Beteiligte

Kläger und Revisionsbeklagter

Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I.

Umstritten ist ein Anspruch auf Krankengeld.

Der Kläger, jugoslawischer Staatsangehöriger, war ab Oktober 1975 als Kraftfahrzeugmechaniker bei der Firma Autohaus G … (Fa. G) in S … beschäftigt und deshalb Pflichtmitglied der beklagten Ortskrankenkasse. Am 5. Juli 1976 kündigte seine Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 20. Juli 1976. Wenige Tage vorher hatte der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten, der eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 18. Juli 1976 zur Folge hatte. Mit Schreiben vom 16. Juli 1976 teilte ihm seine Arbeitgeberin mit, es stünden ihm noch neun Urlaubstage zu (tatsächlich hatte er noch Anspruch auf 16 Urlaubstage), das Arbeitsverhältnis ende daher erst am 29. Juli 1976; seine Papiere könne er am 9. August 1976 (1. Arbeitstag nach den Betriebsferien) abholen. In die Versicherungskarte trug sie schließlich den 9. August 1976 als Ende des Beschäftigungsverhältnisses ein. Am 19. Juli 1976 fuhr der Kläger nach Jugoslawien, wo er am 27. Juli 1976 auf der Rückfahrt in die Bundesrepublik einen Verkehrsunfall erlitt. Nach einer Auskunft der kommunalen Sozialversicherungsanstalt Krusevac/Jugoslawien war er nach einer bis zum 19. August 1976 dauernden stationären Krankenhausbehandlung noch bis zum 15. November 1976 arbeitsunfähig.

Seinen Antrag auf Gewährung von Krankengeld lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, er sei infolge der Kündigung seiner Arbeitgeberin zum 20. Juli 1976 bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit am 27. Juli 1976 nicht mehr Mitglied der Kasse gewesen. Dem stehe nicht entgegen, daß ihn seine Arbeitgeberin erst zum 9. August 1976 abgemeldet habe. Auch die Gewährung von Urlaub habe das Arbeitsverhältnis nicht über den 20. Juli 1976 hinaus verlängert, denn der restliche Urlaubsanspruch sei nach § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) abzugelten gewesen.

Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Vor dem Sozialgericht (SG) hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte könne sich schon deshalb nicht auf eine Beendigung der Mitgliedschaft zum 20. Juli 1976 berufen, weil sie am 16. Juli 1976 einen Auslandskrankenschein mit Gültigkeit bis zum 29. Juli 1976 ausgestellt habe; im übrigen stehe ihm ein Krankengeldanspruch nach Art 14 Abs. 1 Buchst b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (deutsch-jug. SozVersAbk) zu. Demgegenüber hat die Beklagte eingewandt, die von ihr ausgestellte Bescheinigung beruhe auf den unrichtigen Angaben der Arbeitgeberin und erstrecke sich zudem nur auf Sachleistungen; ein nachgehender Anspruch gemäß § 214 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) scheide aus, weil die Voraussetzungen des Art 14 Abs. 1 Buchst c deutsch-jug. SozVersAbk nicht erfüllt seien. Zum gleichen Ergebnis ist das SG gekommen. Es hat seine Auffassung, das Arbeitsverhältnis sei zum 20. Juli 1976 beendet worden, vor allem darauf gestützt, daß die Arbeitgeberin trotz des dem Kläger noch zustehenden Urlaubs nicht den Willen gehabt habe, das Arbeitsverhältnis über diesen Tag hinaus fortzusetzen.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG und die diesem zugrunde liegenden Verwaltungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 10. August bis 15. November 1976 verurteilt. Nach dem deutsch-jug. SozVersAbk sei der vom Kläger erhobene Anspruch gemäß den in der Bundesrepublik geltenden Vorschriften zu beurteilen (Art 3 und 4 - die einschränkende Bestimmung des Art 14 finde keine Anwendung). Der Anspruch stehe dem Kläger zu, denn er sei zur Zeit des Unfalls am 27. Juli 1976 noch Mitglied der Beklagten gewesen. Seine Arbeitgeberin habe mit Schreiben vom 16. Juli 1976 das ursprünglich auf den 20. Juli 1976 festgesetzte Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum 29. Juli 1976 hinausgeschoben. Eine solche Verlängerung des Arbeitsverhältnisses sei im Einvernehmen beider Parteien möglich. Das Schweigen des Klägers sei hier als Zustimmung zu werten. Dies ergebe sich aus seinem Verhalten (Antritt der Reise nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 19. Juli und Antritt der Rückreise am 27. Juli 1976). Einer ausdrücklichen Erklärung habe es nicht bedurft. Die Annahme eines Vertragsangebotes brauche dem Antragenden gegenüber nicht erklärt zu werden, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten sei. Das treffe hier zu. Aus der vom LSG eingeholten Auskunft des Verbandes des Kfz-Gewerbes Nordbaden-Württemberg e.V. vom 8. Mai 1978 ergebe sich die Verkehrssitte, daß auf ein Schreiben wie das der Firma G. vom 16. Juli 1976 weder eine Antwort erwartet werde noch eine solche üblich sei. Ohne Bedeutung sei auch, daß die Firma G. nur deshalb den Kündigungstermin nachträglich hinausgeschoben habe, weil von ihr § 7 Abs. 4 BUrlG (Möglichkeit der Urlaubsabgeltung) übersehen worden sei; denn sie habe die Vereinbarung nicht angefochten. Nun ergebe sich zwar aus dem Weiterbestehen des Dienstverhältnisses im arbeitsrechtlichen Sinne nicht ohne weiteres auch eine Verlängerung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses i.S. des Krankenversicherungsrechts. Dieses setze grundsätzlich die Eingliederung in den Betrieb, die Unterordnung unter die Dispositionsbefugnis des Arbeitgebers und die tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers voraus (BSGE 29p 30p 31). Es gebe jedoch Phasen, in denen diese Elemente schwächer in Erscheinung träten bzw. eingeschränkt seien, ohne daß die versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen werde (BSGE 26, 124ff.). Beim Urlaub handele es sich um eine solche Zeit. Das gelte auch, wenn der Urlaub an das Ende des Beschäftigungsverhältnisses gelegt werde. Im vorliegenden Fall habe die Arbeitgeberin die Arbeitspapiere behalten und sei daher ebenso wie der Kläger davon ausgegangen, daß die rechtlichen Beziehungen zwischen beiden noch nicht vollständig abgewickelt und gelöst seien. Der Kläger habe mit der Beschränkung seines Antrages auf Gewährung von Krankengeld für die Zeit ab 10, August 1976 dem Umstand Rechnung getragen, daß ihm bis zu diesem Zeitpunkt (ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses) der Resturlaub abgegolten worden sei.

