Entscheidungsstichwort (Thema)
Nacherhebung von Einfuhrabgaben bei widerrufener Präferenzbescheinigung
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, ob die die Präferenzbescheinigung ausstellenden drittländischen Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Präferenzvoraussetzungen in Wahrheit nicht erfüllten, ist aufgrund einer dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung der im Einzelfall festgestellten Tatsachen zu beantworten. Das FG darf sich insoweit die aufgrund einer Gemeinschaftsmission gewonnenen Erkenntnisse der Kommission zu eigen machen.
2. Hinsichtlich der Gutgläubigkeit des Abgabenschuldners ist auf den Zeitpunkt des betreffenden Handelsgeschäfts sowie auf die für die Präferenzbehandlung fehlenden konkreten Voraussetzungen abzustellen. Ob sich dem Abgabenschuldner aufgrund seiner Berufserfahrung Zweifel bezüglich der Präferenzvoraussetzungen hätten aufdrängen müssen, zu deren Klärung er auch in der Lage gewesen wäre, ist ebenfalls eine vom Tatrichter zu beantwortende Frage.
Normenkette
ZK Art. 220 Abs. 2 Buchst. b
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete im Juli 1996 eine Warensendung T-Shirts aus Bangladesh zur Abfertigung zum freien Verkehr an, wobei sie zur Erlangung der beantragten und für Waren dieses Ursprungs vorgesehenen Zollpräferenz ein am 30. Mai 1996 vom Export Promotion Bureau (EPB) in Bangladesh ausgestelltes Ursprungszeugnis nach Formblatt A vorlegte. Die Waren wurden antragsgemäß zum Zollsatz frei abgefertigt.
Feststellungen einer Ende 1996 in Bangladesh durchgeführten Gemeinschaftsmission ergaben, dass eine große Anzahl dort ausgestellter Ursprungszeugnisse gefälscht oder zu Unrecht ausgestellt worden war. Mit Schreiben an die Kommission vom 1. Oktober 1997 wurde seitens des EPB eine Reihe von Ursprungszeugnissen für ungültig erklärt oder widerrufen, darunter auch das von der Klägerin für die streitige Einfuhr vorgelegte. Daraufhin erhob der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA- mit Steueränderungsbescheid vom 7. Januar 1998 Zoll in Höhe von … DM nach. Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch.
Außerdem beantragte sie im August 1998 den Erlass der Einfuhrabgaben aus Billigkeitsgründen und legte in diesem Verfahren im Juni 2000 die Kopie eines Schreibens des EPB vom 14. Mai 2000 vor, mit dem der Präferenzursprung der streitigen Einfuhrwaren nachträglich bestätigt wurde, das sich jedoch aufgrund späterer Ermittlungen als Fälschung erwies. Die Ermittlungsbehörden nahmen seinerzeit an, dass das vorgelegte Schreiben aus einem anderen an die deutsche Zollverwaltung gerichteten Schreiben des EPB vom 14. Mai 2000, welches die Klägerin nachrichtlich erhalten hatte, hergestellt worden war. Das daraufhin gegen den Geschäftsführer der Klägerin eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und der versuchten Steuerhinterziehung wurde später gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt.
Das HZA wies den Einspruch der Klägerin gegen den Steueränderungsbescheid zurück und lehnte auch den Erlassantrag ab; der hiergegen erhobene Einspruch blieb ebenfalls erfolglos.
Auf die hiergegen jeweils erhobenen Klagen, die zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, hob das Finanzgericht (FG) den Steueränderungsbescheid auf. Das FG urteilte, dass Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex (ZK) der Nacherhebung der Einfuhrabgaben entgegenstehe. Die bei der Einfuhrabfertigung unterbliebene Abgabenerhebung beruhe auf einem Irrtum der Zollbehörden, der vernünftigerweise von der Klägerin nicht habe erkannt werden können. Das Gericht folge insoweit den in gleich gelagerten Fällen ergangenen Entscheidungen der Kommission vom 28. Oktober 2003 (REC 03/03) sowie des Hessischen FG vom 14. April 2005 7 K 1398/04 (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2005, 379), wonach davon auszugehen sei, dass die zuständigen Behörden in Bangladesh wussten oder zumindest hätten wissen müssen, dass die Waren, für welche sie Ursprungszeugnisse ausgestellt hatten, in Wahrheit nicht die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung erfüllten. Bis zur Veröffentlichung einer entsprechenden Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) vom 5. April 1997 seien die Einführer weder über die Pflichtverletzungen der Behörden in Bangladesh informiert noch vor möglichen Risiken bei Textileinfuhren aus diesem Land gewarnt gewesen. Im maßgebenden Zeitpunkt der Zollanmeldung sei die Klägerin auch gutgläubig gewesen. Es komme nicht darauf an, ob dem Geschäftsführer der Klägerin oder anderen Mitarbeitern wegen der Vorlage des gefälschten Schreibens des EPB vom 14. Mai 2000 im anschließenden Einspruchsverfahren ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorgeworfen werden könne. Aufgrund des Vorbringens der Klägerin und der Angaben ihres Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung sei auch davon auszugehen, dass sich die Klägerin mit gebotener Sorgfalt vergewissert habe, dass alle Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung erfüllt seien.
