Entscheidungsstichwort (Thema)

Witwenpensionszahlungen

 

Leitsatz (NV)

Zahlungen einer Personengesellschaft an die Witwe eines ausgeschiedenen Gesellschafters aufgrund einer betrieblichen Versorgungszusage waren 1985 noch als Betriebsausgaben abziehbar.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2, § 4 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) -- seit 1978 eine GmbH & Co. KG -- war seit 1890 als OHG, seit 1958 als KG tätig. An ihr waren von 1930 bis 1977 A als Komplementär sowie -- seit 1972 -- sein Sohn B und seine spätere Schwiegertochter C als Kommanditisten beteiligt. In der Zeit von 1916 bis 1930 war A im Unternehmen der Klägerin als Angestellter beschäftigt.

Bereits in den Gesellschaftsverträgen von 1902 und 1938 war zugunsten der Witwen der Gesellschafter eine Gewinnbeteiligung bzw. eine Versorgungsrente vereinbart. In dem 1958 neugefaßten Vertrag, an dem neben den bisherigen, mit A nicht verwandten Gesellschaftern erstmals auch B mitgewirkt hat, wurde diese Regelung fortgeführt. Sie wurde 1967 erneut bestätigt. In §14 des 1972 neugefaßten Gesellschaftsvertrages wurde der Witwe des A "mit Rücksicht auf dessen über fünfzigjährige Tätigkeit in dem Unternehmen" wiederum eine lebenslängliche Versorgungsrente in Höhe von jährlich 9 000 DM, höchstens 20 v. H. des Reingewinns, zugesagt. A und B erhielten in der Folgezeit eine jährliche Tätigkeitsvergütung in Höhe von 15 000 DM.

A schied mit Wirkung zum 1. November 1977 im Alter von 79 Jahren aus der Gesellschaft aus. In diesem Zusammenhang bestätigte ihm die Klägerin erneut "folgende Versorgungszusage: Herr A und seine Ehefrau erhalten eine lebenslängliche Versorgungsrente in Höhe von 2 200 DM monatlich, erstmalig für den Monat November 1977. Nach dem Ableben eines Ehegatten ermäßigt sich die Versorgungsrente von dem auf das Ableben folgenden Monat auf 1 500 DM monatlich." Der nach dem Ausscheiden des Gesellschafters erneut geänderte Gesellschaftsvertrag weist auf diese Pensionsverpflichtung hin, enthält für die verbliebenen Gesellschafter aber eine vergleichbare Versorgungsregelung nicht mehr.

Der Gesellschaftsvertrag wurde in der Folgezeit entsprechend dieser Vereinbarung -- seit dem 1. Januar 1980 mit einverständlich herabgesetzten monatlichen Rentenbeträgen in Höhe von 1 900 DM -- vollzogen.

1981 verstarb A. Die Klägerin zahlte daraufhin an dessen Witwe 18 000 DM im Jahre 1985; die Zahlungen machte sie als Betriebsausgaben geltend. Sie vertrat dazu die Ansicht, daß sie an die Witwe eine betriebliche Versorgungsrente geleistet habe. Die 1977 begründete Rentenverpflichtung habe lediglich die bis dahin geltenden Rentenverpflichtungen abgelöst. Bei der Vereinbarung der Rentenbezüge seien die Lebensbedürfnisse der Ehegatten ausschlaggebend gewesen. Eine Abfindung für die stillen Reserven habe keine Rolle gespielt, weil der Gesellschaftsvertrag eine solche Abfindung nicht vorgesehen habe.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) war demgegenüber der Ansicht, daß eine betriebliche Versorgungsrente nicht vorliege. Der Barwert der Rente (rd. 166 000 DM) liege weit über den anteiligen stillen Reserven des Betriebsvermögens. Ggf. liege eine private Unterhaltsrente unter Angehörigen vor. Das FA erhöhte deshalb den Gewinn der Klägerin jeweils in Höhe der Pensionszahlungen.

Die Einsprüche und die Klage blieben erfolglos (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1997, 113).

Mit der -- vom Finanzgericht (FG) zugelassenen -- Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --).