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 182 Abs. 1 Nr. 2 und des § 165 Abs. 2 RVO. In ihrer Begründung wendet sie sich vor allem gegen die Annahme einer vertraglichen Verlängerung des Arbeitsverhältnisses. Fraglich sei bereits, ob in dem Schreiben der Firma G. vom 16. Juli 1976 ein entsprechendes Angebot gesehen werden könne, denn die Zahlung einer Urlaubsabgeltung spreche dagegen, und der Kündigungsgrund sei nicht entfallen. Jedenfalls habe der Kläger ein eventuelles Angebot nicht angenommen. Dem bloßen Schweigen könne die Bedeutung einer Annahmeerklärung nicht beigelegt werden, wenn keine Erklärungen vorangegangen und keine Anhaltspunkte gegeben seien, die auf einen entsprechenden Rechtsfolgewillen schließen ließen. Der Kläger habe weder bei seiner Abreise am 19. Juli 1976 zu erkennen gegeben noch seinen Rückreisetermin damit begründet, daß er die Arbeit bei der Firma G. wieder aufzunehmen beabsichtige; für den Kläger habe es auch keinen plausiblen Grund gegeben, bis zum 29. Juli 1976 zur Firma zurückzukehren, denn vom 19. Juli bis 9. August 1976 seien unstreitig Betriebsferien gewesen. Die zum Teil umstrittene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, das Schweigen auf ein Vertragsangebot sei unter bestimmten Voraussetzungen als Annahme zu werten, habe ihre Grundlage im Handelsrecht und sei auf das bürgerliche Recht, nur dann anzuwenden, wenn die Parteien den Kaufleuten ähnlich am Rechtsverkehr teilnähmen. Davon könne man im vorliegenden Fall nicht ausgehen. Im übrigen dürfe nicht übersehen werden, daß mit dieser Rechtsprechung der Antragende geschützt werden solle, die Firma G. aber dieses Schutzes nicht bedurft hätte. Sie habe auf eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger keinen Wert gelegt. Selbst bei Unterstellung eines arbeitsvertraglichen Verhältnisses über den 20. Juli 1976 hinaus, habe kein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis vorgelegen. Es habe weder auf der Arbeitgeber- noch auf der Arbeitnehmerseite eine Bereitschaft zur Weiterbeschäftigung bestanden. Die Ansicht des LSG, der Kläger habe sich auch während seines Aufenthalts in Jugoslawien in einem - wenn auch gelockerten - Weisungsverhältnis zur Firma G. befunden und sei in den Betrieb eingegliedert gewesen, sei nach den getroffenen Feststellungen nicht haltbar. Ein Anspruch des Klägers auf Krankengeld könne auch nicht aus § 214 Abs. 1 Satz 1 RVO hergeleitet werden. Dem stehe Art 14 Abs. 1 Buchst c des deutsch-jug. SozVersAbk entgegen.

Die Beklagte beantragt,

Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. August 1977 zurück das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Dezember 1978 aufzuheben und die zuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Die Folgerung, das Arbeitsverhältnis habe bis zum 29. Juli 1976 fortbestanden, lasse keinen Rechtsverstoß erkennen. Die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des LSG habe die Beklagte nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen, sie seien daher für das Revisionsgericht bindend. Das formale Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses hätte allerdings für sich allein nicht zur Bejahung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgereicht. Da dem Kläger aber Urlaubsvergütung für die fragliche Zeit gezahlt worden sei, habe es sich um ein entgeltliches und damit versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt.

Die Revision ist unbegründet.

Das LSG hat das materielle Recht, dessen Verletzung die Beklagte rügt, zutreffend angewandt. Die tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil werden nicht mit Revisionsrügen angegriffen, sie sind daher der Entscheidung des Senats zugrunde zu legen (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Aus ihnen ergibt sich, daß das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der Firma G., das zunächst von der Arbeitgeberin zum 27 Juli 1976 gekündigt worden war, durch eine vertragliche Vereinbarung um neun Urlaubstage bis zum 29. Juli 1976 verlängert werde. Die Beklagte bestreitet dies zwar, sie kann damit aber, wie darzulegen sein wird, in der Revisionsinstanz keinen Erfolg haben. Die Arbeitsunfähigkeit durch Unfall trat am 27. Juli 1976 ein, ereignete sich also zu einer Zeit, als der Kläger noch Pflichtmitglied der Beklagten war. Demzufolge stehen ihm ans diesem Ereignis die Regelleistungen der Krankenversicherung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu. Der hier umstrittene Anspruch auf Krankengeld entfällt nicht deshalb, weil der Kläger jugoslawischer Staatsangehöriger ist und den Unfall in seinem Heimatland erlitt. Nach Art 3 des deutsch-jug SozVersAbk steht der Kläger bei Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts grundsätzlich einem deutschen Versicherten gleich. Sein Anspruch auf Krankengeld ist nicht vom Inlandsaufenthalt und damit auch nicht von den im deutsch-Jug. SozVersAbk geforderten besonderen Voraussetzungen beim Aufenthalt im anderen Vertragsstaat abhängig (Art 14 i.V.m. Art 4 des deutsch-jug, SozVersAbk). Der Kläger begab sich nicht erst nach Eintritt des Versicherungsfalles in sein Heimatland; zudem hielt er sieh dort mit Zustimmung der Beklagten auf (ihm wurde unbestritten ein Auslandskrankenschein bis zum 29. Juli 1976 ausgestellt; die Ruhensvorschrift des § 216 Abs. 1 Nr. 2 RVO findet daher keine Anwendung. Da der Kläger zur Zeit des Unfalls noch Mitglied der Beklagten war, kommt auch ein Wegfall des Krankengeldanspruchs nach § 214 Abs. 3 Halbsatz 2 RVO nicht in Betracht (vgl. auch BSGE 31, 100ff.).

