Entscheidungsstichwort (Thema)

Unrichtigkeit des Unternehmerverzeichnisses von Anfang an

 

Leitsatz (amtlich)

1. War die Eintragung eines Unternehmers in das Unternehmerverzeichnis von Anfang an unrichtig, so ist dieses nach RVO § 664 Abs 3 zu berichtigen; RVO § 667 erfaßt nur die Überweisung eines Unternehmens oder Löschung einer Eintragung bei nachträglich eingetretener wesentlicher Änderung.

2. Unrichtig iS des RVO § 664 Abs 3 ist die Eintragung eines Unternehmers in das Unternehmerverzeichnis einer BG, wenn sie entweder aufgrund eines so gröblichen Irrtums erfolgt ist, daß die weitere Belassung des Unternehmens bei der formal zuständig gewordenen BG der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung eindeutig zuwiderlaufen würde, oder wenn nachweisbar schwerwiegende Unzuträglichkeiten bestehen, welche die Belassung des Unternehmens als unbillige Härte erscheinen lassen (Fortführung von BSG 1961-11-28 2 RU 36/58 = BSGE 15, 282).

 

Normenkette

RVO § 664 Abs. 3 Fassung: 1963-04-30, § 667 Fassung: 1963-04-30; UVNG Art. 4 § 11 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17. Mai 1973 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Klägerin gehören u. a. die beiden Glaswerke A und N. Sie werden - nach den Unterlagen der Beklagten spätestens - seit dem Jahre 1950 als Mitglieder der Beklagten geführt. Die Klägerin wird seit dieser Zeit zu Beiträgen herangezogen.

Mit Schreiben vom 20. Januar 1969 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, die Glaswerke A und N an die Berufsgenossenschaft (BG) für Feinmechanik und Elektrotechnik zu überweisen. Zur Begründung führte sie aus: Im Zuge der Umstellung ihrer im Bundesgebiet gelegenen Werke und Dienststellen auf die zentrale elektronische Datenverarbeitung ergäben sich erhebliche technische Schwierigkeiten dadurch, daß die beiden Glaswerke nicht der für das Unternehmen der Firma O GmbH zuständigen BG der Feinmechanik und Elektrotechnik angehörten. Beide Werke seien keine selbständigen Betriebe, sondern im Unternehmen integrierte Produktionsstätten, die der Fertigung ihrer Vorerzeugnisse dienten. Wie alle ihre übrigen Betriebsstätten im Bundesgebiet unterständen auch diese beiden Glaswerke einer einheitlichen Geschäftsführung, die nicht nur die Richtlinien der Geschäftspolitik bestimme, sondern auf die gesamte Produktion, den Vertrieb ihrer Erzeugnisse und die Finanzwirtschaft steuere.

Die Beigeladene schloß sich mit Schreiben vom 30. Januar 1969 diesem Antrag mit der Begründung an, die Glaswerke seien unselbständige Produktionsstätten der O GmbH.

Die Beklagte lehnte zuletzt mit Schreiben vom 7. Juli 1969 gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen eine Überweisung der Glaswerke ab, da es sich bei diesen Werken nicht um unselbständige Betriebsstätten oder Teile eines einheitlichen Unternehmens der Osram GmbH handele und die Voraussetzungen für eine Überweisung nach den vom Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 28. November 1961 (BSG 15, 282) aufgestellten Grundsätzen nicht gegeben seien.

Die Klägerin erhob Widerspruch, den die Beklagte durch Bescheid vom 3. Februar 1971 zurückwies.

Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie hat vorgetragen: Ihr Unternehmen mit rund 12.000 Beschäftigten sei mit Ausnahme der Glaswerke A und N Mitglied der Beigeladenen. Mit etwa insgesamt 600 Beschäftigten seien nur die beiden Glaswerke A und N seit dem 1. Mai bzw. 1. September 1946 Mitglied der Beklagten. Sie produziere in ihrem Unternehmen Glühlampen bzw. Lichtquellen aller Art. Die in den Werken A und N gefertigten Glasteile würden zum weitaus größten Teil in ihren Betriebsstätten zu Lampen weiterverarbeitet. Sie sei kein Unternehmen, das aus verschiedenartigen Bestandteilen bestehe, die verschiedenen Gewerbezweigen zuzuordnen seien, sondern einschließlich aller Betriebsteile ein einheitliches Unternehmen.

Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 22. Juni 1972 die Klage abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt: Die in § 646 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung RVO) vorgesehene Rechtsverordnung sei bisher nicht vorhanden. Deshalb bleibe nach Art. 4 § 11 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) der bisherige Träger der Unfallversicherung zuständig. Eine Überweisung zu einer anderen BG käme nur unter den vom BSG in seinem Urteil vom 28. November 1961 (BSG aaO) aufgestellten Voraussetzungen in Betracht; sie seien hier aber nicht erfüllt. Nachhaltige wesentliche Betriebsveränderungen seien nicht eingetreten. Die Mitgliedschaft der Klägerin beruhe auch nicht auf einem offensichtlichen Irrtum. Die Zuständigkeit der Beigeladenen für die Werke A und N sei auch nicht gemäß § 647 Abs. 1 RVO begründet. Ein Gesamtunternehmen läge nur vor, wenn die in Betracht kommenden Unternehmen derselben Leitung unterständen, benachbart seien und zwischen ihnen mit einer gewissen Regelmäßigkeit ein Austausch von Arbeitskräften stattfände. Im vorliegenden Fall finde ein Austausch von Arbeitskräften zwischen den einzelnen Betrieben jedoch nicht statt.