Mit seiner Revision macht das HZA geltend, dass der Einführer nicht nur die präferenzbegründenden Ursprungsregeln des Allgemeinen Präferenzsystems kennen, sondern sich auch mit der gebotenen Sorgfalt vergewissern müsse, dass diese Regeln auf seine Einfuhrware rechtmäßig angewandt worden seien. Hierfür reiche der bloße Erhalt eines ausgestellten Ursprungszeugnisses und eine mündliche Bestätigung der Ursprungseigenschaft durch den Ausführer nicht aus. Das Vorbringen der Klägerin lasse nicht erkennen, dass sie ausreichend in tatsächlicher und rechtlicher Weise geprüft habe, ob alle Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung vorgelegen hätten. Soweit das FG anders entschieden habe, habe es das Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere seinen (des HZA) Hinweis auf den Vortrag des Geschäftsführers der Klägerin unberücksichtigt gelassen, dass er das Amtsblatt und die dort veröffentlichten Warnhinweise nicht lese. Das FG hätte die Klägerin zur Vorlage beweiskräftiger Unterlagen darüber auffordern müssen, dass sich die Klägerin mit der gebotenen Sorgfalt über die Voraussetzungen der Präferenzbehandlung informiert habe.
Schließlich weiche das FG-Urteil zum einen von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Oktober 1999 VII R 6/99 (BFHE 190, 507) ab, mit dem dieser in einem vergleichbaren, den Bangladesh-Komplex betreffenden Fall die Nacherhebung der Einfuhrabgaben für rechtmäßig gehalten habe, und zum anderen vom Urteil des Hessischen FG in ZfZ 2005, 379, das in einem Parallelverfahren der Klägerin die Erstattung der nacherhobenen Einfuhrabgaben versagt habe.
Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie folgt im Wesentlichen den Ausführungen des FG und meint, dass mit der Forderung des HZA nach einer allumfassenden Untersuchungspflicht des Importeurs in einem fremden Staat die Anforderungen an die vom Gesetz geforderte gebotene Sorgfalt überspannt würden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des HZA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat den angefochtenen Steueränderungsbescheid zu Recht aufgehoben, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Bei der Abfertigung der streitigen Einfuhrsendung sind die Waren zwar zu Unrecht zum Zollsatz frei abgefertigt worden, weil das für die Präferenzbehandlung vorgelegte Ursprungszeugnis nach Formblatt A später widerrufen worden ist. Der nachträglichen buchmäßigen Erfassung des zu erhebenden Abgabenbetrags steht jedoch Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK entgegen.
1. Nach Unterabsatz 1 dieser Vorschrift erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat. Für die Fälle einer sich als unzutreffend erweisenden Präferenzbescheinigung ist Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK durch die am 19. Dezember 2000 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 (VO Nr. 2700/2000) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 311/17) um die Unterabsätze 2 bis 5 erweitert worden. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 9. März 2006 C-293/04 (Slg. 2006, I-2263, ZfZ 2006, 157) ist Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK in dieser Fassung auch auf eine Zollschuld anwendbar, die --wie im Streitfall-- vor dem Inkrafttreten der VO Nr. 2700/2000 entstanden und nacherhoben worden ist.
2. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die unzutreffende Anwendung des Präferenzzollsatzes und die somit unterbliebene buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben in gesetzlich geschuldeter Höhe auf einem behördlichen Irrtum beruhte, der von der Klägerin als Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte, weil im Streitfall die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 ZK erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift gilt im Rahmen eines Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung einer drittländischen Behörde die Ausstellung einer Präferenzbescheinigung durch diese Behörde, falls sich die Bescheinigung später als unrichtig erweist, als ein Irrtum, der vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, denn das von der Klägerin bei der Abfertigung vorgelegte, vom EPB ausgestellte Ursprungszeugnis hat sich als unrichtig erwiesen, weil der in der Bescheinigung angegebene Warenursprung nicht bestätigt werden konnte (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-2263, ZfZ 2006, 157, Rz. 35).
Das FG hat des Weiteren rechtsfehlerfrei angenommen, dass ein Fall des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 3 ZK, in dem die Präferenzbescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht, nicht vorliegt. Ob es sich um einen solchen Fall handelt, ist aufgrund einer dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung der im Einzelfall festgestellten Tatsachen zu beantworten. Der Senat ist daher im Streitfall gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die Tatsachenwürdigung des FG gebunden, weil zulässige und begründete Revisionsgründe insoweit nicht vorgebracht sind. Das HZA macht insbesondere nicht geltend, dass das FG entscheidungserhebliche Tatsachen bei seiner Würdigung in verfahrensrechtlicher Weise unberücksichtigt gelassen hat oder dass seine Würdigung unter Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze zustande gekommen ist. Es ist darüber hinaus auch nicht ersichtlich, dass dem FG bei seiner Beurteilung, dass kein Fall des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 3 ZK vorliegt, Rechtsfehler unterlaufen sind. Zum einen ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass das HZA insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-2263, ZfZ 2006, 157, Rz. 39). Zum anderen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das FG insoweit die Entscheidung der Kommission vom 28. Oktober 2003 (REC 03/03) zu eigen gemacht hat und davon ausgegangen ist, dass die zuständigen Behörden in Bangladesh wussten oder zumindest hätten wissen müssen, dass die Waren, für welche sie Ursprungszeugnisse ausstellten, die Voraussetzungen für eine Zollpräferenz in Wahrheit nicht erfüllten.
Zu Unrecht meint die Revision, dass das FG mit seinem Urteil von dem Senatsurteil in BFHE 190, 507 abweiche. Jenem Senatsurteil lagen andere tatsächliche und rechtliche Voraussetzungen zugrunde. Zum einen war der Senat seinerzeit in Übereinstimmung mit der Vorinstanz davon ausgegangen, dass Anhaltspunkte für einen sog. aktiven Irrtum des EPB nicht vorlägen, weil nicht auszuschließen sei, dass es die Ursprungszeugnisse nicht in Verkennung der Ursprungsregeln, sondern aufgrund falscher Angaben des Ausführers ausgestellt habe. Zum anderen gab es damals eine dem Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 und 3 ZK entsprechende Vorschrift, die einen behördlichen Irrtum auch bei falschen Angaben des Ausführers fingiert, wenn die ausstellende Behörde hiervon wusste oder hätte wissen müssen, noch nicht.
3. Die unter den Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 und 3 ZK vorgeschriebene gesetzliche Fiktion eines behördlichen Irrtums, der vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte, kommt --wie sich aus der einleitenden Vorschrift des Unterabs. 1 ergibt-- nur dem im jeweiligen Nacherhebungsfall gutgläubigen Abgabenschuldner zugute, wobei dieser nach Unterabs. 4 der Vorschrift Gutgläubigkeit geltend machen kann, indem er darlegt, dass er sich während der Zeit des betreffenden Handelsgeschäfts mit gebotener Sorgfalt vergewissert hat, dass alle Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung erfüllt worden sind. Das FG hat im Streitfall auch das Vorliegen dieser Voraussetzung rechtsfehlerfrei bejaht.
Wird im Fall der Ausstellung einer unrichtigen Präferenzbescheinigung durch eine drittländische Behörde der --objektiv-- nicht erkennbare Irrtum fingiert und macht der Abgabenschuldner geltend, dass auch er in dem speziellen Einfuhrfall gutgläubig gewesen sei und keine Kenntnis von der Unrichtigkeit der für die beantragte Präferenzbehandlung vorgelegten Bescheinigung gehabt habe, so darf diese fehlende Kenntnis nicht darauf zurückzuführen sein, dass sich der Abgabenschuldner nur unzureichend darüber informiert hat, ob die Einfuhrwaren die erforderlichen Präferenzvoraussetzungen erfüllen. Die Erfüllung dieser Pflicht des Abgabenschuldners, sich in gebotener Weise zu informieren, ist daher im Hinblick auf die fehlende Voraussetzung für eine Präferenzbehandlung der Einfuhrwaren zu prüfen und zu würdigen, so dass im Einzelfall zu fragen ist, ob der Abgabenschuldner das Fehlen der Präferenzvoraussetzung hätte feststellen können, wenn er sich in der gebotenen Weise informiert hätte.
