Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug bei teilweise leerstehendem Gebäude

 

Leitsatz (NV)

1. Über den Vorsteuerabzug aus der Herstellung eines insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes mit mehreren Raumeinheiten (Läden und Büros) kann gemäß § 15 Abs. 2 UStG 1967 erst nach der erstmaligen tatsächlichen Verwendung sämtlicher Raumeinheiten materiell abschließend entschieden werden.

2. Wird nach Fertigstellung des Gebäudes nur ein Teil der Räume vermietet, während das Gebäude im übrigen leersteht, liegen nur hinsichtlich der vermieteten Räume / Flächen Verwendungsumsätze vor. Das Leerstehen ist keine relevante Verwendung i. S. des § 15 Abs. 2 bis 4 UStG 1967.

3. Ob das Gebäude einheitlich für das Unternehmen (§ 15 Abs. 1 UStG 1967) angeschafft wurde, ist für die Entscheidung im Rahmen des § 15 Abs. 2 UStG 1967, die nur auf die Verwendung durch Leistungsverhältnisse abgestellt, nicht ausschlaggebend. Die Vermietung eines Teils des Gebäudes gilt somit nicht als Verwendung des gesamten (im übrigen leerstehenden) Gebäudes, wenn dieses durch unterschiedliche, nebeneinander laufende Nutzungsverhältnisse verwendet werden kann.

 

Normenkette

UStG 1967/1973 § 15

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist an einem bebauten Grundstück nutzungsberechtigt. Für Renovierungsarbeiten an Vorder- und Rückgebäude wurden ihr 1977 insgesamt 12 066,74 DM Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Davon entfielen auf das Rückgebäude 1 241,96 DM und auf das Vordergebäude 10 824,78 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ die das Vordergebäude betreffende Vorsteuer nur zu 49,83 v. H. zum Abzug zu. Hierfür waren folgende Verwendungsumstände maßgebend: Das Vordergebäude besteht aus drei Stockwerken. Davon nutzte die Klägerin 1977 nur Erdgeschoß und Kellerräume durch Vermietung an eine Rechtsanwalts- und Steuerberatersozietät. Der erste und zweite Stock des Vordergebäudes blieben 1977 ungenutzt; sie wurden erst ab 1. Januar 1979 bis auf einen Teil des zweiten Stocks zu Wohnzwecken vermietet. Hinsichtlich der Vermietung an die Rechtsanwalts- und Steuerberatersozietät verzichtete die Klägerin gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973) auf die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1973.

Das FA setzte die Umsatzsteuer 1977 unter Berücksichtigung abziehbarer Vorsteuern in Höhe von 6 635,95 DM (1 241,96 DM Rückgebäude und 5 393,99 DM Vordergebäude) auf ./. 1 850,95 DM fest.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt und setzte die Umsatzsteuer 1977 antragsgemäß auf ./. 7 782 DM herab. Das FG begründete das - in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 315, veröffentlichte - Urteil im wesentlichen damit, das Gebäude sei ein sog. einheitliches Wirtschaftsgut, das von der Klägerin 1977 nur zur steuerpflichtigen Vermietung verwendet worden sei. Steuerfreie Umsätze seien nicht ausgeführt worden, zumal die nichtvermieteten Räume leergestanden hätten. Damit könne die Klägerin die im Zusammenhang mit den Renovierungsarbeiten in Rechnung gestellten Umsatzsteuern in voller Höhe als Vorsteuern abziehen. Würden die zunächst leerstehenden Räume (Stockwerke) in einem Folgejahr im Wege steuerfreier Vermietung genutzt, sei der Vorsteuerabzug gemäß § 15 a UStG 1973 zu berichtigen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 15 Abs. 2 UStG 1973. Zur Begründung trägt es im wesentlichen vor: Der Ausschluß vom Vorsteuerabzug nach dieser Vorschrift richte sich nach der tatsächlichen erstmaligen Verwendung der bezogenen Leistung, sofern es sich dabei um die Verwendung zur Ausführung steuerfreier Umsätze handle. Da § 15 Abs. 2 UStG 1973 nicht an das Abschnittsprinzip gebunden sei (wie Absatz 1 der Vorschrift), komme es nicht darauf an, daß die erstmalige tatsächliche Verwendung des angeschafften Wirtschaftsguts (hier des Gebäudes) erst in einem späteren Kalenderjahr als dem des Bezugs der Leistung, auf dem die in Rechnung gestellte Vorsteuer beruhe, stattfinde.