Die Klägerin und die Beigeladene haben Berufung eingelegt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 17. Mai 1973 die Berufungen zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Eine Diskussion der Überweisungsgrundsätze des § 667 Abs. 1 RVO habe sich als überflüssig erwiesen, weil die Grundsätze für eine Überweisung nach dieser Vorschrift vom BSG in seiner Entscheidung vom 28. November 1961 (aaO) herausgearbeitet worden seien. Demnach sei eine Überweisung nur möglich bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, bei einer bisher offensichtlich irrtümlich begründeten Zuständigkeit oder bei schwerer Unzuträglichkeit bei Durchführung der Unfallverhütungsvorschriften. Keiner dieser drei Tatbestände sei, wie das Erstgericht zutreffend festgestellt habe, erfüllt. Eine wesentliche Änderung der Betriebsverhältnisse sei nicht eingetreten und werde auch von der Klägerin nicht einmal ernsthaft behauptet. Die beiden Glaswerke produzierten nach wie vor Glashüllen für elektrische Lampen, die teils von der Klägerin selbst benötigt, teils an fremde Firmen verkauft würden, wobei der Anteil der Lieferung an fremde Firmen 1969/70 sogar noch zwischen 9 und 28 v. H. betragen habe. Irgendeine Änderung sei insoweit nicht behauptet worden. Von einer schweren Unzuträglichkeit bei der Durchführung der Unfallverhütungsvorschriften durch ein Verbleiben der beiden Glaswerke sei keine Rede; insoweit wären Unzuträglichkeiten sogar eher im Falle einer Überweisung an die Beigeladene zu erwarten. Schließlich aber finde sich kein Anhaltspunkt dafür, daß die Begründung der bisherigen Zuständigkeit auf einem offensichtlichen Irrtum beruht haben könnte. Die Aufnahme der beiden Glaswerke bei der Beklagten sei antragsgemäß erfolgt, wobei es durchaus nahegelegen habe, die Glaswerke bei der BG für Glasindustrie zu versichern. Daß sich die Beteiligten dabei geirrt haben sollten und dieser Irrtum auch noch offensichtlich sein sollte, sei nahezu ein Vierteljahrhundert lang weder bemerkt noch behauptet worden; eine solche Annahme lasse sich auch nicht wahrscheinlich machen. Selbst wenn man daher das Vorbringen der Klägerin, die Zugehörigkeit der Glaswerke zu der Beklagten sei von Anfang an unrichtig gewesen, als richtig unterstellen könnte, was aber nach Auffassung des Senats nicht der Fall sei, so würde es mit Sicherheit schon an dem Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit eines Irrtums fehlen. Bei der Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis der Beklagten hätten sich die Beteiligten seinerzeit keineswegs geirrt, sie wären sich ihrer Handlungsweise durchaus bewußt gewesen. Auch seien die Voraussetzungen des § 667 Abs. 2 RVO nicht erfüllt. Von einem Erlöschen des Unternehmens könne im vorliegenden Falle überhaupt keine Rede sein. Ebensowenig seien die Voraussetzungen der Eintragung aus anderen Gründen entfallen; erstrebt werde lediglich eine Änderung aus Betriebswirtschaftlichen und technologischen Gründen, wie sie für eine Löschung oder Überweisung nicht genügten.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin und die Beigeladene haben dieses Rechtsmittel eingelegt.

Die Klägerin trägt vor: Es gebe keinen Verwaltungsakt, aus dem sich ergebe, unter welchen Umständen die Werke Augsburg und Neustadt von der Beklagten als Mitglieder aufgenommen worden seien. Sie - die Klägerin - habe sich in den vergangenen Jahren mit dieser Frage nicht befassen können, weil andere, wirtschaftliche Probleme im Vordergrund gestanden hätten. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen des § 647 RVO nicht als erfüllt angesehen. Es hätte bei ausreichender Sachaufklärung feststellen müssen, daß die Werke A und N die Glasröhren und Glaskolben nur in engster - auch räumlicher - Gemeinschaft mit den übrigen Betriebsteilen des einheitlichen Unternehmens herstellen können. Die Glaserzeugung sei nicht technologisch identisch mit derjenigen anderer Unternehmen der hohlglaserzeugenden Industrie, sondern auf die Herstellung von Glühlampen abgestellt. Deshalb sei auch das Glaswerk B nicht bei der Beklagten, sondern bei der Beigeladenen versichert. Sämtliche einzelnen Betriebe der Klägerin seien Teil eines Gesamtunternehmens. Entgegen der Annahme des LSG, was als Verletzung der Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, als Verfahrensmangel gerügt werde, finde ein reger Austausch von Arbeitskräften zwischen den Betrieben statt. Das LSG habe die Bedeutung des § 667 RVO verkannt. Ein offensichtlicher Irrtum hinsichtlich der bisher angenommenen Zuständigkeit könne nicht allein deshalb verneint werden, weil die Werke A und N viele Jahre Mitglieder der Beklagten gewesen seien. Das LSG habe ohne eigene Feststellungen eine nachhaltige Betriebsveränderung verneint. Die gesamte Lohnabrechnung für das einheitliche Unternehmen sei umgestellt worden. Das Klagebegehren sei auch nach § 664 Abs. 3 RVO gerechtfertigt.