Die Festsetzung des LSG, daß das Arbeitsverhältnis nach der Kündigung, aber vor seinem Ende vertraglich bis zum 29. Juli 1976 verlängert wurde, ist nur in einem beschränkten Umfange einer revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich. Die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen nach §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist insoweit den Tatsacheninstanzen vorbehalten, als Tatfragen zu klären sind. Dazu gehören vor allem die Fragen, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt, welche Erklärung abgegeben worden ist, was der Erklärende gemeint hat und ob eine Verkehrssitte sowie sonstige Begleitumstände für die Erklärung von Bedeutung sind. In diesem Bereich hat sich die Überprüfung darauf zu beschränken, ob die von der Tatsacheninstanz vorgenommene Auslegung Rechtsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verletzt, Uneingeschränkt nachprüfbar ist dagegen die rechtliche Einordnung und Deutung der Willenserklärung (BSGE 43, 37, 39 = SozR 2200 § 1265 RVO Nr. 24; Soergel/Siebert/Hefermehl, Kommentar zum BGB, 17 Aufl., RdNr. 24 zu § 133).

Das LSG hat in dem an den Kläger gerichteten Schreiben der Firma G. vom 16. Juli 1976 ein Vertragsangebot des Inhalts gesehen, das Arbeitsverhältnis um neun Urlaubstage bis zum 29. Juli 1976 zu verlängern. Diese Auslegung verstößt gegen keine Rechtsgrundsätzen sie ist auch hinsichtlich der rechtlichen Deutung der Erklärung zu bestätigen. Das LSG geht bei seiner Auslegung zutreffend davon aus, daß nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu berücksichtigen ist, soweit er zum Ausdruck gebracht wurde, daß es aber bei einer empfangsbeürftigen Willenserklärung auch darauf ankommt, wie eine vernünftige Person in der Lage des Empfängers die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte (Soergel/Siebert/Hefemehl, a.a.O. RdNr. 11 zu § 133; BAG vom 2.3.1973 - 3 AZR 325/72 - AP Nr. 36 zu § 133 BGB). Unter Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ist das LSG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, daß die Firma G, bei Abfassung ihres Schreibens vom 16. Juli 1976 den Willen hatte, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum Zwecke der Urlaubsgewährung befristet fortzusetzen. Die von der Firma G. dem SG am 11. Juli 1977 erteilte Auskunft, sie sei erst später von der AOK auf die Möglichkeit der Urlaubsabgeltung hingewiesen worden, spricht ebenfalls dafür, daß sie zunächst nur die Möglichkeit der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gesehen hatte. Die weitere Folgerung des LSG, auch der Kläger habe das Schreiben der Firma G. vom 16. Juli 1976 in diesem Sinne verstanden, läßt sich mit seinem Verhalten ausreichend begründen. Er besorgte sich bei der Beklagten einen Auslandskrankenschein mit Gültigkeit bis 29. Juli 1976. Er begab sich dann in sein Heimatland und trat zwei Tage vor Ablauf der festgelegten Urlaubszeit die Rückreise an. Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 20. Juli 1976 hätte wohl nahegelegen, sich zunächst um einen neuen Arbeitsplatz und um die Sicherstellung des Sozialversicherungsschutzes zu bemühen.