Soweit das FG meine, das Gebäude als ertragssteuerrechtlich einheitliches ,,Wirtschaftsgut" sei auch hinsichtlich seiner Verwendungsart nicht ,,teilbar", könne dem nicht gefolgt werden. Auch § 15 a UStG 1973 gehe letztlich von der Teilbarkeit eines Gebäudes nach Verwendungsarten (steuerfreie / steuerpflichtige Umsätze) aus.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin tritt der Revision entgegen.

Sie geht davon aus, das für § 15 a und § 15 Abs. 2 UStG 1973 maßgebliche Jahr der ,,erstmaligen Verwendung" sei dasjenige, in dem das Gebäude genutzt oder vermietet werde. Ein Gebäude sei - auch umsatzsteuerrechtlich - ein einheitliches Wirtschaftsgut. Sie habe das Gebäude somit (als einheitliches Wirtschaftsgut) 1977 tatsächlich nur zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendet, zumal das Leerstehen der nichtvermieteten Räume unschädlich sei. Ihr Fall liege also anders als der des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. November 1976 V R 98 /71 (BFHE 121, 550, BStBl II 1977, 448), in dem das Gebäude zunächst zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet worden sei.

Daß die Art der erstmaligen Verwendung zufällig sein könne, je nachdem, ob zunächst nur Wohnungen (steuerfrei) oder aber gewerbliche Räume (steuerpflichtig) vermietet werden könnten, sei hinzunehmen und nicht nach § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Blickwinkel des Rechtsmißbrauchs zu prüfen.

Beide Beteiligte haben auf mündliche Verhandlung nicht verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Senat folgt nicht der Auslegung des § 15 UStG 1973 durch das FG.

Die Klägerin hat das Gebäude zu Vermietungszwecken und damit für ihr Unternehmen im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 angeschafft.

Nach § 15 Abs. 2 UStG 1973 ist die Steuer für Lieferungen und die Steuer für sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet bzw. in Anspruch nimmt, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Verwendung im Sinne der Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats die erstmalige tatsächliche Verwendung der für das Unternehmen bezogenen Leistungen zur Ausführung von Umsätzen (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 1987 V R 141/83, BFHE 152, 274, BStBl II 1988, 468, mit Nachweisen).

Wie der Senat im vorbezeichneten Urteil entschieden hat, kann über die Abziehbarkeit der Vorsteuerbeträge aus der Herstellung eines ingesamt für das Unternehmen angeschafften Gebäudes mit mehreren Raumeinheiten (Läden und Büros) gemäß § 15 Abs. 2 UStG 1967 erst nach der erstmaligen tatsächlichen Verwendung sämtlicher Räume materiell abschließend entschieden werden.

Wird nach Fertigstellung des Gebäudes nur ein Teil der Räume vermietet, während das Gebäude im übrigen leersteht, so liegen nur hinsichtlich der vermieteten Räume / Flächen Verwendungsumsätze vor. Das Leerstehen ist keine relevante Verwendung im Sinne des § 15 Abs. 2 bis 4 UStG 1967/1973.

Der Senat hat weiter dargelegt, daß durch die (steuerpflichtige) Vermietung eines Teils des Gebäudes nicht das gesamte Gebäude erfaßt werde; denn die Verwendung eines Gebäudes könne durch unterschiedliche, nebeneinander laufende Nutzungsverhältnisse erfolgen, die auch in der Auswirkung auf § 15 Abs. 2 UStG 1967/1973 unterschiedlich sein könnten. Ob das Gebäude einheitlich ,,für das Unternehmen" im Sinne von § 15 Abs. 1 UStG 1967/1973 angeschafft worden sei, sei für die Entscheidung im Rahmen des § 15 Abs. 2 UStG 1967/1973, die nur auf die Verwendung durch Leistungsverhältnisse abstelle, nicht ausschlaggebend.

Das Urteil des FG, das auf anderen Grundsätzen beruht, war daher aufzuheben.

2. Der Senat kann die Sache nicht abschließend entscheiden. Da nach den Feststellungen des FG der erste und zweite Stock des Vordergebäudes erst ab 1. Januar 1979 ,,bis auf einen Teil des zweiten Stocks" zu Wohnzwecken vermietet wurde, ohne daß nähere Feststellungen über diesen verbleibenden Teil vorliegen, läßt sich eine Berechnung des nichtabziehbaren Teils der Vorsteuern nicht durchführen. Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 397

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