Die Beigeladene führt aus: Sie sei von Anfang an der auch für die Werke Augsburg und Neustadt der Klägerin zuständige Versicherungsträger gewesen. Es handele sich um ein einheitliches Unternehmen, das dem Gewerbezweig "Herstellung von Glühlampen aller Art" angehöre. Diese Zuständigkeit für die Werke Augsburg und Neustadt der Klägerin bestehe auch, wenn man diese Werke nur als Teil eines aus verschiedenartigen Bestandteilen bestehenden Gesamtunternehmens im Sinne des § 647 Abs. 1 Satz 1 RVO oder Nebenunternehmen im Sinne des § 647 Abs. 1 Satz 2 RVO ansehe. Die Eintragung der Werke im Mitgliederverzeichnis der Beklagten sei deshalb unrichtig und nach § 664 Abs. 3 RVO zu berichtigen. Die Eintragung bei der Beklagten beruhe außerdem auf einem offensichtlichen Irrtum im Sinne der Rechtsprechung des BSG.

Die Klägerin und die Beigeladene beantragen,

das Urteil des Bayerischen LSG vom 17. Mai 1973 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die von der Klägerin betriebenen Glaswerke A und N an die Beigeladene zu überweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Bayerischen LSG vom 17. Mai 1973 aufzuheben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen zurückzuweisen.

Sie führt aus: § 664 Abs. 3 RVO komme als Anspruchsgrund für eine Löschung der Klägerin in dem Mitgliederverzeichnis nicht in Betracht. Die Vorschrift enthalte lediglich die Verpflichtung des Versicherungsträgers, bei einer unrichtigen Eintragung das Unternehmerverzeichnis zu berichtigen, lasse aber offen, auf welchem Weg die Berichtigung vorzunehmen sei. Sofern die Berichtigung durch eine Löschung der Eintragung und eine Neuaufnahme des Unternehmens erreicht werden solle, sei dies nur im Rahmen des § 667 Abs. 2 Satz 2 RVO möglich. Allerdings neige die Praxis dazu, dieses Verfahren nur dann anzuwenden, wenn sich die Unrichtigkeit der Eintragung in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Eintragung selbst herausstelle, so z. B. aufgrund von Feststellungen des technischen Aufsichtsbeamten nach Erteilung des Aufnahmebescheides durch die BG. Ansonsten ergebe sich aus § 667 Abs. 1 RVO die Möglichkeit, in Fällen bereits über einen gewissen Zeitraum bestehender Mitgliedschaft die berufsgenossenschaftliche Zugehörigkeit eines Unternehmens durch eine Überweisung an eine andere BG zu ändern. Keiner der zu § 667 Abs. 1 RVO weiterhin geltenden Überweisungstatbestände sei aber erfüllt. Eine wesentliche nachträgliche Betriebsänderung sei nicht eingetreten. Sie, die Beklagte, sei der zuständige Versicherungsträger für die Werke Augsburg und Neustadt. Ihr seien nicht nur die sog. Glasbläserei vor der Lampe, sondern auf jegliche Art der Glasfabrikation einschließlich der daran anschließenden Veredelung zugewiesen worden. Die geschilderte Betriebsweise der beiden Werke sei technologisch völlig mit der in anderen Unternehmen der hohlglaserzeugenden Industrie identisch.

Die Klägerin und die Beigeladene hätten auch nicht dargelegt, wie es dadurch konkret zu schweren Unzuträglichkeiten gekommen sei, daß für die Werke A und N die Beigeladene der zuständige Versicherungsträger sei. Selbst wenn diese Werke Bestandteile des Gesamtunternehmens der Klägerin seien, würde dies keine Änderung der Zuständigkeit des Versicherungsträgers bedeuten, da eine wesentliche Änderung der Betriebsverhältnisse nicht eingetreten sei. Deshalb entfalle auch eine Löschung nach § 667 Abs. 1 RVO. Selbst wenn aber § 664 Abs. 3 RVO die hier maßgebende Vorschrift wäre, könne als Unrichtigkeit im Sinne dieser Vorschrift entsprechend den Grundgedanken der bisherigen Rechtsprechung nur eine Unrichtigkeit infolge eines, offensichtlichen Irrtums angesehen werden.

II.

Die zulässigen Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen sind insoweit begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.