Brachte aber die Firma G., wie das LSG bindend festgestellt hat, mit ihrem Schreiben vom 16. Juli 1976 den Willen zum Ausdruck, das Arbeitsverhältnis befristet zu verlängern, so kann diese Willenserklärung rechtlich nur als Vertragsangebot gedeutet werden. Ist eine Kündigung - wie hier - wirksam geworden, so kann sie nicht mehr einseitig zurückgenommen oder die Kündigungsfrist einseitig hinausgeschoben werden. Es kommt nur noch eine einverständliche, also vertragliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Diese ist rechtlich zulässig, sie kann auch stillschweigend vereinbart werden (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 3. Aufl., § 123 II 4; Soergel/Siebert/Wlotzke - Volze a.a.O., Vorbemerkung 37 zu § 620). Da also die Verlängerung eines gekündigten Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber nicht einseitig verfügt werden kann, ist auch die einseitige Rücknahme einer solchen Verfügung nicht zulässig.

Gerechtfertigt ist schließlich auch die Schlußfolgerung des LSG, in Anbetracht der besonderen Umstände bedeute das Schweigen des Klägers eine Annahme des Vertragsangebotes. Die Verlängerung eines vom Arbeitgeber bereits gekündigten Arbeitsverhältnisses, die lediglich die Gewährung des Urlaubs ermöglichen soll, liegt so offensichtlich im Interesse des Arbeitnehmers, daß seine Zustimmung zu dieser Verlängerung (nicht zu der vorausgegangenen Kündigung!) vermutet werden kann. Dem entspricht die vom LSG festgestellte Verkehrssitte im Bereich des örtlichen Kraftfahrzeuggewerbes, wonach auf ein Angebot, wie es in dem Schreiben der Firma G. vom 16. Juli 1976 enthalten ist, weder eine Antwort erwartet wird noch üblich ist. Wäre der Kläger mit der vorgeschlagenen Regelung nicht einverstanden gewesen, so hätte er ihr widersprechen müssen (Palandt/Heinrichs, Kommentar zum BGB, 39. Aufl., Vorbem 3b zu § 116; Soergel/Siebert/Hefermehl a.a.O., RdNr. 20 zu § 157). Von der Firma G. wurde das Schweigen des Klägers offensichtlich auch so aufgefaßt, denn sie meldete den Kläger nicht zum 20. Juli 1976, sondern - nachdem sich herausgestellt hatte, daß der Kläger nicht nur 9, sondern noch 16 Urlaubstage hatte - zum 9. August 1976 bei der Beklagten ab (s. Auskunft der Firma G. vom 11. Juli 1977 - Bl 20 Klageakte). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin eine weitere Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über den 29. Juli hinaus bis 9. August vereinbart wurde. Auf diesen Zeitabschnitt kommt es hier nicht an. Eine vertragliche Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 29. Juli 1976 ist jedenfalls vom LSG aufgrund der von ihm getroffenen Tatsachenfeststellungen zu Recht angenommen worden. Diese vertragliche Vereinbarung wurde von keiner Seite rechtswirksam angefochten. Die späteren Äußerungen der Firma G., bei Abfassung ihres Schreibens vom 16. Juli 1976 habe sie nicht gewußt, daß der restliche Urlaub abzugelten gewesen sei, sind rechtlich bedeutungslos. Eine Anfechtung ihres Vertragsangebotes ist nicht behauptet worden. Es ist daher nicht zu prüfen, ob mit der angegebenen Begründung eine Anfechtung überhaupt möglich gewesen wäre und ob sich diese auf das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis ausgewirkt hätte. Keine Bedeutung ist schließlich dem Einwand der Beklagten beizumessen, im weiteren Verlauf der finanziellen Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin sei eine "Urlaubsabgeltung" vereinbart worden. Auf die von den Beteiligten verwendeten Begriffe kommt es hier nicht entscheidend an. Davon abgesehen hatte der Kläger einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses bis zum 29. Juli 1976, denn zu diesem Zeitpunkt stand ihm, wie sich herausgestellt hatte, noch ein weiterer Urlaubsanspruch zu.

