Tz. 3

Stand: EL 132 – ET: 06/2023

Die Auffassung der Teilgemeinnützigkeitsfähigkeit der öffentlichen Hand beinhaltet grundsätzlich auch die Abgrenzung zur hoheitlichen Tätigkeit. Der Unterschied, ob eine Betätigung in gemeinnütziger oder hoheitlicher Tätigkeit ausgeübt wird, wird besonders deutlich, wenn man dies am Beispiel der Kindergärten betrachtet.

1. Kindergärten in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft

 

Tz. 4

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Das FG Düsseldorf hatte im Urteil vom 02.11.2010 (AZ: 6 K 2138/08) noch bestätigt, dass kommunale Kindergärten eine hoheitliche Tätigkeit seien, da diese eine eigentümliche und hoheitliche Tätigkeit darstellen, da für jedes Kind ab drei Jahren ein Kindergartenplatz zur Verfügung stehen muss. Im Revisionsverfahren hat der BFH im Urteil vom 12.07.2012, BStBl II 2012, 837 jedoch dem widersprochen und festgestellt, dass Kindergärten der Kommune keine Hoheitsbetriebe, sondern Betriebe gewerblicher Art seien. Der BFH begründet dies wie folgt:

  • § 24 SGB VII stellt nur auf ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot ab,
  • die Zuständigkeit der Aufgabe liegt bei den Landkreisen und kreisfreien Städten und nicht bei der "normalen" Stadt und es besteht ein Anbieter- und Nachfragemarkt.

2. Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft

 

Tz. 5

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Analog hatte auch das FG Hamburg in seinem Urteil vom 05.02.2013, EFG 2013, 956 zu einem Fall der Grunderwerbssteuerbefreiung festgestellt, dass auch die Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft ein Betrieb gewerblicher Art seien, da sie im Wettbewerb zu anderen Kindergärten kommunaler, freigemeinnütziger und privater Träger stehen. Die Revision gegen dieses Urteil wurde zurückgezogen. Die OFD Niedersachsen hat in ihrer Vfg. vom 15.01.2013, DB 2013, 318 bestätigt, dass kirchliche Kindergärten nach dem kirchlichen Selbstverständnis der religiösen Bildung und Glaubensbezeugung dienen und damit kein BgA seien. Das FG Nürnberg ist diesem im Urteil vom 16.10.2014 (4 K 1315/12) gefolgt und hat bei Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft einen religiösen Auftrag gesehen, der eine andere Behandlung als bei der Kommune rechtfertige (EFG 2015, 148).

Von der steuerlichen Behandlung unterscheidet sich der hoheitliche Bereich "Kindergarten" vom Betrieb gewerblicher Art "Kindergarten" dadurch, dass der hoheitliche Kindergarten nicht steuerbar ist, der Kindergarten als Betrieb gewerblicher Art jedoch steuerpflichtig wäre und nur bei Führung als gemeinnütziger BgA Steuerfreiheit i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG (s. Anhang 3) erlangen kann.

3. Exkurs

 

Tz. 6

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Die zuvor beschriebene Abgrenzung der gemeinnützigen und hoheitlichen Tätigkeit führt dazu, dass wenn Körperschaften des öffentlichen Rechts hoheitliche Tätigkeiten auf privatrechtliche gemeinnützige Körperschaften ausgliedern, die Frage der Selbstlosigkeit zu beantworten ist. Die Finanzverwaltung ist bisher (siehe BMF vom 27.12.1990, BStBl I 1991, 81) davon ausgegangen, dass eine privatrechtliche Gesellschaft, die eine juristische Person des öffentlichen Rechts, z. B. Gebietskörperschaft zur Erfüllung der ihm gesetzlich zugewiesenen Pflichtaufgaben zugeschaltet hat wegen fehlender Selbstlosigkeit nicht gemeinnützig sein kann (s. Selbstlosigkeit).

Die Finanzrechtsprechung, so z. B. das FG München im Urteil vom 29.06.1990, UR 1991, 174 oder das FG Köln mit Urteil vom 15.07.2004, EFG 2005, 222 ist dem gefolgt und hat ausgeführt, dass das Merkmal der Selbstlosigkeit grundsätzlich dann nicht erfüllt sein könne, wenn eine Gebietskörperschaft durch eine ausgegliederte Gesellschaft zwar Maßnahmen durchführt, die der Allgemeinheit zugutekommen, zu deren Durchführung die Gebietskörperschaft kraft Gesetzes aber ohnehin verpflichtet sei. In diesen Fällen fehle es der Gesellschaft an einem Opferwillen zugunsten der Allgemeinheit. Der BFH hatte diese Frage lange Zeit nicht zu beurteilen oder hat sie offengelassen (BFH vom 15.12.1993, BStBl II 1994, 314; BFH vom 07.03.2007, BB 2007, 1826).

Gegen diese Auffassung hat sich jedoch in der Literatur Widerstand geregt. So hat sich z. B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Stand 6/2012, § 55 Rz. 7 m. w. N. ausgeführt, dass die Gemeinnützigkeit nicht verloren gehe, wenn die Kommune eine Pflichtaufgabe von einer ausgegliederten Gesellschaft erledigen lasse, da eine Ausgabenersparnis durch Organisationsprivatisierung der Gemeinnützigkeit nicht entgegenstehe.

 

Tz. 7

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Zwischenzeitlich hatte der BFH im Urteil vom 27.11.2013 (AZ: I R 17/12) die Möglichkeit, sich hierzu ausführlich zu äußern. In einem Fall, in dem ein Landkreis seine hoheitliche Pflichtaufgabe, nämlich den bodengebundenen Rettungsdienst (Aufgabe nach dem Brandenburgischen Rettungsdienstgesetz) auf eine gemeinnützige Tochterkapitalgesellschaft ausgegliedert hat, hält der BFH an dem Grundsatz fest, dass der Staat mit seinen Untergliederungen nicht per se gemeinnützigkeitsunfähig ist und bestätigt aber, dass der Träger öffentlicher Verwaltung von seinem Wahlrecht Gebrauch machen kann, seine Aufgaben anstatt in hoheitlicher in privatrechtlicher Form zu erledigen und dies nichts ...

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