Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer auf Glücksspiele. Keine nachträgliche Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide im Hinblick auf das EuGH-Urteil Linneweber und Akritidis. Kein Anspruch auf Schadensersatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Das EuGH-Urteil vom 17.2.2005 in der Rs. Linneweber und Akritidis (Az. C-453/02 und C-462/02) ermöglicht nicht die nachträgliche Änderung formell bestandskräftiger Umsatzsteuerbescheide, durch die Umsätze aus Glücksspielen der Besteuerung unterworfen wurden. Insbesondere greift die sog. Emmott'sche Fristenhemmung weder hinsichtlich der Rechtsbehelfsfrist noch hinsichtlich der Festsetzungsfrist ein.
2. Es gibt keinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz, dass gemeinschaftsrechtswidrige Akte der öffentlichen Gewalt über die üblichen Rechtsbehelfsfristen hinaus einer Änderung zugänglich sein müssen. Es reicht vielmehr aus, wenn entsprechend den Grundsätzen der Effektivität und Gleichwertigkeit die Verfahrensordnungen so ausgestaltet sind, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung den Bürgern einräumt, nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren und die Modalitäten insoweit nicht ungünstiger sind, als die, die bei ähnlichen internen Sachverhalten gelten. Diesen Anforderungen genügen die Vorschriften der AO über die Korrektur von Verwaltungsakten.
3. Art. 13 Teil B Buchstabe f der 6. EG-Richtlinie schloss es nicht schlechthin aus, Glücksspiele der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Die Unvereinbarkeit von § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit dem Gemeinschaftsrecht ist daher kein hinreichend qualifizierter Verstoß, der einen Schadensersatzanspruch betroffener Steuerpflichtiger gegen Organe der Bundesrepublik Deutschland begründen könnte.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. f; AO § 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 355 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die 1975 gegründete Klägerin ist seit ihrer Gründung als … tätig.
Ihre Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre gab die Klägerin in den Jahren 1980 bis 2000 ab. Bei der Anfertigung der Umsatzsteuererklärungen ließ sie sich von Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertreten. Die Umsatzsteuerfestsetzungen wurden bestandskräftig, teilweise nach zwischenzeitlich erhobenen Rechtsbehelfen.
Am 23.06.1995 legte die Klägerin Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide 1979 bis 1981 ein, beantragte insoweit die Widereinsetzung in den vorigen Stand und eine schlichte Änderung. Diese Einsprüche und Anträge nahm sie am 17.07.1998 wieder zurück.
Gegen die am 03.04.2000 nach einer Außenprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheide 1990 bis 1992 legte die Klägerin am 27.04.2000 Einspruch ein, den sie am 18.10.2000 wieder zurücknahm.
Am 30.11.2001 ergingen nach Durchführung einer Außenprüfung Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1997, mit denen die bis dahin bestehenden Vorbehalte der Nachprüfung aufgehoben wurden. Auch diese Bescheide wurden bestandskräftig.
Am 17.03.2005 legte die Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EuGH – vom 17.02.2005, C-453/02 und C-462/02 – Linneweber und Akritidis, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 2005, 194 „Einspruch gegen die bereits bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide” ein. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die vom EuGH entwickelte „Emmottsche Fristenhemmung”. Vor dem 17.02.2005 habe sie keinen Einspruch gegen die bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide einlegen können.
Am 22.07.2005 wies der Beklagte unter Hinweis auf die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1975 bis 1998 den Einspruch als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, dass der Klägerin kein Anspruch auf die Änderung der bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide zustehe.
Daraufhin hat die Klägerin am 24.08.2005 Klage wegen Umsatzsteuer 1979 bis 1998 erhoben.
Am 07.04.2005 reichte die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuererklärung 1999 beim Beklagten ein, mit der sie Folgerungen aus dem Urteil des EuGH vom 17.02.2005, C-453/02 und C-462/02, zog. Darauf teilte der Beklagte mit Verfügung vom 31.08.2005 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) mit, dass der Umsatzsteuerbescheid 1999 nicht mehr geändert werde, da Verjährung eingetreten sei. Die geänderte Erklärung werde unbearbeitet zu den Akten genommen.
Daraufhin erhob die Klägerin am 08.09.2005 Einwände gegen den Ablehnungsbescheid und begehrte eine förmliche Entscheidung.
Am 26.09.2005 hat die Klägerin wegen Umsatzsteuer 1999 Klage erhoben, die bis zur Verbindung am 30.04.2009 unter dem Aktenzeichen 7 K 7349/05 B geführt wurde.
Nach Klageerhebung, am 24.10.2005, hat der Beklagte den Einspruch betreffend Umsatzsteuer 1999 als unbegründet zurückgewiesen, da der Klägerin kein Anspruch auf Änderung bereits bestandskräftig gewordener Umsatzsteuerbescheide zustehe.
Am 27.09.2005 hat die Klägerin ihr Klagebegehren mi...