Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abgrenzung der Begriffe des Gemeinsamen Zolltarifs "Maschinen" und "Teile" von Maschinen.

2. Zur Tarifierung von Modulen, die in andere Maschinen eingebaut werden und dort als Universal-Sichtgeräte zum Darstellen von Informationen und Graphiken dienen sollen.

 

Normenkette

GZT Tarifnr 84.55 Tarifst C; GZT Tarifnr 85.22 Tarifst C-2; GZT Tarifnr 85.28; GZT Abschn. 16 Vorschr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin beantragte am 7.Februar 1985 die Erteilung von verbindlichen Zolltarifauskünften (vZTA) über als "X Module Y-Series" und als "Graphic Module Series" bezeichnete Waren (im folgenden X Module bzw. Graphic Module genannt). Beide Module sollen aus dem Ursprungsland Japan eingeführt werden. Die X Module sollen in unterschiedlichen Geräten (z.B. elektronische Schreibmaschinen, Registrierkassen) zum Darstellen von wechselnden Texten und Informationen in Form von Ziffern, Buchstaben und Sonderzeichen verwendet werden. Die Graphic Module sind nach Auffassung der Beklagten (Oberfinanzdirektion --OFD--) zum Einbau in unterschiedliche Geräte, nach Auffassung der Klägerin hauptsächlich zum Einbau in Büromaschinen bestimmt. Sie sollen als Universal-Sichtgeräte zum Darstellen von alphanumerischen Informationen und Graphiken verwendet werden.

Beide Gerätearten bestehen im wesentlichen aus einer Glühkathodenröhre mit mehreren getrennten Anzeigestellen bzw. mit einer Anzeigefläche in Matrixkonfiguration und einer aus aktiven und passiven Bauelementen (monolithische integrierte Schaltungen, Transistoren, Dioden, Widerstände, Kondensatoren, Frequenzkristalle usw.) aufgebauten Treiberschaltung. Die Glühkathodenröhre und die Treiberschaltung sind auf einer gedruckten Schaltung bzw. auf zwei gedruckten Schaltungen aufgelötet. Die Module sind zum Einbau in andere Geräte bestimmt und besitzen dementsprechend keine eigenen Gehäuse. Die gläsernen Abdeckplatten über den Anzeigefeldern sind so bemessen, daß sie in die Sichtfenster der Gehäuse der Maschinen passen, für die sie bestimmt sind. Da die Module über keine eigene Stromversorgung verfügen, können sie nur in Betrieb genommen werden, wenn sie zuvor fest montiert worden sind. Sie dienen als sog. Displays der optischen Darstellung von Informationen, die die Geräte liefern, in die sie im Einzelfall eingefügt werden.

Die OFD erteilte über die Module unter dem 28.Juni 1985 zwei vZTA und wies die Waren der Tarifst. 85.22 C II ("Elektrische Maschinen, Apparate und Geräte, in Kapitel 85 anderweit weder genannt noch inbegriffen ... andere") des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein mit dem Begehren, die Waren der Tarifst. 84.55 C GZT ("Teile und Zubehör ..., erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Maschinen und Apparate der Tarifnrn. 84.51, 84.52, 84.53 und 84.54 bestimmt ... andere") zuzuweisen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Klagen sind unbegründet.

Die OFD hat die streitbefangenen Module zu Recht der Tarifnr. 85.22 GZT zugewiesen. Die Waren sind elektrische Maschinen im Sinne dieser Tarifnummer. Als Teile im Sinne der Tarifnr. 84.55 GZT (oder der Vorschrift 2 zu Abschn. XVI bzw. der Tarifnr. 85.28 GZT) können sie nicht angesehen werden.

Ob eine Ware als Maschine (bzw. Apparat oder Gerät) oder als Teil einer solchen anzusehen ist, entscheidet sich danach, ob sie eine eigene Funktion besitzt. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird bestätigt durch die Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens (ErlNRZZ), die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des erkennenden Senats als maßgebliche Erkenntnismittel für die Auslegung des GZT dienen können (vgl. Erläuterungen zum Zolltarif --ErlZT-- zur Tarifnr. 85.22 Teil I Rdnr.2 in Verbindung mit ErlZT zur Tarifnr. 84.59 Teil I Rdnr.9 ff.). Es können auch Maschinen als mit eigener Funktion ausgestattet angesehen werden, die ihre Funktion nur ausüben können, wenn sie zuvor in eine andere Maschine eingebaut worden sind (ErlZT zur Tarifnr. 84.59 Teil I Rdnr.14). Voraussetzung dafür ist nach den zuletzt zitierten Erläuterungen allerdings, daß

"ihre Funktion

1. sich deutlich von der Funktion der Maschine, des

Apparates, des mechanischen Gerätes oder der Einheit

unterscheidet, an die sie angebaut bzw. in die sie

eingebaut werden sollen, und

2. nicht als integrierter und untrennbarer Teil des

Funktionsablaufes in der Maschine, im Apparat, im

mechanischen Gerät oder in der Einheit anzusehen ist."

Diese Voraussetzungen erfüllen die streitbefangenen Geräte. Diese haben die Funktion, auf Displays die Informationen darzustellen, die die Maschinen erarbeitet haben und liefern, in die sie eingebaut werden. Diese Funktion unterscheidet sich von der Funktion der letztgenannten Maschinen. Diese sollen Operationen durchführen, die zum Erhalt der Information dienen, die dann dargestellt werden sollen. In diese Funktion greifen die Module nicht ein.

