Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Voraussetzung für die Zuerkennung der Umsatzsteuervergünstigung nach § 3 Abs. 1 des Berlin-Hilfegesetzes, daß die Lieferergegenstände in das Bundesgebiet gelangt sein müssen, z. B. bei Verlust der Ware durch höhere Gewalt.

Gesetz zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) in der Fassung vom 7. März 1950 (BGBl. 1950

 

Normenkette

BHG § 3/1; BerlinFG 2/1

 

Tatbestand

Die Beschwerdegegnerin (Bgin.), die im Bundesgebiet ein Aluminiumschmelzwerk betreibt, hat von einem West-Berliner Unternehmer Aluminiumlegierungsblöcke erworben für das gezahlte Entgelt die Umsatzsteuervergünstigung nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin in der Fassung vom 7. März 1950 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - 1950 S. 41) beantragt. Das Finanzamt hat diesen Antrag abgelehnt, weil die Liefergegenstände, die an der Zonengrenze durch die sowjetische Besatzungsmacht beschlagnahmt worden sind, nicht in das Bundesgebiet gelangt seien, wie es das Berlin-Hilfegesetz vorschreibe.

Die hiergegen gerichtete Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht hat auf Grund eingehender Ermittlungen festgestellt, daß das für die Umsatzsteuervergünstigung in Betracht kommende Geschäft den geltenden wirtschaftlichen und besatzungsrechtlichen Bestimmungen entsprechend in einwandfreier Weise getätigt worden ist. Es ist nach Auffassung des Finanzgerichts auch kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß die von der sowjetischen Besatzungsmacht beschlagnahmten Gegenstände in irgendeiner Form der Berliner Wirtschaft wieder zugeführt worden seien. Bei diesem Sachverhalt ist die Vorentscheidung unter Berufung auf § 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) zu dem Ergebnis gekommen, daß nach Sinn und Zweck des Berlin-Hilfegesetzes entgegen dessen Wortlaut die Umsatzsteuervergünstigung nach § 3 Abs. 1 a. a. O. zuzubilligen sei; der dort geforderten Voraussetzung, daß die Gegenstände in das Bundesgebiet gelangt sein müssen, sei Genüge getan, wenn sie nachweislich nicht der Wirtschaft von Groß-Berlin (West) oder der sowjetischen Zone zugeführt worden seien.

 

Entscheidungsgründe

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Die allein streitige Voraussetzung für die Zuerkennung der beantragten Umsatzsteuervergünstigung, daß die Liefergegenstände in das Bundesgebiet gelangt sein müssen, ist nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, wie auch das Finanzgericht anerkennt, nicht erfüllt. Eine vom Wortlaut eines Gesetzes abweichende Auslegung ist zwar nicht schlechthin ausgeschlossen (vgl. z. B. Bescheid und Urteil des Bundesfinanzhofs IV 206/52 U vom 3. Februar / 16. April 1953, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 166). Sie hat jedoch zur Voraussetzung, daß die wörtliche Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde, das vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs II z 43/50 S vom 16. November 1950, BStBl. 1951 III S. 3). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben, so daß die Auslegungsfähigkeit der Gesetzesbestimmung im Sinne der Vorentscheidung zu verneinen ist. Der Gesetzgeber hat bereits in der ersten hier anzuwendenden Fassung des Berlin-Hilfegesetzes vom 7. März 1950 den Bundesminister der Finanzen zur übernahme einer Bundesgarantie zur Sicherung des Warenbezugs aus Groß-Berlin (West) von 50 Millionen DM ermächtigt. Diese Bundesgarantie ist in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 1952 (BGBl. S. 390) auf 100 Millionen FM erhöht worden. Aus Mitteln dieser Bundesgarantie ist die Bfin. unstreitig in voller Höhe des Rechnungsbetrags für den durch die Beschlagnahme eingetretenen Verlust entschädigt worden. Der Gesetzgeber hat also von vornherein und später in steigendem Maße den im Warenverkehr mit Berlin bestehenden Unsicherheiten Rechnung getragen. Fälle der hier zu untersuchenden Art sind ihm zweifellos bekannt gewesen, ohne daß er sie bei den mehrfachen Neufassungen des Gesetzes zum Anlaß einer änderung im Sinne der Vorentscheidung gemacht hätte. Es ist deshalb durchaus denkbar, daß es der Gesetzgeber in Fällen unverschuldeter oder auf höherer Gewalt beruhender Warenverluste mit dem Ersatz des Schadens in Höhe des vom Warenbezieher in der Bundesrepublik aufgewendeten Rechnungsbetrags bewenden lassen wollte, daß er aber nicht noch den durch den entgangenen Gewinn und die anteiligen Gemeinkosten entstandenen Schaden, der jetzt von der Bfin. zur Stützung ihrer Auffassung geltend gemacht wird, durch Gewährung einer Umsatzsteuervergünstigung ausgleichen wollte. Enthält aber hiernach der § 3 Abs. 1 a. a. O., der in seinem Wortlaut keine Unklarheit erkennen läßt, eine durchaus mögliche und keineswegs sinnwidrige Regelung, so ist eine vom Wortlaut abweichende Auslegungsfähigkeit der Gesetzesbestimmung zu verneinen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 99/52 S vom 17. April 1953, BStBl. 1953 III S. 147).

Es sei noch auf folgendes hingewiesen: Bedenklich ist die Auffassung der Vorentscheidung, daß offenbar nicht nur bei Beschlagnahmen, sondern in allen Fällen, in denen der Warenverlust allein auf höherer Gewalt beruht, auf die hier streitige gesetzliche Voraussetzung verzichtet werden könnte. Dies würde zu einer nicht absehbaren Ausweitung der Steuervergünstigung führen. Bedenklich ist auch die Feststellung des Finanzgerichts, daß die beschlagnahmten Waren nicht der Wirtschaft von Groß-Berlin (West) oder der sowjetischen Zone zugeführt worden seien. Denn diese Feststellung gründet sich im wesentlichen darauf, daß ein Anhaltspunkt hierfür nicht vorliege und man erfahrungsgemäß auch nicht damit rechnen könne. Diese überlegungen dürften aber kaum zu einem einwandfreien Nachweis im Sinne der getroffenen Feststellung ausreichen.

Schließlich kann sich die Vorentscheidung auch nicht auf den Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 30. November 1950 III B - S 4167 - 57/50 (Umsatzsteuerkartei, S 4167, Karte 51 Ziff. 1) berufen. Denn die dort getroffene Regelung betrifft Reihengeschäfte, bei denen die Ware unmittelbar an den ausländischen Abnehmer geht. Nach § 5 Abs. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen besteht hier, wie die Rb. zutreffend hervorhebt, die gesetzliche Fiktion, daß die Ware über das Bundesgebiet in das Ausland gelangt ist.

Nach alledem war unter Aufhebung der Vorentscheidung der Umsatzsteuerbescheid des Finanzamts vom 21. Februar 1952 wiederherzustellen.

 

Fundstellen

BStBl III 1953, 307

BFHE 1954, 41

BFHE 58, 41

StRK, Ges z Förd d Wirtsch v Berlin (West) : 3 R 1

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