Das LSG ist zunächst im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß Art. 4 § 11 UVNG einer Änderung der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers für die Werke A und N nicht entgegensteht (s. auch BSG SozR Nr. 1 zu § 646 RVO). Art. 4 § 11 UVNG ist die Übergangsvorschrift zu § 646 Abs. 2 RVO und betrifft somit nur die Neuregelung der generellen Zuständigkeit der einzelnen BGen nach Art und Gegenstand der Unternehmen.

Das LSG hat nach Auffassung des Senats jedoch zu Unrecht § 667 Abs. 1 Satz 1 RVO als Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren angesehen. Eine Überweisung der Werke A und N an die Beigeladene käme nach dieser Vorschrift nur in Betracht, wenn sich die bisherige Zuständigkeit der Beklagten für die Werke A und N geändert hätte (ebenso Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 667 Anm. 2 Buchst. b; Bereiter-Hahn/Schieke, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 667 Anm. 1; Sonnabend ZfS 1972, 5).

Das LSG hat eine Änderung in diesem Sinne jedoch verneint. Die Rüge der Revision der Klägerin, das LSG habe insoweit keine eigenen Feststellungen getroffen, vermag einen wesentlichen Verfahrensmangel schon deshalb nicht zu begründen, weil die Klägerin selbst in Übereinstimmung mit der Beigeladenen (vgl. die Schriftsätze vom 23. März, 30. März und 6. April 1974) die Beklagte von Anfang an und nicht erst aufgrund einer wesentlichen Änderung der für die Zuständigkeit maßgebenden Verhältnisse als den unzuständigen Versicherungsträger angesehen hat. Das LSG hat sich deshalb nicht dazu gedrängt fühlen müssen, tatsächliche Feststellungen darüber zu treffen, ob - entgegen dem Vorbringen der Klägerin und der Beigeladenen im Berufungsverfahren - nicht doch eine für die Zuständigkeit der BG maßgebende Änderung im Sinne des § 667 Abs. 1 Satz 1 RVO eingetreten ist.

Bei unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen liegt schon nach dem Gesetzeswortlaut keine Änderung der Zuständigkeit der BG im Sinne des § 667 Abs. 1 Satz 1 RVO vor, wenn früher die Zuständigkeit der BG lediglich zu Unrecht angenommen worden ist. Aus diesem Grund scheidet im Unterschied zu der Auffassung der Beklagten und einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Lauterbach aaO § 667 Anm. 7; Sonnabend aaO S. 6) auch § 667 Abs. 2 Satz 2 RVO als Rechtsgrundlage für eine Überweisung der Werke A und N an die Beigeladene aus. Nach dieser Vorschrift kann die BG die Eintragung löschen, wenn die Voraussetzungen für die Eintragung aus anderen Gründen entfallen. Die Voraussetzungen für die Eintragung können jedoch nur entfallen, wenn sie einmal vorgelegen haben und nicht nur irrtümlich angenommen worden sind.

Auch der Aufbau des § 667 RVO läßt erkennen, daß bei allen in § 667 RVO geregelten Tatbeständen erst nach der wirksamen Eintragung im Unternehmerverzeichnis durch eine Änderung der Verhältnisse die Zuständigkeit der BG sich geändert hat oder eine Löschung im Unternehmerverzeichnis gerechtfertigt ist.

Neben dem insoweit eindeutigen Wortlaut und dem Aufbau des § 667 RVO spricht die Gesetzessystematik ebenfalls gegen die Auffassung, § 667 RVO erfasse auch den Fall, daß die Eintragung eines Unternehmers im Unternehmerverzeichnis von Anfang an zu Unrecht angenommen worden ist. Die §§ 665 und 666 RVO enthalten Anzeigepflichten des Unternehmers für Fälle, in denen sich für die Zuständigkeit der BG maßgebende tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse geändert haben. Daran schließt sich die Regelung des § 667 RVO an, was zu geschehen hat, wenn sich die Zuständigkeit der BG ändert.

Schließlich ist die Entstehungsgeschichte des § 667 RVO gegen die Auffassung anzuführen, diese Vorschrift gelte auch für eine Überweisung eines Unternehmens wegen irrtümlicher Eintragung bei einer BG. § 666 RVO idF bis zum Inkrafttreten des UVNG ermächtigte den Vorstand der BG, sofern er es für geboten hielt, einen Betrieb auf Antrag des Unternehmers oder auch von Amts wegen einer anderen BG zu überweisen. Diese Vorschrift umfaßte nach ihrem von § 667 RVO idF des UVNG wesentlich abweichenden Wortlaut sowohl die Fälle, in denen sich wegen einer Änderung in den Betriebsverhältnissen die Zuständigkeit änderte oder aus anderen Gründen entfiel, als auch die Fälle, in denen die BG ihre Zuständigkeit von Anfang an zu Unrecht angenommen hatte. In der amtlichen Begründung der RVO ist zu § 679 des Entwurfs, der dem späteren § 666 RVO aF entspricht, ausgeführt (Reichstags-Drucks. Nr. 682, 12. Legislaturperiode, S. 311): "Der § 679 des Entwurfs (§ 61 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes) hat eine Fassung erhalten, wonach er nicht nur für die Fälle der Änderung des Betriebs und des Unternehmerwechsels gilt, sondern auch für die Fälle der irrigen Katastrierung" (ebenso Schulte-Holthausen, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 666 Anm. 4). Demgegenüber hat der Gesetzgeber mit dem UVNG eine Trennung dieser beiden Tatbestände gewollt. In der Begründung zum Entwurf eines UVNG heißt es zu § 668 des Entwurfs, der dem § 667 RVO entspricht (BT-Drucks. IV/120, S. 65): "Der Fall, daß das Unternehmerverzeichnis von Anfang an unrichtig war, ist nunmehr in § 665 Abs. 3 geregelt". § 665 Abs. 3 des Entwurfs wurde § 664 Abs. 3 RVO.

