Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen. Art. 2 der Richtlinie 76/207/EWG. Anspruch auf Mutterschaftsurlaub. Art. 8 und 11 der Richtlinie 92/85/EWG. Auswirkungen auf das Recht, eine Änderung der Dauer eines ‚Erziehungsurlaubs’ zu erwirken
Beteiligte
Tenor
Art. 2 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 geänderten Fassung, der hinsichtlich der Arbeitsbedingungen jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbietet, und die den Mutterschaftsurlaub regelnden Art. 8 und 11 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) stehen nationalen Vorschriften über den Erziehungsurlaub entgegen, die es, da sie nicht die Änderungen berücksichtigen, die sich aus der Schwangerschaft für die betreffende Arbeitnehmerin in dem auf mindestens 14 teils vor, teils nach der Entbindung liegende Wochen begrenzten Zeitraum ergeben, der betreffenden Frau nicht gestatten, auf Antrag eine Änderung des Zeitraums ihres Erziehungsurlaubs in dem Moment zu erwirken, in dem sie ihre Ansprüche auf Mutterschaftsurlaub geltend macht, und ihr so mit dem Mutterschaftsurlaub verbundene Rechte nehmen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tampereen käräjäoikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 24. Februar 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Februar 2006, in dem Verfahren
Sari Kiiski
gegen
Tampereen kaupunki
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis, J. Malenovský (Berichterstatter) und T. von Danwitz,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Kiiski, vertreten durch A. Vainio, asianajaja,
- der Tampereen kaupunki, vertreten durch T. Kyöttilä als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin und J. Himmanen als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek und M. Huttunen als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. März 2007
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. L 269, S. 15) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 76/207) sowie die Auslegung der Art. 8 und 11 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG, ABl. L 348, S. 1).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Kiiski und der Tampereen kaupunki (Stadt Tampere) wegen deren Weigerung, der Klägerin eine Änderung der Dauer ihres Erziehungsurlaubs zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Art. 2 der Richtlinie 76/207 sieht vor:
„(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand – erfolgen darf.
(2) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:
- ‚unmittelbare Diskriminierung’: wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
- ‚mittelbare Diskriminierung’: wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weis...