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des FG aufzuheben und die Änderungsbescheide betreffend die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1985 (vom 3. Dezember 1990) sowie die zu diesen Bescheiden ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. August 1993 aufzuheben,

2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Die Klägerin konnte die Pensionszahlungen an die Witwe des Gesellschafters A im Streitjahr 1985 noch als Betriebsausgaben abziehen (§4 Abs. 4 EStG).

1. Es liegt eine betriebliche Versorgungsrente vor. Der Senat nimmt zur Begründung auf sein Urteil VIII R 56/96 vom 7. Oktober 1997 (BFH/NV 1998, 820) Bezug.

2. Die Zahlungen in Erfüllung der Pensionsverpflichtung waren bei der Klägerin als Betriebsausgaben abzuziehen (§4 Abs. 4 EStG).

a) Betriebliche Versorgungsrenten begründen im allgemeinen keine passivierbare Verbindlichkeit; vielmehr belasten die Rentenzahlungen als Betriebsausgaben das Wirtschaftsjahr, in dem sie geleistet werden. Denn mit diesen Renten soll der ausscheidende Gesellschafter zur Sicherung seines Lebensunterhalts angemessen an den künftigen Erträgen des Unternehmens beteiligt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 7. April 1994 IV R 56/92, BFHE 174, 163, BStBl II 1994, 740, unter I. 2. der Gründe). Solche Verbindlichkeiten sind grundsätzlich nicht passivierbar.

Eine passivierbare Verbindlichkeit liegt aber dann vor, wenn die Pensionsverpflichtung nicht davon abhängig ist, daß das Unternehmen der Gesellschaft laufende Gewinne erzielt. Für die Unabhängigkeit der Pensionsverpflichtung von künftigen Gewinnen könnte im Streitfall sprechen, daß die Gesellschaftsverträge einen Vorbehalt, der die Klägerin zum Entzug oder zur Minderung der Rente berechtigt, nicht enthalten. Andererseits wurde die Rente in den Folgejahren tatsächlich (einvernehmlich) von monatlich 2 200 DM auf monatlich 1 900 DM herabgesetzt. Die Frage bedarf jedoch keiner weiteren Aufklärung. Die Pensionsverpflichtung beruht auf einer sog. Altzusage, die vor dem 1. Januar 1987 erteilt wurde. Die Klägerin hatte deshalb sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich ein Wahlrecht zur Bilanzierung einer Pensionsrückstellung (Art. 28 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch, §6 a EStG). Von diesem Wahlrecht hat sie zugunsten des sofortigen Abzugs der Pensionszahlungen als Betriebsausgaben keinen Gebrauch gemacht.

b) Dem Abzug der Pensionszahlungen als Betriebsausgaben steht im Streitjahr 1985 nicht entgegen, daß sie aufgrund des Gesellschaftsvertrages als Vergütung für die Tätigkeit des Gesellschafters als Geschäftsführer der Klägerin geschuldet waren. Sie sind auch in diesem Fall bei der Ermittlung des Gesamtgewinns der Klägerin als Betriebsausgaben abziehbar, wenn die Witwe, wie im Streitfall, nicht Gesellschafterin und Mitunternehmerin der Klägerin war (BFH- Urteile vom 24. November 1983 IV R 14/83, BFHE 139, 549, BStBl II 1984, 431; vom 25. Oktober 1984 IV R 165/82, BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212; vom 7. Juli 1992 VIII R 36/90, BFHE 169, 53, BStBl II 1993, 26, m. w. N.). An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, daß §15 Abs. 1 Satz 2 EStG nunmehr auch Witwenpensionen der Vergütungsregelung des §15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG unterstellt. §15 Abs. 1 Satz 2 EStG ist erst ab dem Veranlagungszeitraum 1986 anwendbar (§52 Abs. 1 Satz 1 EStG i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986, und dazu BFH-Urteil in BFHE 169, 53, BStBl II 1993, 26).

Im Revisionsverfahren kann ein Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für notwendig zu erklären, nicht zulässig gestellt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §139 Rz. 32, m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67033

BFH/NV 1998, 825

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