Diese Auslegung des § 667 RVO entspricht auch der im Leistungsrecht zu § 622 RVO von Rechtsprechung und Schrifttum nunmehr wohl einhellig vertretenen Auffassung, daß lediglich eine gegenüber der maßgebenden Vorentscheidung abweichende Beurteilung der Rechtslage oder der tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung in den Verhältnissen begründet (s. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-8. Aufl., S. 582 f mit zahlreichen Nachweisen; Lauterbach aaO § 622 Anm. 2 Buchst. c, aa und hh).

Der Wille des Gesetzgebers, den Fall, daß das Unternehmerverzeichnis von Anfang an unrichtig ist, nunmehr im Gesetz gesondert von den Fällen der nachträglichen Unrichtigkeit wegen Änderung der Verhältnisse zu regeln, ist in § 664 Abs. 3 RVO objektiviert worden. Nach dieser Vorschrift ist das Unternehmerverzeichnis zu berichtigen, wenn die Eintragung unrichtig war.

Sie erfaßt die Berichtigung des Unternehmerverzeichnisses und beschränkt sich schon nach ihrem Wortlaut nicht nur auf eine Berichtigung einzelner Angaben, z. B. Name, Ort, Art des Unternehmens u. ä.

Daß sich § 664 Abs. 3 RVO auch auf die Berichtigung einer zu Unrecht durchgeführten Eintragung eines Unternehmens in das Unternehmerverzeichnis als Mitglied der BG bezieht, ergibt sich ebenfalls aus der Gesetzessystematik. Wie bereits dargelegt, hat der Gesetzgeber durch das UVNG die bis dahin in § 666 RVO aF zusammengefaßten Fälle der von Anfang an unrichtigen Annahme der Zuständigkeit der BG und der durch eine nachträgliche Änderung bedingten Unzuständigkeit der BG getrennt. Die Berichtigung des Unternehmerverzeichnisses wegen einer von Anfang an irrtümlich angenommenen Zuständigkeit der BG ist systemgerechter nicht mehr in dem Unterabschnitt über die rechtlichen Folgen eines Wechsels des Unternehmers sowie einer Änderung im Unternehmen und seiner - bis dahin zu Recht gegebenen - Zugehörigkeit zur BG geregelt. Dem folgt auch der Aufbau des § 664 RVO. In Abs. 1 dieser Vorschrift ist die Aufnahme des Unternehmers nach Prüfung der Zugehörigkeit zur BG und die Aushändigung des Mitgliedsscheines geregelt. § 664 Abs. 2 RVO betrifft den Fall, daß - nach Prüfung der Zugehörigkeit zur BG gemäß Abs. 1 Satz 1 - die Aufnahme abgelehnt wird. Ihm folgt in Abs. 3 der Fall, daß die Eintragung nach Prüfung der Zugehörigkeit gemäß Abs. 1 Satz 1 - anders als in Abs. 2 - erfolgt, aber unrichtig ist.

