Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Überblick
Ein Unternehmer kann in bestimmten Fällen auf die Steuerfreiheit des Umsatzes verzichten. Ebenso kann ein einmal ausgeübter Verzicht auf die Steuerbefreiung auch für die Vergangenheit widerrufen werden. Entsprechend der Vorgabe des BFH passt die Finanzverwaltung ihre Rechtsauffassung an und lässt die rückwirkende Option und den Widerruf bis zur materiellen Bestandskraft zu. Weiterhin übernimmt die Finanzverwaltung die Rechtsauffassung des BFH, dass ein Verzicht auf die Steuerbefreiung bei Verkauf eines Grundstücks ausschließlich im notariellen Kaufvertrag vorgenommen werden kann.
Kommentar
Die rechtliche Problematik
Führt ein Unternehmer eine nach § 4 UStG steuerfreie Leistung aus, kann er in den in § 9 Abs. 1 UStG abschließend aufgeführten Fällen auf die Steuerfreiheit verzichten. Im Regelfall wird in der Praxis dieser Verzicht bei Leistungen gegenüber vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern vorgenommen, um selbst den Vorsteuerabzug für damit im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen zu erhalten. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung kann nicht nur für zukünftige Umsätze ausgeübt werden, ein Verzicht kann auch für die Vergangenheit vorgenommen oder für die Vergangenheit widerrufen werden.
Die Finanzverwaltung hatte bisher die Rechtsauffassung vertreten, dass die Option für die Vergangenheit nur bis zur formellen Bestandskraft einer Veranlagung ausgeübt oder wiederrufen werden kann.
Der BFH hatte dagegen entschieden, dass die Rücknahme des Verzichts auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG möglich ist, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 AO noch änderbar ist (materielle Bestandskraft). Der Verzicht und sein Rückgängigmachen sind bezüglich der zeitlichen Grenzen ihres Ausübens gleich zu behandeln.
Bei Umsätzen, die unter das GrEStG fallen, ist in § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG als weitere Voraussetzung für die Option enthalten, dass schon im notariellen Kaufvertrag auf die Steuerbefreiung verzichtet werden muss.
Die Finanzverwaltung hatte früher ermöglicht, dass ein Verzicht auf die Steuerbefreiung bei diesen Umsätzen auch noch in einer notariellen Ergänzungsurkunde ausgeübt werden kann.
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung hatte der BFH eine strengere Anwendung der gesetzlichen Vorgaben vorgenommen und die Option bei den unter das GrEStG fallenden Vorgängen – in aller Regel die Veräußerung von Grundstücken – ausschließlich im notariellen Kaufvertrag ermöglicht. Ein Nachholen der Option ist nach dieser Rechtsprechung nicht möglich.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Das BMF-Schreiben ändert Abschn. 9.1 Abs. 3 und Abschn. 9.2 Abs. 9 UStAE.
Die Finanzverwaltung übernimmt jetzt die Vorgaben aus der Rechtsprechung des BFH und passt den UStAE entsprechend an:
- Die Erklärung zur Option nach § 9 UStG sowie die Rücknahme dieser Option sind zulässig, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 AO noch änderbar ist.
- Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens kann nur in dem dieser Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden. Ein späterer Verzicht wie auch die Rücknahme des Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird.
Bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks muss schon bei der Aufforderung zur Abgabe eines Gebots auf die Steuerbefreiung verzichtet werden.
Grundsätzlich sind die Regelungen in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung gewährt jedoch Übergangs- und Vertrauensschutzregelungen:
- Für die Zeit vom 31.3.2004 – 31.10.2010 wird die Wirksamkeit von notariellen Vertragsergänzungen oder -änderungen nicht beanstandet.
- Für die Zeiträume ab dem 1.11.2010 kommt in den Fällen von notariellen Vertragsergänzungen oder -änderungen ein Vertrauensschutz bis zur formellen Bestandskraft in Betracht, wenn die Erklärungen vor dem 1.1.2018 abgegeben wurden.
Konsequenzen für die Praxis
Der Verzicht auf die Steuerbefreiung kann gerade bei Immobilienumsätzen wesentlich für den wirtschaftlichen Erfolg sein. Dabei muss der Unternehmer die maßgeblichen Rahmenbedingungen beachten. Durch die Umsetzung der Rechtsprechung des BFH haben sich die Voraussetzungen für den zeitlichen Rahmen der Option und des Widerrufs der Option für die Unternehmer verbessert. Bezüglich der Möglichkeiten bei einer Grundstücksveräußerung oder anderen unter das GrEStG fallenden Umsätzen auf die Steuerbefreiung zu verzichten, haben sich dagegen die Rahmenbedingungen für die Unternehmer verschlechtert.
Allerdings muss gerade bei der jetzt vorhandenen Möglichkeit, bis zur materiellen Bestandskraft eine Option nachträglich zu widerrufen, in der Praxis aufgepasst werden. Hat der Unternehmer auf die Steuerbefreiung (z. B. bei einem Vermietungsumsa...