rahmen eines Zweckbetriebs der Klägerin.

 

Normenkette

KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; GewStG § 3 Nr. 6; UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8; AO §§ 14, 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 16, § 65; FGO § 40 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.08.2021; Aktenzeichen V R 5/19)

 

Tenor

Die Bescheide über Körperschaftsteuer 2014 und über den Gewerbesteuermessbetrag 2014 vom 19. September 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2017 werden mit der Maßgabe geändert, dass der aus der Durchführung der Finanzanalysen erzielte Verlust in Höhe von 71.161 Euro unberücksichtigt bleibt.

Der Umsatzsteuerbescheid für 2014 vom 19. September 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2017 wird mit der Maßgabe geändert, dass bei der Steuerfestsetzung die aus der Durchführung der Finanzanalysen erzielten steuerpflichtigen Umsätze i.H.v. 109.968 EUR mit einem Steuersatz von 7% berücksichtigt werden.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluss:

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine gemeinnützige X…, deren Zweck die Förderung des Verbraucherschutzes ist. § 2 Absatz 1 der Satzung regelt insoweit:

„… Sie

  • unterrichtet die Öffentlichkeit über objektivierbare Merkmale des Nutz- und Gebrauchswertes sowie der Umweltverträglichkeit von Waren und privaten sowie individuell nutzbaren öffentlichen Leistungen,
  • stellt der Öffentlichkeit Informationen zur Verfügung, die zur Verbesserung der Marktbeurteilung beitragen,
  • klärt die Verbraucher über Möglichkeiten und Techniken der optimalen privaten Haushaltsführung, über eine rationale Einkommensverwendung sowie über von ihr als fundiert erkannte wissenschaftliche Erkenntnisse des gesundheits- und umweltbewussten Verhaltens auf.”

Nach Abs. 3 wird der Satzungszweck verwirklicht „insbesondere durch

  • Untersuchungen, in der Regel vergleichender Art, an Waren und Leistungen nach wissenschaftlichen Methoden und in einem sachgerechte Beurteilung gewährleistenden Ausmaß, die die X… selbst durchführt oder von geeigneten Instituten nach ihren Weisungen durchführen lässt,
  • Veröffentlichung der neutral, allgemein verständlich und sachgerecht erläuterten Arbeitsergebnisse.
  • Darüber hinaus darf die X… Erkenntnisse und Informationen von allgemeinem Verbraucherinteresse durch Kommunikationsmittel aller Art verbreiten.”

Die Klägerin führt unter anderem vergleichende Untersuchungen über Angebote von Versicherungen durch und veröffentlicht die Ergebnisse in der von ihr selbst herausgegebenen Zeitschrift „B…” und auf ihrem Internetportal www. … .de. Zur Auswertung der Versicherungsangebote für die Tests und veröffentlichten Testberichte werden Daten am Markt erhoben, in Datenbanken oder Tabellenkalkulationsprogramme erfasst, erweitert und gepflegt. Für die veröffentlichten Testberichte werden Musterfälle definiert, für die die jeweiligen Versicherungen ausgewertet und verglichen werden. Da wegen der Vielzahl der Tarife ein für den Verbraucher verwertbarer Versicherungsvergleich nur anhand von individuellen Faktoren erstellt werden könne, kann der Verbraucher gegen Entgelt eine Versicherungsvergleichsanalyse (‚Finanzanalyse’) mit seinen individuellen Daten bei der Klägerin anfordern. Der Verbraucher erhält eine entsprechende Computerauswertung, eine persönliche Beratung des Verbrauchers findet nicht statt. Die Klägerin erzielte im Streitjahr mit der Durchführung der Finanzanalysen Umsätze i.H.v. 109.968 EUR und erwirtschaftete einen Verlust aus dieser Tätigkeit i...

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