Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Schätzung des Finanzamts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch bei der Durchführung einer Schätzung muss das Finanzamt alle Umstände berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind und sich insbesondere an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientieren.

2. Bei Zweifeln an der Richtigkeit der erfolgten Aufzeichnungen dürfe das FA die Unterlagen nicht insgesamt verwerfen, sondern müsse weitere Ermittlungen unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen durchführen (§ 88 AO). Es hätte gezielt einzelne Punkte herausgreifen und beispielsweise die Vorlage bestimmter Belege anfordern müssen.

 

Normenkette

AO § 162 Abs. 1, § 158

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Januar 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2006 wird die Umsatzsteuer 2004 auf 1.392,21 EUR festgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Festsetzung der Umsatzsteuer 2004.

Die Klägerin hat im Streitjahr ein Unternehmen für Kleintransporte, Hausmeisterservice und Getränkeheimdienst betrieben.

Für das Jahr 2004 reichte sie am 24. März 2005 eine Umsatzsteuererklärung ein, in der sie Umsätze von 35.785,84 EUR und Vorsteuern von 4.333,58 EUR ansetzte und eine Umsatzsteuer von 1.392,21 EUR errechnete (Bl. 13 ff Umsatzsteuerakte FA). Das Finanzamt (FA) folgte diesen Angaben nicht, da die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung keine den allgemeinen Anforderungen an eine Einnahmen/Überschussrechnung entsprechende Gewinnermittlung eingereicht habe. Der daraufhin vorgenommenen Schätzung legte es Umsätze von 36.000 EUR sowie einen Vorsteuerabzug von 2.000 EUR zugrunde und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 17. Januar 2006 auf 3.760 EUR fest (Bl. 2 ff Rechtsbehelfsakte FA).

Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren reichte die Klägerin am 13. Februar 2006 verschiedene Aufstellungen ein (vgl. Bl. 22 ff Feststellungsakte FA). Das FA erkannte diese Unterlagen jedoch nicht als ordnungsgemäßen Nachweis der Einnahmen und Ausgaben an und wies den Einspruch mit Entscheidung vom 17. November 2006 als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass sie dem FA eine ordnungsgemäße Gewinnermittlung übergeben habe. Die Umsatzsteuer müsse entsprechend der eingereichten Steuererklärung festgesetzt werden.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Januar 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2006 die Umsatzsteuer 2004 auf 1.392,21 EUR festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist begründet, die Zuschätzungen des FA sind zu Unrecht erfolgt.

Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung 1977 (AO) hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn die Aufzeichnungen, die der Steuerpflichtige nach den Steuergesetzen zu führen hat, der Besteuerung nicht nach § 158 AO zu Grunde gelegt werden. Nach § 158 AO werden die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zu Grunde gelegt, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.

Auch bei der Durchführung einer Schätzung muss das FA nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO alle Umstände berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind und sich insbesondere an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientieren. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (vgl. BFH Urteil vom 19.1.1993 VIII R 128/84, BStBl. II 1993, 594). Insbesondere sind alle Anhaltspunkte, auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen oder eine an sich fehlerhafte Buchführung zu beachten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Rahmen des der Finanzbehörde Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln (Beschluss des BFH vom 9. Mai 2006, XI B 104/05, BFH/NV 2006, 1801 m. w. N.).

Grundsätzlich kommt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung den Steuererklärungen, die der Steuerpflichtige unter der Versicherung abgibt, sie wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen i. S. d. § 150 Abs. 2 Abgabenordnung 1977 (AO) gemacht zu haben, besonderes Gewicht zu (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH vom 23. März 1993 I B 129/92, BFH/NV 1994, 285, m. w. N.).

Im Streit...

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