Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung wegen Beteiligung an systematischem Umsatzsteuerbetrug
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Lieferung hochwertiger PKW sind an die Nachweispflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der Lieferung ein Barverkauf zu Grunde liegt. In solchen Fällen muss der Unternehmer sich über den Namen, die Anschrift und die Vertretungsmacht des angeblichen Vertreters des Abnehmers vergewissern und entsprechende Belege vorlegen können.
2. Die Nachweispflicht des Unternehmers ist keine materiellrechtliche Voraussetzung für die Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen.
3. Die innergemeinschaftliche Lieferung setzt voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist.
4. Einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist die Befreiung von der Mehrwertsteuer zu versagen, wenn die Lieferung zwar ausgeführt wurde und diese selbst nicht Gegenstand einer Mehrwertsteuerhinterziehung war, aber aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz des Empfängers beteiligt, der darauf angelegt ist, durch systematischen Steuerbetrug Mehrwertsteuer zu hinterziehen.
5. Der Unternehmer muss sich die Kenntnis seiner Gesellschafter zurechnen lassen.
Normenkette
UStG §§ 6a, 4 Nr. 1, § 25d Abs. 1 S. 1; UStDV §§ 17a, 17b, 17c; BGB §§ 166, 278
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Lieferungen von Fahrzeugen als innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne von § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei sind.
1. Die Klägerin wurde als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Anfang 2000 gegründet. Gesellschafter-Geschäftsführer waren die 1965 und 1966 geborenen Geschwister X. (X. und Y. (Y. Z. Letzterer hat sein zuvor bestehendes Einzelunternehmen zum 01.01.2000 in die Klägerin eingebracht. Der Geschäftsbetrieb der Klägerin wurde zwischenzeitlich eingestellt.
Laut der Gewerbeanmeldung vom 11. Februar 2000 (Bl. 1 der Allgemeinen Akte) war Gegenstand des Unternehmens der Klägerin „Mietwagen, Kfz-Handel, Import-Export, Handel mit Kfz-Ersatzteilen”. Tatsächlich lieferte die GbR im Inland beschaffte neue oder neuwertige PKW, vornehmlich der Marken Audi, BMW, Mercedes-Benz und Porsche, fast ausschließlich nach Italien, wo die Gesellschafter der Klägerin einige Jahre ihrer Jugend verbracht hatten und zur Schule gegangen waren.
Einige wenige Fahrzeuge wurden unter Inanspruchnahme der Steuerbefreiung des § 4 Nr.1 Buchst. a i.V.m. § 6 UStG in die Vereinigten Staaten von Amerika oder in die Schweiz geliefert. Die diesbezüglichen Lieferungen sind jedoch nicht mehr streitbefangen.
Die Lieferungen der PKW nach Italien behandelte die Klägerin laut ihren beim beklagten Finanzamt eingereichten Umsatzsteuer(USt)-Voranmeldungen und USt-Jahreserklärungen sowie den mit diesen in Zusammenhang stehenden sog. „Zusammenfassende(n) Meldungen” (vgl. § 18a UStG) als nach § 4 Nr.1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs.1 UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Bei ca. 240 im Streitzeitraum gelieferten Fahrzeugen ergab sich nach den USt-Erklärungen der Klägerin ein Lieferwert von über xx Mio. DM (bzw. xx,xx Mio. EUR).
Da die Gesellschafter für die Klägerin die bei den Ankäufen der Fahrzeuge von den inländischen Lieferanten gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machten, ergaben sich im Streitzeitraum Vorsteuerüberschüsse zu Gunsten der Klägerin in Höhe von rund x,xx Mio EUR.
2. Eine im August 2003 begonnene Steuerfahndungsprüfung bei der Klägerin führte demgegenüber zu dem Ergebnis, dass die vorgenannten Lieferungen nach Italien die Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nicht erfüllten, da die von der Klägerin bezeichneten Abnehmer nicht ihre tatsächlichen Kunden gewesen seien (vgl. den Bericht über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004” sowie den geänderten Steuerfahndungsbericht vom 16. März 2004, Akte „Steufa-Bericht”).
Bei den wahren Kunden habe es sich um norditalienische Autohändler (Auto-O., A. (Inh. bzw. Vertreter: T.C.), Firma Auto-N., I. (Inh. bzw. Vertreter: B.Q.), Firma – M., Firma Autos …, Firma …car, L. (Inh. bzw. Vertreter: Ü.S.) sowie Firma R. u.a.) gehandelt. Auf deren ausdrücklichen Wunsch habe die Klägerin ihre Ausgangsrechnungen jedoch nicht auf diese, sondern auf andere von den Kunden genannte Personen bzw. Firmen in Italien ausgestellt. Von Januar 2000 bis September ...