Entscheidungsstichwort (Thema)

Rüge fehlender Gründe

 

Leitsatz (NV)

Läßt das angefochtene Urteil erkennen, daß nach Auffassung des FG geltend gemachte Aufwendungen für einen Umzug nicht abzugsfähig sind, weil nicht das Bedürfnis nach einer neuen Kanzlei, sondern private Gründe entscheidend waren, liegt ein Verfahrensmangel i. S. von §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht vor.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 S. 2; FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war im Streitjahr (1994) bei der A-GmbH in X und die Klägerin als Teilzeitkraft bei der B-Bank in Y angestellt. Nebenberuflich betrieb die Klägerin eine Rechtsanwaltspraxis. Sie veranschlagt den Zeitaufwand auf 15 Stunden pro Woche. Sie erzielte daraus -- mit drei Umsätzen -- Einnahmen in Höhe von 11 815 DM netto (Vorjahr: 8995 DM; Umsatz: 1995 11 535 DM; 1996 28 718 DM).

Mitte 1994 zogen die Kläger von einem ruhigen Stadtteil in Y in eine Hauptverkehrsstraße von Y um. Die alte, ca. 100 qm große Drei-Zimmer-Wohnung war nach der Geburt des Sohnes zu klein, weil die Klägerin auf das zum Kinderzimmer umgewidmete Arbeitszimmer (25 qm) im haupt- und nebenberuflichen Interesse nicht verzichten wollte. In der neuen, 173,35 qm großen Sechs-Zimmer-Wohnung konnten beide Kläger Arbeitszimmer einrichten, die Klägerin sogar noch ein potentielles Wartezimmer vorhalten. Die Wohnung befindet sich im vierten Obergeschoß eines Hauses ohne Lift.

Mit der Klage machten die Kläger nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren geltend, daß der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) nur die Aufwendungen für die beiden Arbeitszimmer anerkannt habe, nicht aber die Umzugskosten in Höhe von 7652 DM. Der zusätzliche Raumbedarf sei ausschließlich beruflich veranlaßt.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Oktober 1992 VI R 132/88 (BFHE 170, 484, BStBl II 1993, 610) aus, Umzugskosten könnten abgezogen werden, wenn einwandfrei feststehe, daß der Wohnungswechsel nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt sei. Private Gründe dürften keine oder nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben. Das sei hier nicht der Fall.

Der zusätzliche Raumbedarf sei durch den Familienzuwachs ausgelöst worden. Die neue Wohnung sei zwar "verkehrsgünstig" gelegen, jedoch in unmittelbarer Nachbarschaft von Grünflächen und parkähnlichen Anlagen. Die für die gelegentliche Anwaltstätigkeit angegebene Zeit von 15 Stunden erscheine angesichts der geringen Umsätze weit übertrieben. Wer öfter Mandanten empfangen wolle, richte seine Praxis auch nicht im vierten Obergeschoß eines Gebäudes ohne Lift ein.

Wegen des Verböserungsverbotes brauche auch nicht mehr geprüft zu werden, ob das erstmalige "Arbeitszimmer" des Klägers nahezu ausschließlich beruflich genutzt worden sei.

Die Revision ließ das FG nicht zu.

Mit der Revision rügen die Kläger, das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Die Klägerin habe das Ziel, sich langfristig völlig selbständig zu machen. Zur Verbesserung ihrer Wettbewerbschancen habe sie die Bezeichnung als Fachanwalt für Arbeitsrecht erworben und mehrere Artikel geschrieben. Sie verfüge inzwischen über einen größeren Mandantenstamm. Der Umsatz stehe aber noch nicht in einem adäquaten Verhältnis zum tatsächlichen Arbeitsaufwand.

Nach der Geburt des Sohnes habe sie für ihre Nebentätigkeit einen Büroraum außerhalb der Wohnung genutzt. Da dies nur übergangsweise möglich gewesen sei, habe sie nach einer Bürogemeinschaft gesucht. Aus wirtschaftlichen Gründen habe sie sich dann aber wieder für eine Identität von Wohn- und Kanzleisitz entschieden.

Das Gericht gebe in den Entscheidungsgründen an, daß Umzugskosten als Erwerbsaufwendungen abgezogen werden könnten, wenn einwandfrei feststehe, daß der Wohnungswechsel nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt sei; private Gründe dürften keine oder nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen. Mit anderen Worten, die Umzugskosten seien grundsätzlich als nicht abziehbare Kosten der Lebensführung anzusehen, es sei denn, die berufliche Tätigkeit stelle den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel dar.

Mit diesen entscheidungserheblichen Voraussetzungen setze sich das Gericht jedoch in keinster Weise auseinander, sondern begründe auf knapp einer DIN-A-4-Seite oberflächlich, daß sich eine private Veranlassung aus der angeblich verbesserten Wohnqualität ergebe und eine Praxis in dieser Wohnung untauglich sei. Damit werde sachlich inhaltslos die berufliche Veranlassung negiert. Das gelte auch für den Hinweis auf die geringen Umsätze.