Nun hat ein Vertrag über die Begründung oder Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres zur Folge, daß auch eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung entsteht oder fortbesteht. Grundlage dieser öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung ist nicht der zivilrechtliche Arbeitsvertrag, sondern die entgeltliche Beschäftigung (§ 165 Abs. 29 § 306 Abs. 1 RVO). Bei der Beschäftigung in diesem Sinne handelt es sich um die nichtselbständige Arbeit (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung), also um die in persönlicher Abhängigkeit ausgeübte Erwerbstätigkeit. Es kommt somit grundsätzlich nicht entscheidend auf eventuell getroffene vertragliche Absprachen, vielmehr auf die tatsächliche Beschäftigung an, die allein mit Abschluß eines Arbeitsvertrages noch nicht vorliegt, andererseits aber auch einen Arbeitsvertrag nicht unbedingt voraussetzt. Schrifttum und Rechtsprechung haben zunächst aber zu einseitig und eng begrenzt auf die tatsächliche Arbeitsleistung abgestellt und eine versicherungspflichtige Beschäftigung nur angenommen, solange wirklich Arbeit verrichtet und hierfür Lohn gewährt worden ist. Schon das Reichsversicherungsamt hat jedoch sehr bald erkannt, daß dem der Sozialversicherung zugrunde liegenden Schutzbedürfnis des Versicherten nicht ausreichend Rechnung getragen wird, wenn bei jeder Unterbrechung der Beschäftigung auch der Versicherungsschutz entfällt. Deshalb hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß unter Beschäftigung i.S. des § 165 RVO nicht die wirkliche Arbeitsleistung, sondern das Beschäftigungsverhältnis zu verstehen ist, das von den Merkmalen einer abhängigen Arbeit - insbesondere der Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers, der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers, der Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb - geprägt wird. Eine vorübergehende Unterbrechung der wirklichen Arbeitsleistung führt demnach nicht zu einer Unterbrechung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, wenn die Beteiligten den Willen haben, die Beschäftigung fortzusetzen, der Arbeitnehmer grundsätzlich dienstbereit ist und der Arbeitgeber grundsätzlich die Verfügungsbefugnis über den Arbeitnehmer behält (BSGE 1, 115ff. mwN). In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat der Senat vor allem in seinem Urteil vom 15. Dezember 1971 - 3 RK 87/68 - (BSGE 33, 254, 265ff.) die starke Verknüpfung des faktischen Beschäftigungsverhältnisses mit den rechtlichen Bindungen des Arbeitsverhältnisses dargelegt und als gesicherte Erkenntnis festgehalten, daß Grundlage der Versicherungspflicht nicht die tatsächliche Ausführung einer Arbeit, vielmehr das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ist, das durch Unterbrechungen der tatsächlichen Dienstleistung von relativ kurzer Dauer nicht berührt wird, sofern nur der grundsätzliche Arbeits- und Fortsetzungswille auf beiden Seiten gegeben ist (z.B. auch bei unbezahltem Urlaub, Streik und Aussperrung von begrenzter Dauer).