Der Senat vermag daher der im Schrifttum von Sonnabend (aaO) vertretenen Auffassung nicht zu folgen, beim "Berichtigen" im Sinne des § 664 Abs. 3 RVO liege es begrifflich nahe, an eine Korrektur zu denken, bei der die "Substanz" erhalten bleibe, so die Berichtigung des Aufnahmedatums, der Unternehmensbezeichnung, des Unternehmensgegenstandes, mitversicherter Betriebsteile u. a. mehr; die Löschung im Sinne des § 667 Abs. 2 RVO hingegen vernichte die "Substanz", die Eintragung im ganzen. Indem der Gesetzgeber daher einmal den Begriff "berichtigen" und einmal den Begriff "löschen" verwende, müsse er sich der unterschiedlichen Wortbedeutung bewußt gewesen sein. Diese Auffassung berücksichtigt schon nicht ausreichend, daß § 664 Abs. 3 RVO nicht die Berichtigung der Eintragung, sondern des Unternehmerverzeichnisses vorschreibt und damit auch die gesamte Eintragung als Mitglied erfassen kann. Aus der Entstehungsgeschichte der RVO ist gleichfalls ersichtlich, daß der Gesetzgeber den Ausdruck "berichtigen" nicht auf die Änderungen des Katasters beschränkt wissen wollte, in denen die Eintragung als Mitglied erhalten bleibt. Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes vom 30. Juni 1900 (RGBl S. 585) war jeder Wechsel in der Person desjenigen, für dessen Rechnung der Betrieb erfolgt, von dem Unternehmer dem Genossenschaftsvorstand "behufs Berichtigung des Katasters" anzuzeigen. Der Begriff Berichtigung wurde hier somit auch gebraucht, sofern sie die gesamte Eintragung als Mitglied betraf. In der amtlichen Begründung (aaO) zu § 677 des Entwurfs einer RVO (= § 664 RVO aF) ist ausgeführt, der in § 60 Abs. 2 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes gebrauchte Ausdruck "Berichtigung des Katasters" sei durch "Eintragung in das Betriebsverzeichnis" zu ersetzen, denn es handele sich hier nicht um die Beseitigung einer Unrichtigkeit, sondern um eine ordnungsgemäße Fortschreibung im Betriebsverzeichnis. Der Wechsel im Ausdruck beruhte somit nicht darauf, daß der Begriff "berichtigen" nur auf nicht die gesamte Eintragung als Mitglied betreffenden Änderungen einer Eintragung bezogen wurde. Vielmehr zeigen § 60 Abs. 2 Satz 1 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes und die amtliche Begründung zu § 677 des Entwurfs einer RVO, daß der Ausdruck "berichtigen" für die Beseitigung der Unrichtigkeit des Katasters gebraucht wurde und dabei auch die Eintragung als Mitglied erfaßte (s. auch Bayer. LVA EuM 10, 228; Schulte-Holthausen aaO Vorbem. II a 1 zu § 657 und § 666 Anm. 4). Daß der Gesetzgeber beim UVNG ebenfalls nicht die von Sonnabend (aaO) angenommene Beschränkung des Ausdruckes "berichtigen" gewollt hat, ist auch der bereits zitierten Begründung zu § 667 RVO zu entnehmen. Ein Vergleich mit den §§ 14, 22, 82, 82 a der Grundbuchordnung (GBO) zeigt gleichfalls, daß auf anderen Rechtsgebieten ebenfalls wirksame Eintragungen in ihrer "Substanz" durch eine Berichtigung erfaßt werden können.

Nach § 664 Abs. 3 RVO ist die Eintragung zu berichtigen, wenn sie unrichtig ist. Unrichtig im Sinne des § 664 Abs. 3 RVO ist die Eintragung als Mitglied, wenn sie entweder aufgrund eines so gröblichen Irrtums erfolgt ist, daß die weitere Belassung des Betriebs bei der formal zuständig gewordenen BG der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung eindeutig zuwiderlaufen würde, oder wenn schwerwiegende Unzuträglichkeiten nachweisbar sind, welche die Belassung des Betriebes als unbillige Härte erscheinen lassen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 28. November 1961 (BSG 15, 282, 288 f) diese zum Recht vor Inkrafttreten des UVNG von der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA) und der seit dem Jahre 1929 zuständig gewesenen Schiedsstelle abgeleiteten Grundsätze für die Überweisung oder Löschung eines von Anfang an zu Unrecht aufgenommenen Betriebes übernommen. Diese Grundsätze gelten auch für die Auslegung des § 664 Abs. 3 RVO. Der Senat übersieht dabei nicht, daß diese Auslegung sich nicht bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt. Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte der Regelung rechtfertigen sie jedoch.

Es handelt sich um die Eingliederung eines Unternehmens in die zur Durchführung der gesetzlichen Unfallversicherung geschaffene Organisation der BGen, wie sie sich einerseits - losgelöst von jeglichem Verwaltungshandeln - einem objektiven Betrachter als rechtliche Folgerung, andererseits dagegen als der durch Verwaltungsakt konkretisierte Sachverhalt darstellt. Aufgabe der Versicherungsträger ist es, bei der Vorbereitung und dem Erlaß ihrer Aufnahmebescheide diese beiden Aspekte möglichst vollkommen zur Deckung zu bringen (vgl. BSG 15, 282, 288; Salzwedel, Die Grenzen der Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags, Heft 11 der Neuen Kölner Rechtswissenschaftlichen Abhandlungen, S. 146, 147). Diese Aufgabe kann nun - angesichts der mannigfachen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den den einzelnen BGen zugewiesenen Gewerbezweigen - nicht immer befriedigend gelöst werden. Soweit die Belange des Unternehmers durch eine Aufnahme in das Betriebsverzeichnis einer materiell nicht für ihn zuständigen BG berührt werden, stand ihm hiergegen von jeher ein Rechtsbehelf offen. Hat er hiervon keinen Gebrauch gemacht, so entsteht die Frage, unter welchen Voraussetzungen der einmal erlassene Aufnahmebescheid wieder aufgehoben werden kann. Hierbei sind gegeneinander abzuwägen das Interesse des Unternehmers an einer der wahren Rechtslage entsprechenden berufsgenossenschaftlichen Zugehörigkeit einerseits, auf der anderen Seite die Belange der Allgemeinheit, die beeinflußt werden insbesondere durch den Umstand, daß die bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten eine volle Verwirklichung der gesetzlich geregelten Kompetenzverteilung oftmals erschweren oder unmöglich machen. Unter diesem Gesichtspunkt darf die durch Verwaltungsakt geschaffene Rechtskonkretisierung in Gestalt des formalen Versicherungsverhältnisses nicht als bedeutungslos angesehen werden. Der Verwaltungsakt der den Betrieb aufnehmenden BG hat bis zu seiner Aufhebung schutzwürdige Rechtswirkungen erzeugt, die nicht einfach übergangen werden dürfen.