Die mangelnde Begründung ergebe sich auch daraus, daß das FG im Zeitalter modernster Medien völlig verkenne, daß es auf die Lage einer Kanzlei überhaupt nicht mehr ankomme. Die Klägerin arbeite nicht nur forensisch, sondern im wesentlichen beratend und publizierend.

Die Klagebegründung sei nicht berücksichtig worden. Aller Vortrag werde übergangen. Dieser sei erheblich. Das Gericht hätte danach zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die privaten Gründe nur eine ganz untergeordnete Rolle spielten. Ein Wohnungswechsel sei trotz des Familienzuwachses nicht erforderlich gewesen. Wäre die neue Wohnung nicht angemietet worden, hätte die Klägerin anderweitig Büroraum anmieten müssen. Das wäre wirtschaftlich nachteilig gewesen.

Mangels Ladung zum Termin sei den Klägern das rechtliche Gehör versagt worden.

Schließlich sei die Klägerin auch in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung beeinträchtigt. Das zitierte BFH-Urteil sei nicht einschlägig, weil es sich dabei um einen Arbeitnehmer handele. Lehrern stehe zur Unterrichtsvorbereitung ein Lehrerzimmer zur Verfügung, während die Existenz eines Selbständigen an Büroraum gebunden sei.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht statthaft (§124 Abs. 1 FGO) und daher durch Beschluß zu verwerfen (§126 Abs. 1 FGO).

1. Abweichend von §115 Abs. 1 FGO findet nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Auf diese Möglichkeit hat das FG die Kläger in der Rechtsmittelbelehrung auch ausdrücklich hingewiesen. Nichtzulassungsbeschwerde haben die Kläger jedoch nicht erhoben, vielmehr Revision eingelegt und das eingelegte Rechtsmittel auch ausdrücklich so bezeichnet.

2. Mangels wesentlicher Verfahrensmängel i. S. von §116 Abs. 1 FGO ist im Streitfall eine zulassungsfreie Revision nicht gegeben.

Insbesondere greift die Rüge, das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), nicht durch. Die Kläger haben einen wesentlichen Verfahrensmangel i. S. von §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht schlüssig gerügt.

Ein wesentlicher Verfahrensmangel i. S. von §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO liegt allerdings -- wie die Kläger zutreffend ausführen -- nicht nur dann vor, wenn das FG seine Entscheidung überhaupt nicht begründet, sondern auch dann, wenn es bei seiner Begründung lediglich inhaltslose oder unverständliche Wendungen niederschreibt, die nicht erkennen lassen, von welchen Erwägungen das Gericht ausgegangen ist, und die eine Überprüfung des Rechtsstandpunkts nicht ermöglichen (Senatsbeschluß vom 12. Juni 1996 IV R 45/95, BFH/NV 1996, 918, m. w. N.). Das gilt ferner, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffsmittel mit Stillschweigen übergeht und einen bestimmten Sachkomplex überhaupt nicht berücksichtigt (BFH- Beschluß vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351); ebenso, wenn Ausführungen zur Beweiswürdigung völlig fehlen (BFH-Urteil vom 20. Mai 1994 VI R 10/94, BFHE 174, 391, BStBl II 1994, 707). Dagegen ist die Rüge nicht schlüssig, wenn der angebliche Begründungsmangel nur ein Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm berührt (BFH-Beschluß in BFHE 121, 298, BSTBl II 1977, 351, sowie Senatsbeschlüsse in BFH/NV 1996, 918, und vom 20. November 1990 IV R 80/90, BFH/NV 1991, 609). Ein Mangel liegt aber sogar dann nicht vor, wenn Gründe übergangen worden sind, die das Gericht hätte bedenken müssen, tatsächlich aber nicht bedacht hat (BFH-Beschluß vom 28. April 1993 II R 123/91, BFH/NV 1994, 46).

Den danach zu stellenden Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Das angefochtene Urteil läßt klar erkennen, daß nach der Rechtsauffassung des FG die geltend gemachten Betriebsausgaben nicht abzugsfähig sind. Ob diese Auffassung zutrifft oder nicht, ist für das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels i. S. von §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO unerheblich. Das FG hat ferner durch den Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 170, 484, BStBl II 1993, 610 klargestellt, daß nach seiner Auffassung für den Umzug nicht ein Bedürfnis der Klägerin nach neuen Räumen für eine Kanzlei, sondern private Gründe entscheidend waren. Ausdrücklich hat es als Grund für die schädliche private Mitveranlassung den Familienzuwachs und die günstige Lage der neuen Wohnung genannt. Es ist somit auf die von den Klägern vorgebrachten Argumente und Fakten eingegangen.

Es liegt auch kein Mangel i. S. von §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vor. Ausweislich der Akten ist die jetzige und damalige Prozeßbevollmächtigte, die Klägerin, geladen worden. Da der Zusteller die Klägerin nicht angetroffen hat, hat er unter Hinterlassung einer Benachrichtigung die Sendung beim Postamt niedergelegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67277

BFH/NV 1998, 871

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