Ob der Abgabenschuldner dieser Erkundigungspflicht mit "gebotener Sorgfalt" nachgekommen ist, ist wiederum eine vom Tatrichter aufgrund der im Einzelfall festgestellten Tatsachen zu beantwortende Frage, bei der nach den jeweiligen Umständen verschiedene Gesichtspunkte eine Rolle spielen können, denen nach dem jeweiligen Einzelfall auch unterschiedliches Gewicht zukommen kann. Grundsätzlich ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH die Art des behördlichen Irrtums unter Berücksichtigung des Komplexitätsgrades der betreffenden Regelung zu der Berufserfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers im Importgeschäft in Beziehung zu setzen (EuGH-Urteil vom 3. März 2005 C-499/03 P, Slg. 2005, I-1751, ZfZ 2005, 228, m.w.N.). In den durch Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 bis 5 ZK geregelten Fällen ist also zunächst zu berücksichtigen, weshalb sich die ausgestellte Präferenzbescheinigung als unrichtig erwiesen hat, an welchen Voraussetzungen für die Präferenzbehandlung der betreffenden Ware es also gefehlt hat. Auf Seiten des Abgabenschuldners ist die Frage zu beantworten, ob er aufgrund seiner Berufserfahrung den Mangel hätte erkennen können, ob es sich z.B. um ein ungewöhnliches, der Handelspraxis nicht entsprechendes Einfuhrgeschäft gehandelt hat oder ob sich ihm aufgrund bestimmter Umstände Zweifel hätten aufdrängen müssen, ob die ursprungsbegründende Herstellung der Einfuhrwaren in dem betreffenden Drittland überhaupt möglich ist, und er diese Zweifel hätte klären können (vgl. Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften --EuG-- vom 10. Mai 2001 T-186/97, Slg. 2001, II-1337, Rz. 296 f., ZfZ 2001, 229).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist die Entscheidung des FG, die Gutgläubigkeit der Klägerin im Streitfall zu bejahen, nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das FG insoweit --wie es Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 4 ZK vorschreibt-- auf die Zeit des betreffenden Handelsgeschäfts abgestellt und hat das spätere, nach der streitigen Einfuhr liegende Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin und ihrer Mitarbeiter unberücksichtigt gelassen. Für die Zeit des streitigen Einfuhrgeschäfts hat das FG aufgrund der unbestrittenen Angaben der Klägerin festgestellt, dass diese schon seit längerer Zeit Textilien aus Bangladesh über stets dieselben zwei Vertragspartner eingeführt hatte, wobei die Ursprungseigenschaft der gekauften Waren jeweils Vertragsbestandteil war, dass es in der Vergangenheit nie Probleme mit den Ursprungszeugnissen gegeben und ihr Geschäftsführer einen der Vertragspartner in Bangladesh wiederholt aufgesucht hatte, wobei er feststellte, dass es sich um ein bedeutendes Textilunternehmen handelte, in dem eine große Anzahl Spinnmaschinen ununterbrochen liefen, weshalb ihm der angegebene Ursprung der Waren in Anbetracht der Menge der in Bangladesh produzierten Baumwolle plausibel erschienen war. Auch war dem Geschäftsführer versichert worden, dass der andere Vertragspartner in gleicher Weise ausschließlich Ursprungswaren aus Bangladesh verkaufe. Wenn das FG vor dem Hintergrund dieser Feststellungen die Ansicht vertreten hat, dass die Klägerin ihren Sorgfaltspflichten ausreichend nachgekommen sei, zumal es keine Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass die Ursprungsangaben unzutreffend sein könnten, so verstößt diese nachvollziehbar begründete Würdigung weder gegen Rechtsvorschriften noch gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze.