Nach diesen Grundsätzen kam das Fortbestehen des Krankenversicherungsverhältnisses während eines Erholungsurlaubs in der Regel nicht fraglich sein, wird doch mit ihm die Beschäftigung nur zum Zwecke der Erholung vorübergehend unterbrochen. Anders liegen die tatsächlichen Verhältnisse allerdings, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem noch zustehenden Urlaub beendet werden soll. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben dann bei Einstellung der Arbeitsleistung gerade nicht den Willen, das Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis (nach dem Urlaub) fortzusetzen. Gleichwohl kann auch in einem solchen Fall dem Arbeitnehmer der Krankenversicherungsschutz nicht versagt werden. Es läßt sich nicht begründen, den Erholungsurlaub hinsichtlich der Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der gesetzlichen Krankenversicherung unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, in welchem Zeitabschnitt des Arbeitsverhältnisses der Urlaub gewährt wird. Alle wesentlichen Gesichtspunkte sprechen dafür, den Erholungsurlaub generell in die krankenversicherungspflichtige Beschäftigung einzubeziehen.

Der Anspruch auf Erholungsurlaub ist ein einheitlicher Anspruch auf Freizeitgewährung und Fortzahlung der Vergütung (vgl. Dersch-Neumann, Bundesurlaubsgesetz Kommentar, 5. Aufl., RdNr. 68 zu § 1). Der Arbeitnehmer ist von allen Pflichten der Arbeitsleistung völlig freizustellen (Dersch-Neumann a.a.O., RdNr. 34 zu § 1), der Arbeitgeber hat aber die ihm obliegende Leistung der Entgeltzahlung zu erbringen. Dieser Zusammenhang von Freizeitgewährung und Entgeltfortzahlung macht deutlich, daß der Erholungsurlaub das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses voraussetzt, also keinesfalls diesem entgegensteht. Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob der Erholungsurlaub mitten im Arbeitsverhältnis oder an dessen Ende liegt. Nur wenn und soweit der Urlaub nicht mehr während des Arbeitsverhältnisses gewährt werden kann, ändert sich die Rechtsnatur des Anspruchs. Die nun zustehende Urlaubsabgeltung (§ 7 Abs. 4 des BUrlG) ist lediglich ein Ersatz für die dem Arbeitnehmer zu gewährende Freizeit und steht der Freizeitgewährung während des Arbeitsverhältnisses nicht gleich, insbesondere wird das Arbeitsverhältnis nicht um den Zeitraum verlängert, für den die Urlaubsabgeltung gewährt wird (Dersch-Neumann a.a.O., RdNr. 112 zu § 7).

Ebenso wie das arbeitsrechtliche Dienstverhältnis (Arbeitsverhältnis) während des Erholungsurlaubs fortbesteht, bleibt auch das für die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung maßgebende tatsächliche Beschäftigungsverhältnis aufrechterhalten Dieses wird von den urlaubsrechtlichen Folgerungen des Arbeitsverhältnisses nicht aufgehoben, sondern bestätigt. So ergibt sich aus dem Recht des Arbeitgebers, den Urlaub des Arbeitnehmers zeitlich festzulegen (die Interessen des Arbeitnehmers sind lediglich zu berücksichtigen - § 7 Abs. 1 BUrlG), daß die Urlaubsgewährung in zeitlicher Hinsicht der Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers unterliegt (Bobrowski/Gaul, Das Arbeitsrecht im Betrieb, 7. Aufl., Abschn. F IV RdNr. 14). Mit der Bestimmung der Urlaubszeit soll der Ablauf der tatsächlichen Beschäftigung geregelt, aber nicht das Beschäftigungsverhältnis als solches beeinträchtigt werden. Die dem Arbeitgeber überlassene Entscheidung kam nur die Urlaubsgewährung betreffen, das Beschäftigungsverhältnis im übrigen und den mit ihm verbundenen Krankenversicherungsschutz nicht berühren. Des weiteren macht der Zweck des gesetzlich garantierten Urlaubsanspruches deutlich, daß das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis durch die Urlaubsgewährung, insbesondere durch die dem Arbeitgeber überlassene Bestimmung der Urlaubszeit keine Beeinträchtigung erfahren kann. Der Arbeitnehmer soll die Freizeit zur Erholung erhalten. Er darf daher während des Urlaubs keine diesem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit ausüben BUrlG). Daraus ergibt sich zunächst, daß der Arbeitnehmer auch während des Urlaubs aus dem Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis verpflichtet, ihm also unterworfen ist. Vor allem aber ist zu beachten, daß der Zweck des Urlaubs nur erreicht werden kam, wenn der Krankenversicherungsschutz, also auch das ihn gewährende Beschäftigungsverhältnis fortbesteht. Anderenfalls wäre der Arbeitnehmer zur Sicherstellung des Krankenversicherungsschutzes genötigt, während des Urlaubs eine andere versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben, was dem § 8 BUrlG widerspräche, oder, was dem Arbeitnehmer nicht zumutbar wäre, auf eigene Kosten für einen Krankenversicherungsschutz zu sorgen.