Die Funktion der streitbefangenen Geräte ist nicht als integrierter und untrennbarer Teil der Funktion der Maschinen anzusehen, in die sie eingebaut werden sollen. Diese Maschinen üben ihre Funktion zur Erarbeitung bestimmter Informationen unabhängig von der Funktion der Module aus. Deren Funktion ist keine unerläßliche Voraussetzung für die Durchführung der Funktion der genannten Maschinen. Das wird schon dadurch deutlich, daß die Auswertung der von den Maschinen erarbeiteten Informationen nicht nur mit Hilfe der Module möglich ist. Vielmehr sind andere Arten der Auswertung denkbar, z.B. das unmittelbare Einbringen der Informationen in einen Speicher, aus dem sie erst später abgerufen werden. Unabhängig von der Art und Weise des Abrufs der erarbeiteten Informationen üben die Maschinen ihre Funktion, eben diese Erarbeitung, aus.

Daran ändert der Umstand nichts, daß diese Funktion erst sinnvoll wird durch Zusatz eines Geräts, das es ermöglicht, die erarbeiteten Informationen nutzbar zu machen. Auch die Funktion der Module wird erst sinnvoll, wenn ihnen Informationen zugeführt werden, für deren Display sie sorgen sollen. Es gibt zahlreiche Waren, die zweifelsfrei Maschinen eigener Funktion sind, sinnvoll aber nur mit Hilfe anderer Maschinen genutzt werden können (z.B. Motoren, Drucker für automatische Datenverarbeitungsmaschinen). Die Möglichkeit der sinnvollen Nutzung in diesem Sinne ist also nicht Voraussetzung für die Annahme, daß eine Ware eine Maschine mit eigener Funktion ist.

Die Klägerin beruft sich darauf, die Module seien dem Vergaser eines Verbrennungsmotors vergleichbar, der, obwohl sich seine Funktion von der des Motors unterscheide, nach den Erläuterungen keine eigene Funktion ausübe, weil er mit seiner Funktion in der Funktion des Motors aufgehe (vgl. ErlZT zur Tarifnr. 84.59, Teil I Rdnr.19). Die Klägerin verkennt aber, daß der Verbrennungsmotor ohne den Vergaser (oder z.B. ohne die an dessen Stelle verwendete Einspritzvorrichtung) seine Funktion von vornherein nicht erfüllen kann. Die Funktion des Vergasers (oder der Einspritzvorrichtung) ist also untrennbarer Teil des Funktionsablaufs des Verbrennungsmotors; ohne eine solche Vorrichtung läßt er sich nicht in Bewegung setzen. Die Funktion der Maschinen, in die die Module eingebaut werden sollen, ist dagegen unabhängig von der Funktion der Module. Auch wenn diese nicht vorhanden sind, sind die Maschinen in der Lage, bestimmte Informationen zu erarbeiten. Lediglich die Verwertung des Produktes dieser Arbeit bedarf zusätzlicher Geräte, wie z.B. des Einbaus der Module. Deren Funktion ist also nicht in die Funktion der Maschinen integriert.

Zu Unrecht beruft sich die Klägerin für ihre Auffassung auf eine Reihe von Zollaussetzungen, die in den Text des Deutschen Gebrauchs-Zolltarifs 1986 unter der Tarifnr. 84.55 aufgenommen worden sind (z.B. Codenr. 84.55 69 010: "Zollaussetzung für Punktmatrix-Anzeigen ..."). Maßgebend für die Tarifierung einer Ware ist allein der GZT in seiner im jeweils maßgebenden Zeitpunkt geltenden Fassung, und zwar kommt es, wie sich aus den Allgemeinen Tarifierungsvorschriften (ATV) 1 Satz 2 ergibt, "auf den Wortlaut der Tarifnummern, die Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln sowie die Allgemeinen Tarifierungs- Vorschriften" an. Im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung der OFD (15.Juli 1986) galt der GZT in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3331/85 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 331/1). Der Wortlaut der Tarifnr. 85.22 in dieser Fassung enthielt --genausowenig wie der Wortlaut des GZT in der zur Zeit geltenden Fassung (Verordnung (EWG) Nr. 3618/86, ABlEG L 345/1)-- irgendeinen Hinweis auf die Zollaussetzungen, auf die sich die Klägerin bezieht.

Danach besitzen die Module eine eigene Funktion. Sie sind also elektrische Maschinen (bzw. Apparate oder Geräte) und kein Teil davon. Das gilt trotz der Tatsache, daß sie keine Gehäuse besitzen (vgl. ATV 2a und Urteil des Senats vom 26.November 1985 VII K 19/84, BFHE 145, 280, 283) und ohne eigene Stromversorgung sind. Ohne Bedeutung für die Tarifierung ist auch, daß die Module bereits zum Einbau in bestimmte Geräte hergerichtet sind. Da die Module demnach Maschinen und keine Maschinenteile darstellen, sind sie von den Tarifnrn. 84.55 bzw. 85.28 GZT nach dem Wortlaut dieser Vorschriften ausgeschlossen. Aus dem gleichen Grund findet auf sie die Vorschrift 2 zu Abschn. XVI GZT, die das Vorliegen von Maschinenteilen voraussetzt, keine Anwendung. Es bedarf daher keines Eingehens auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Module für Maschinen der Tarifnrn. 84.51 bis 84.54 GZT bestimmt bzw. Teile sind, die sich im Sinne der Vorschrift 2 Buchst.a zu Abschn. XVI GZT als Waren der Tarifnr. 85.22 GZT darstellen.

Nach allem sind die Module, da sie anderweit weder genannt noch inbegriffen sind, unter die Tarifnr. 85.22 GZT und dort unter die Stelle C II einzuordnen, wie das die OFD in den angefochtenen vZTA getan hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61936

BFHE 150, 104

BFHE 1987, 104

HFR 1987, 538-539 (ST)

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