Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wird ein in der irrigen Auffassung, der Vorsteuerabzug aus einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung sei erst im Jahr der Berichtigung der Rechnung gemäß §§ 14 Abs. 2; 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1993 zu korrigieren, erlassener Umsatzsteueränderungsbescheid für das Jahr der Rechnungsberichtigung auf Antrag des Stpfl. aufgehoben, kann der Vorsteuerabzug im Jahr der Rechnungserteilung nach § 174 Abs. 4 AO rückgängig gemacht werden.
  2. Der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer gebietet nicht, dem Empfänger einer Rechnung den Vorsteuerabzug allein deshalb zu gewähren, weil die Umsatzsteuer in der Rechnung gesondert ausgewiesen ist.
  3. Etwas anderes kann aus Gründen des Vertrauensschutzes nur gelten, wenn der Rechnungsempfänger hinsichtlich der Berechtigung zum Vorsteuerabzug gutgläubig war, die Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt wurde und nach Rechnungskorrektur die Verfolgung des zivilrechtlichen Anspruchs gegen den Leistenden auf Rückzahlung der Umsatzsteuer unmöglich oder übermäßig erschwert ist.
  4. Ein derartiger Erstattungsanspruch kann nicht im Steuerfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden.
 

Normenkette

UStG 1993 § 1 Abs. 1a, § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 3; AO § 174 Abs. 3 S. 1, Abs. 4

 

Streitjahr(e)

1995

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Umsatzsteueränderungsbescheid für das Jahr 1995, mit dem ein zu Unrecht gewährter Vorsteuerabzug rückgängig gemacht wurde.

Die Klägerin –Klin. erwarb mit Vertrag vom 31.12.1994 mit Wirkung zum 1.1.1995 einen Café-Betrieb mit sämtlichen in den Pachträumen befindlichen Inventargütern zu einem Gesamtkaufpreis von 400.000 DM. Hierüber erteilte der Verkäufer der Klin. eine Rechnung vom 1.1.1995 mit einer Kaufsumme von 400.000 DM zuzüglich 15 % Umsatzsteuer, also 60.000 DM, Gesamtsumme 460.000 DM, und bestätigte den Erhalt des Betrages. Die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer machte die Klin. in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1995, welche am 6.3.1998 bei dem Beklagten Bekl. einging, als Vorsteuer geltend. Der Bekl. stimmte der Umsatzsteuererklärung für 1995 ausweislich der Mitteilung vom 19.8.1998 am 31.7.1998 zu.

Mit Schreiben vom 26.3.1997 an die Klin. „stornierte” der Verkäufer seine Rechnung vom 1.1.1995 „in vollem Umfang” unter Hinweis darauf, dass er nur einen Betrag von 170.000 DM erhalten habe. Zudem wies er darauf hin, dass für den Verkauf keine Umsatzsteuer angefallen sei.

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung bei der Klin. vertrat der Bekl. die Auffassung, die geltend gemachte Umsatzsteuer für den Verkauf hätte im Jahr 1995 nicht ausgewiesen werden dürfen, weil es sich um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung iSv § 1 Abs. 1a UStG gehandelt habe. Auf Grund der Berichtigung der Rechnung am 26.3.1997 sei die beim Erwerb geltend gemachte Vorsteuer in voller Höhe gemäß § 14 Abs. 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG zu berichtigen. Die Vorsteuerberichtigung sei im Jahr der Rechnungsberichtigung, also im Jahr 1997, durchzuführen. Mit Umsatzsteueränderungsbescheid für das Jahr 1997 vom 27.2.2001 machte der Bekl. den Vorsteuerabzug in Höhe von 60.000 DM rückgängig.

Die gegen die abweisende Einspruchsentscheidung vom 1.8.2002 erhobene Klage gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid 1997 wies das FG mit Urteil vom 9. November 2005 (5 K 4359/02 U, EFG 2006, 1204) als unbegründet ab. Auf die Revision der Klin. hob der BFH mit Urteil vom 6. Dezember 2007 (V R 3/06, BFH/NV 2008, 1075) den Umsatzsteueränderungsbescheid 1997 vom 27.2.2001, die Einspruchsentscheidung vom 1.8.2002 und das Urteil des FG vom 9. November 2005 auf. Zur Begründung führte er aus, dass der Klin. kein Vorsteuerabzug auf Grund der Rechnung vom 1.1.1995 zustehe. Eine Vorsteuerkorrektur im Jahre 1997 sei jedoch nicht möglich. Die in einer Rechnung offen ausgewiesene Vorsteuer, die der Aussteller lediglich gemäß § 14 Abs. 2 UStG schulde, sei seit der Änderung der Rechtsprechung durch das BFH- Urteil vom 2. April 1998 (V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695) vom Leistungsempfänger nicht mehr als Vorsteuer abziehbar, so dass die Berichtigung der Rechnung für den Leistungsempfänger keine Bedeutung mehr habe. Die Rechnungskorrektur im Jahre 1997 rechtfertige demnach keine Vorsteuerkorrektur in diesem Jahr. Es komme nur noch eine Änderung des Steuerbescheides des Abzugsjahres, in dem die Vorsteuer zu Unrecht berücksichtigt wurde, nach Maßgabe der §§ 172 ff AO, im Streitfall ggfs. nach § 174 Abs. 4 AO, in Betracht. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des BFH vom 6. Dezember 2007 (V R 3/06, BFH/NV 2008, 1075) Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 7.8.2008 änderte der Bekl. den Umsatzsteuerbescheid für 1995 gemäß § 174 AO zu Lasten der Klin. und machte den Vorsteuerabzug iHv 60.000 DM rückgängig, weil die Vorsteuer für den Erwerb des Cafés zu Unrecht in diesem Jahr berücksichtigt worden sei.

Zur Begründung ihres hiergegen am 11.8.2008 erhobe...

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