Tz. 4

Stand: EL 113 – ET: 09/2019

Mögliche Steuerstraftaten, die durch Vereine verwirklicht werden können, sind zum einen die vorsätzliche Steuerhinterziehung gem. § 370 AO (Anhang 1b) sowie die grob fahrlässige Steuerhinterziehung gem. § 378 AO. Während die Steuerhinterziehung einen Steuerstraftatbestand darstellt, handelt es sich bei der leichtfertigen Steuerverkürzung um eine bloße Ordnungswidrigkeit, die gem. § 377 AO mit einer Geldbuße sanktioniert wird. Neben den vorgenannten allgemeinen Tatbeständen existieren verschiedene weitere Normen, die bestimmte Handlungen sanktionieren. Insbesondere im Bereich der Steuerordnungswidrigkeiten sind das die Steuergefährdung (§ 379 AO), die Gefährdung der Abzugsteuern (§ 380 AO), die Verbrauchsteuergefährdung (§ 381 AO) sowie die Gefährdung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (§ 382 AO).

Hinweis:

Die Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten sind als Sonderstrafrecht nicht im Strafgesetzbuch (StGB) oder im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) geregelt, sondern im steuerlichen Verfahrensrecht, der Abgabenordnung (AO). Allerdings gilt das allgemeine Strafrecht – wie etwa die Abgrenzung von Versuch und vollendeter Straftat, der Täterschaft und Beihilfe, die Fragen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit sowie des Rücktritts – auch im Steuerstrafrecht, so dass grundsätzlich sowohl das StGB als auch die AO Anwendung finden. Aus der Abgabenordnung ergeben sich zudem Besonderheiten wie etwa die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO (Anhang 1b), die außer im Steuerstrafrecht (im übrigen) Strafrecht nicht existiert.

1. Vorsätzliche Steuerhinterziehung gem. § 370 AO

Die vorsätzliche Steuerhinterziehung ist in § 370 AO geregelt und stellt den stärksten Vorwurf steuerstrafrechtlicher Art dar.

1.1 Objektiver Tatbestand

 

Tz. 5

Stand: EL 110 – ET: 02/2019

Eine Steuerhinterziehung liegt vor, wenn jemand

  • den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
  • die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt.

In beiden Fällen müssen hierdurch Steuern verkürzt werden oder für den Täter oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden. Bereits der Versuch als solcher ist unter Strafe gestellt.

 

Tz. 6

Stand: EL 110 – ET: 02/2019

Steuern sind im vorgenannten Sinne immer dann verkürzt, wenn sie

  • nicht,
  • nicht in voller Höhe oder
  • nicht rechtzeitig festgesetzt werden.

Das gilt selbst dann, wenn die Steuer nur vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.

Hinweis:

Eine Steueranmeldung ist etwa die USt-Voranmeldung, in welcher der Steuerpflichtige die von ihm im jeweiligen Voranmeldungszeitraum geschuldete Umsatzsteuer selbst berechnet (sog. Selbstveranlagungssteuer). Das Finanzamt erlässt keinen Steuerbescheid. Vielmehr steht die USt-Voranmeldung einem Steuerbescheid unter einem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 AO, Anhang 1b). Wird die Steueranmeldung (vorsätzlich) fehlerhaft erstellt und werden dadurch Steuern verkürzt, kann das den Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllen.

 

Tz. 7

Stand: EL 110 – ET: 02/2019

Eine Steuerverkürzung liegt auch dann vor, wenn sich die hinterzogene Steuer ermäßigt hätte, vgl. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO. Denkbar ist z. B. eine geschuldete USt, die durch gegenzurechnende Vorsteueransprüche (ggf. sogar bis auf null) reduziert wird, oder eine ESt, die durch einen ggf. unterlassenen Abzug von Betriebsausgaben im Hinblick auf die zugrunde liegenden Einnahmen reduziert werden würde. Es wird hier vom sog. Kompensationsverbot oder vom Vorteilsaus-gleichsverbot gesprochen.

 

Beispiel 1:

Der Verein hat Umsätze in Höhe von 20 000 EUR nicht deklariert und damit 3 800 EUR Umsatzsteuer nicht entrichtet. Zugleich hat der Verein Vorsteuern i. H. v. 3 300 EUR nicht erklärt und somit auch deren Verrechnung verzichtet. Nachdem gegen den Vereinsvorsitzenden ein Strafverfahren wegen vorsätzlicher Umsatzsteuerhinterziehung eingeleitet wurde argumentiert diese, die hinterzogene Steuer belaufe sich nach Verrechnung mit der Vorsteuer auf gerade einmal 500 EUR.

Ergebnis 1:

Eine solche Verrechnung ist aufgrund des Kompensationsgebots jedoch nicht möglich. Mithin steht der Vorwurf einer Umsatzsteuerhinterziehung i. H. v. 3 800 EUR im Raum.

Hinweis:

Vorstehend dargestelltes Verständnis der Norm wird in der Literatur aber abgelehnt, liefe dieses doch auf eine (unzulässige) eigenständige schadensverschärfende Berechnungsvariante des Verkürzungserfolges hinaus. Nach dem sog. Norm-Steuersoll-Begriff ist im Rahmen der steuerstrafrechtlichen Verkürzungsberechnung bei der Ermittlung der Soll-Steuer von einer "richtigen Rechtsanwendung" auszugehen, d. h. dem Täter grundsätzlich zustehende steuerliche Abzugsbeträge sind zu berücksichtigen. Allerdings hat der BGH ein Kompensationsverbot im Verhältnis von nicht erklärten Umsätzen zu ebenfalls nicht geltend gemachten Vorsteuern bejaht. So führte er aus, dass der Strafrichter in einem...

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