Da im Streitfall der für die importierten Textilerzeugnisse bescheinigte Präferenzursprung in Wahrheit nicht vorlag, weil weder die Baumwollernten noch die Produktionskapazitäten der Spinnereien in Bangladesh ausreichten, um das gesamte für die Herstellung der Textilerzeugnisse benötigte Garn selbst zu erzeugen (vgl. die Entscheidung der Kommission vom 28. Oktober 2003 REC 03/03, Abs. 25), hätten der Klägerin im Rahmen der "gebotenen Sorgfalt" ähnliche Maßnahmen wie der Ermittlungsmission der Gemeinschaft zur Verfügung stehen müssen, um den Warenursprung zu überprüfen und die Unrichtigkeit der vom EPB ausgestellten Ursprungszeugnisse zu erkennen. Hierfür ist jedoch nichts ersichtlich. Im Übrigen musste die Klägerin --wie das FG festgestellt hat-- hinsichtlich des Warenursprungs auch keine Zweifel haben, die Anlass gewesen wären (vgl. dazu EuG-Urteil in Slg. 2001, II-1337, Rz. 296, ZfZ 2001, 229), weitere Nachforschungen anzustellen.
Wenn die Revision gleichwohl die Feststellungen des FG für nicht ausreichend hält, um anzunehmen, dass sich die Klägerin während der Zeit des Einfuhrgeschäfts mit der gebotenen Sorgfalt über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung vergewissert hat, stellt sie der Würdigung des FG lediglich ihre eigene Tatsachenwürdigung entgegen, ohne anzugeben, welche Aufklärungsmaßnahmen seinerzeit möglich gewesen wären, welche die Klägerin nicht ergriffen und die das FG bei seiner Würdigung unberücksichtigt gelassen hat.
4. Soweit die Revision als Verfahrensmangel rügt, das FG habe bei seiner Entscheidung Vorbringen des HZA nicht berücksichtigt und damit nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens seiner Entscheidung zugrunde gelegt (§ 96 Abs. 1 FGO), ist der Mangel nicht schlüssig dargelegt. Das FG ist nicht verpflichtet, sich in der Urteilsbegründung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat (BFH-Beschluss vom 18. Juni 2001 II B 129/00, BFH/NV 2001, 1292). Daher liegt in derartigen Fällen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das FG Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschluss vom 19. November 2002 X B 78/01, BFH/NV 2003, 335, m.w.N.). An solchen Darlegungen der Revision fehlt es im Streitfall. Anders als die Revision meint, musste das FG bei seiner Würdigung auch nicht die im Verfahren vor dem Hessischen FG (Urteil in ZfZ 2005, 379) gemachte Angabe des Geschäftsführers der Klägerin, dass er das Amtsblatt nicht lese, berücksichtigen, denn es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass hierauf die Unkenntnis der Klägerin von der fehlenden Ursprungseigenschaft der Einfuhrwaren zurückzuführen ist.
Soweit die Revision rügt, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), weil es versäumt habe, die Klägerin aufzufordern, geeignete Beweismittel dafür vorzulegen, dass sie sich mit der gebotenen Sorgfalt über das Vorliegen der Präferenzvoraussetzungen vergewissert habe, fehlt es an Darlegungen, dass das HZA in der mündlichen Verhandlung entsprechende Beweisanträge gestellt bzw. das Übergehen zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisanträge gerügt hat. Wenn die Revision im Übrigen bemängelt, dass das FG "nicht näher erforscht" habe, ob sich die Klägerin nach Herkunft und Zollstatus der einzelnen Warenbestandteile erkundigt und schriftliche Vereinbarungen mit dem Lieferanten über die Lieferung präferenzbegünstigter Ursprungswaren getroffen habe, legt sie nicht dar, welche konkreten Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung standen, welche das FG unterlassen hat wahrzunehmen, und verkennt zudem, dass das FG bei seiner Entscheidung davon ausgegangen ist, dass die Klägerin die Ursprungseigenschaft der Einfuhrwaren zum Bestandteil der Lieferverträge gemacht hat und dass sie sich in ausreichender Weise vergewissert hat, dass die Angaben zum Ursprung realistisch waren. Die Revision rügt in Wahrheit keinen Verfahrensmangel bei der Sachaufklärung, sondern hält die aus den festgestellten Tatsachen gezogenen Schlussfolgerungen des FG für unzutreffend.
Fundstellen
Haufe-Index 2156918 |
BFH/NV 2009, 980 |