Die Aufhebbarkeit des Aufnahmebescheids ist nach Ansicht des Senats weiterhin (s. schon BSG aaO) nicht nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts über die Rücknahme fehlerhafter belastender Verwaltungsakte zu beurteilen. Einer Heranziehung dieser Grundsätze steht entgegen, daß das Gesetz hierzu in § 664 Abs. 3 bzw. § 667 besondere Regelungen bietet, unter welchen Voraussetzungen eine der materiellen Rechtslage nicht bzw. nicht mehr entsprechende Mitgliedschaft des Unternehmers bei einer BG zu berichtigen ist. Aus diesen in ihren Grundzügen bereits in § 666 RVO aF enthaltenen Regelungen hat die Rechtsprechung des RVA bzw. der seit 1929 zuständig gewesenen Berufsgenossenschaftlichen Schiedsstelle sowie später der erkennende Senat (s. BSG aaO) bestimmte Grundsätze abgeleitet, die nach Meinung des Senats der gegebenen Interessenlage gerecht werden und deshalb auch nach Inkrafttreten des UVNG im allgemeinen unbedenklich beibehalten werden können (im Ergebnis ebenso Lauterbach aaO § 664 Anm. 6 Buchst. b, 9; Gotzen/Doetsch, Kommentar zur Unfallversicherung, Anm. zu § 664, S. 199; Miesbach/Baumer, Die gesetzliche Unfallversicherung, § 664 Anm. 6; Boller, Die Sozialversicherung 1971, 39, 44). Diese Rechtsprechung des erkennenden Senats entspricht auch der Vorschrift über die Änderung von Verwaltungsakten im Bereich des Leistungsrechts (s. §§ 627, 1300 RVO). Bei den zahlreichen deklaratorischen Verwaltungsakten im Bereich des Leistungsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung ist auch zugunsten des Berechtigten eine neue Entscheidung ebenfalls nicht bei jeder noch so unbedeutenden Änderung der Verhältnisse oder bei jedem Zweifel an der Richtigkeit des bindenden Bescheides, sondern nach § 627 RVO nur zulässig, wenn sich der Versicherungsträger von der Unrichtigkeit des Verwaltungsakts überzeugt. Als "überzeugt" von der Unrechtmäßigkeit der früheren Entscheidung ist der Versicherungsträger anzusehen, wenn die Unrechtmäßigkeit so offensichtlich ist, daß er dies bei erneuter Prüfung hätte erkennen müssen (BSG 19, 38). Die Klägerin weist zwar wiederholt darauf hin, es sei nicht nachgewiesen, daß sie einen Verwaltungsakt über die Aufnahme der beiden Glaswerke erhalten habe. Es kann hier dahinstehen, ob die Klägerin einen gesonderten Verwaltungsakt über die Aufnahme dieser Werke in das Betriebsverzeichnis der Beklagten erhalten hat. Jedenfalls spätestens in dem ersten Beitragsbescheid der Beklagten lag jedoch zugleich die Mitteilung über die Aufnahme in das Betriebsverzeichnis der Beklagten.

Ein weiterer gesetzessystematischer Grund spricht für die vom Senat für zutreffend erachtete Auslegung des Tatbestandsmerkmals unrichtig im Sinne des § 664 Abs. 3 RVO. Der Senat hat bereits dargelegt, daß die ursprünglich in § 666 RVO aF zusammengefaßten Fälle der Unrichtigkeit des Unternehmerverzeichnisses von Anfang an und der späteren Unrichtigkeit wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse aus Gründen der Gesetzessystematik nunmehr durch das UVNG zutreffend in verschiedenen Vorschriften geregelt sind. Dies darf jedoch nicht dazu führen, die zum Teil gleichen Grundgedanken zu übersehen. Rechtsprechung, Schrifttum und Praxis nehmen, wie der Senat ebenfalls schon in seinem Urteil vom 28. November 1961 (aaO S. 289) ausgeführt hat, nunmehr schon seit mehreren Jahrzehnten übereinstimmend eine die Zuständigkeit einer BG berührende Änderung in den Verhältnissen nur an, wenn diese Änderung der Verhältnisse wesentlich ist (Schiedsstelle EuM 27, 213, 214; 30, 10, 11; Brackmann aaO S. 518; Lauterbach aaO § 667 Anm. 3 Buchst. a; Bereiter-Hahn/Schieke aaO; RVO-Mitglieder-Kommentar aaO § 666 Anm. 1 und § 668 Anm. 1 b). Auch dieser die Grundsätze der Katasterrichtigkeit und der Katasterstetigkeit angemessen berücksichtigenden Gesetzesauslegung würde es jedoch widersprechen, und zwar bei einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse eine wesentliche Änderung zu fordern, dagegen bei einer Unrichtigkeit des Unternehmerverzeichnisses von Anfang an jeden auch nur geringen Zweifel an der Zuständigkeit ausreichen zu lassen, um eine neue Entscheidung über die Zuständigkeit der BG herbeizuführen.