Steht somit feste daß sich ein krankenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich auch auf einen Erholungsurlaub am Ende eines Arbeitsverhältnisses erstreckt, so muß dies ebenfalls dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Falle - das Arbeitsverhältnis vor seiner zunächst vorgesehenen Beendigung nur zum Zwecke der Urlaubsgewährung vertraglich verlängert wird. Normalerweise hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, daß der Arbeitnehmer seinen Erholungsurlaub während des Arbeitsverhältnisses erhält. Nur wenn das nicht möglich ist, kommt eine Urlaubsabgeltung in Betracht. Hierbei handelt es sich aber lediglich um eine Ersatzleistung, die die Unmöglichkeit der Verwirklichung des Urlaubsanspruches - der Freizeitgewährung während des unter Versicherungsschutz stehenden Beschäftigungsverhältnisses - voraussetzt. Es sind keine Gründe ersichtlich, die es Arbeitgeber und Arbeitnehmer verwehren könnten, durch eine rechtlich zulässige Verlängerung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit dafür zu schaffen, anstelle der Ersatzleistung der Urlaubsabgeltung die vorrangige Leistung der Urlaubsgewährung zu verwirklichen. Eine zu diesem Zwecke getroffene Vereinbarung entspricht der Absicht des Gesetzes, im Rahmen des Möglichen sicherzustellen, daß der Arbeitnehmer seinen Erholungsurlaub auch tatsächlich erhält. Mit einer solchen Vereinbarung wird dem besonderen Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers und der dementsprechenden Fürsorgeverpflichtung des Arbeitgebers Rechnung getragen. In § 60 des Seemannsgesetzes ist sogar für diesen Rechtsbereich ausdrücklich vorgeschrieben, daß ein Urlaub, der wegen Beendigung des Heuerverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann, nur dann abgegolten werden darf, wenn eine Verlängerung des Heuerverhältnisses infolge Eingehens eines neuen Heuer- oder sonstigen Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist. Die früher geltenden Urlaubsgesetze der Bundesländer enthielten zum Teil ähnliche Regelungen (z.B. § 6 Satz 3 des Urlaubsgesetzes der Freien Hansestadt Bremen vom 4, Mai 1948 - GBl 1948, 67). Nach dem BUrlG wird zwar weder das Arbeitsverhältnis um den noch zustehenden Urlaub kraft Gesetzes verlängert noch der Arbeitgeber zu einer entsprechenden Verlängerung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Das Gesetz schließt aber auch keineswegs eine solche vertragliche Verlängerung des Arbeitsverhältnisses aus (BAG vom 20.10.1967 - 3 AZR 467/66 - AP Nr. 30 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Diese Verlängerung des Arbeitsverhältnisses erfaßt auch das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis. Der Verlängerungsgrund, die Urlaubsgewährung, zwingt zu keiner anderen Beurteilung.

Aus diesen Gründen ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.3 RK 9/79

Bundessozialgericht

Verkündet am 26. März 1980

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518606

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