Der Entstehungsgeschichte sind gleichfalls keine ausreichende Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß die bis zum Inkrafttreten des UVNG seit vielen Jahren von der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis angewandten Grundsätze bei der Anwendung des § 664 Abs. 3 RVO unberücksichtigt bleiben sollen. Der Gesetzgeber hat lediglich eine neue zutreffende Systematisierung durchgeführt. Auch nach der vom Senat bereits wiederholt zitierten amtlichen Begründung in § 667 RVO ist damit aber keine von der bisherigen Rechtslage abweichende inhaltliche Neuregelung gewollt gewesen, vielmehr sollte der Fall, daß das Unternehmerverzeichnis von Anfang an unrichtig war, nunmehr systemgerechter in § 664 Abs. 3 RVO und nicht mehr wie bisher in einer Vorschrift mit den Fällen der nachträglichen Änderung zusammen geregelt werden.

Einer Prüfung des vorliegenden Falles unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten steht nicht, wie die Beklagte meint, eine Verwirkung des Klagebegehrens entgegen. Die Voraussetzungen der Verwirkung sind nicht gegeben. Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie unterscheidet sich von der Verjährung dadurch, daß - entgegen der Auffassung der Beklagten - der bloße Zeitablauf nicht genügt, um die Ausübung des Rechts als unzulässig anzusehen (vgl. u. a. BSG 34, 211, 214). Zu dem Ablauf einer längeren Zeitspanne müssen besondere Umstände hinzutreten, welche die späte Geltendmachung des Rechts mit der Wahrung von Treu und Glauben als nicht vereinbar und dem Rechtspartner gegenüber wegen des illoyalen Verhaltens des Berechtigten nicht als zumutbar erscheinen lassen (BSG aaO). Außer dem Zeitablauf sind jedoch keine Umstände von der Beklagten vorgebracht oder auch sonst ersichtlich (s. BSG aaO S. 213), welche das Begehren der Klägerin und der Beigeladenen als mit der Wahrung von Treu und Glauben nicht vereinbar und dem Rechtspartner gegenüber, der eine Berichtigung im Sinne des § 664 Abs. 3 RVO auch von Amts wegen vorzunehmen hätte, wegen eines illoyalen Verhaltens der Klägerin und der Beigeladenen nicht als zumutbar erscheinen lassen.

Für eine abschließende Entscheidung, ob die Eintragung der Werke A und N auf einem gröblichen Irrtum beruht, so daß die weitere Belassung des Betriebes bei der Beklagten der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung eindeutig zuwiderlaufen würde, oder schwerwiegende Unzuträglichkeiten vorlägen, fehlen dem Senat jedoch die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen (vgl. dazu auch Schiedsstelle EuM 45, 173, 176). Das LSG hat lediglich ausgeführt, daß es sich bei diesen Werken um Glaswerke handelt, die Glashüllen für elektrische Lampen produzieren. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um die Zuständigkeit der Beklagten oder der Beigeladenen aufgrund des § 646 RVO i. V. m. dem Bundesrats-Beschluß vom 21. Mai 1885 (AN S. 143; s. BSG SozR Nr. 1 zu § 646 RVO) und den Satzungen der Beklagten und der Beigeladenen anzunehmen (s. dazu RVA EuM 16, 132; vgl. auch Schiedsstelle EuM 39, 273 und 279, 281; RVA-Mitglieder-Kommentar, 2. Aufl., § 631 Anm. 1, 2 a; Schrader-Strich, Die deutsche Unfallversicherung, § 631 Anm. 10 Buchst. c). Die Klägerin und die Beigeladene haben außerdem wiederholt dargelegt, daß es sich bei diesen Werken nur um Produktionsstätten der Beklagten handelt. Es fehlen insoweit auch die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen für eine Entscheidung, ob- falls an sich die Zuständigkeit der Beklagten nach § 646 RVO gegeben wäre - die Beigeladene nicht gemäß § 647 Abs. 1 RVO der zuständige Versicherungsträger ist (s. u. a. RVA AN 21, 157; 35, 280; EuM 17, 88). Die Feststellung des LSG auf Seite 8 seines Urteils, die Werke hätten im Jahre 1969/70 zwischen 9 bis 28 v. H. ihrer Erzeugnisse auch an fremde Werke verkauft, schließt allein nicht aus, daß die Werke A und N keine Produktionsstätten eines einheitlichen Unternehmens und auch keine Bestandteile eines Gesamtunternehmens oder Nebenunternehmen sind (s. Schiedsstelle EuM 27, 213, 215).

Das Urteil des LSG war deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei wird ggf. auch zu prüfen sein, ob die bisherigen Anträge der Klägerin und der Beigeladenen, die beiden angeführten Glaswerke der Klägerin an die Beigeladene zu überweisen und nicht nur das Unternehmerverzeichnis der Beklagten zu berichtigen, durch § 664 Abs. 3 RVO gedeckt wären.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1648380

BSGE, 187

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