Vorteil aus der Vertragsarztzulassung nicht abschreibbar.

Das entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgut des Vorteils aus der Vertragsarztzulassung ist nicht abnutzbar und damit auch nicht abschreibbar.

Hintergrund: Erwerb der Vertragsarztzulassung

Zu entscheiden war ob der – ausnahmsweise zu einem selbstständigen Wirtschaftsgut konkretisierte – wirtschaftliche Vorteil aus einer Vertragsarztzulassung ein abnutzbares oder nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut ist. Die beiden Ärzte X und Y betrieben eine Gemeinschaftspraxis als GbR. In 2004 schloss X mit dem Arzt Q, der eine privatärztliche und vertragsärztliche Praxis betrieb, einen Praxisübernahmevertrag. Danach übernahm X in 2005 die Praxis des Q ohne Forderungen und Verbindlichkeiten. Er kaufte den Patientenstamm und damit den ideellen Wert der Praxis, allerdings ohne die Patientenkartei. Die patientenbezogenen Karteien und Unterlagen sollte Q dem X erst mit Zustimmung der Patienten überlassen. X erwarb keine Praxiseinrichtung und übernahm auch keine Verträge (Praxismietvertrag, Arbeitsverträge, Lieferverträge usw.). Q sollte (vorübergehend) in die Gemeinschaftspraxis eintreten. Der Kaufpreis für den Patientenstamm einschließlich der Patientenkartei betrug 50.000 EUR. Die Übertragung der Praxis erfolgte unter der Bedingung, dass X den Vertragsarztsitz des Q erhält und dass dieser seine niedergelassene Tätigkeit einstellt sowie im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens mitwirkt.

In den Feststellungserklärungen für die Streitjahre 2005 bis 2008 machte die GbR ausgehend von einer Nutzungsdauer von drei Jahren AfA auf die für die Praxisübernahme geleisteten Zahlungen (Kaufpreis 50.000 EUR zzgl. Vermittlungsgebühr 2.320 EUR) geltend. Dem widersprach das FA mit der Begründung, X habe mit dem Erwerb der Kassenzulassung ein nicht abschreibungsfähiges immaterielles Wirtschaftsgut erworben. Das FG bejahte dagegen die Abschreibbarkeit und gab der Klage im Streitpunkt statt.  

Entscheidung: Vorteil aus der Vertragsarztzulassung ist selbstständiges Wirtschaftsgut

Beim Erwerb einer Vertragsarztpraxis wird im Regelfall neben dem Praxiswert kein weiteres immaterielles Wirtschaftsgut in Form des mit der Vertragsarztzulassung verbundenen wirtschaftlichen Vorteils erworben. In Sonderfällen kann allerdings die Vertragsarztzulassung zum Gegenstand eines gesonderten Veräußerungsvorgangs gemacht und damit zu einem selbstständigen Wirtschaftsgut konkretisiert werden. Gegenstand der Veräußerung und Anschaffung ist dann nur der Vorteil aus der Zulassung. Das kann z. B. der Fall sein, wenn ein Arzt zur Erlangung der Zulassung an einen ausscheidenden Arzt eine Zahlung leistet, ohne die Praxis zu übernehmen, weil er den Vertragsarztsitz an einen anderen Ort verlegen will (BFH, Urteile v. 9.8.2011, VIII R 13/08, BStBl II 2011, 875, und v. 21.2.2017, VIII R 7/14). Ist in diesem Sonderfall die Vertragsarztzulassung ausnahmsweise alleiniger Gegenstand des Übertragungsvertrags, konkretisiert sich der Vorteil daraus zu einem selbstständigen immateriellen Wirtschaftsgut.

Ob der Käufer die Praxis oder nur den Vorteil aus der Zulassung erwirbt, entscheidet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Im Streitfall hat X allein den Vorteil der Zulassung erworben. Denn er hat weder Anlage-/Umlaufvermögen noch Praxisverträge des Q übernommen. Auch der Patientenstamm wurde tatsächlich nicht übernommen. Denn die Kartei wurde nicht ausgehändigt und Q sollte seinen Vertragsarztsitz an den Praxisort der GbR verlegen und dort in die Gemeinschaftspraxis eintreten. Somit war die Zulassung alleiniger Gegenstand der Praxisübernahme und hatte sich zu einem selbständigen Wirtschaftsgut konkretisiert.

Keine AfA bei unbefristeter Zulassung

Entgegen der Auffassung des FG kann X allerdings auf das entgeltlich erworbene Wirtschaftsgut des Vorteils aus der Zulassung keine AfA vornehmen. Ein immaterielles Wirtschaftsgut ist nicht abnutzbar, wenn seine Nutzung weder unter rechtlichen noch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zeitlich begrenzt ist. Davon ist hier auszugehen. Denn X kann den Vorteil aus der ihm unbefristet erteilten Zulassung – solange er Inhaber der Zulassung ist – gleichbleibend und ohne Wertverzehr in Anspruch nehmen. Dass die Zulassung mit dem Tod des Inhabers endet, führt nicht zur Abnutzbarkeit des Vorteils. Denn der Vertragsarzt – und auch sein Erbe – kann mit einem entsprechenden Antrag ein Nachbesetzungsverfahren einleiten und den wirtschaftlichen Vorteil aus der Zulassung verwerten.

Der BFH hob daher das entgegenstehende FG-Urteil auf und wies die Klage ab.

Hinweis: Vertragliche Vereinbarungen entscheidend

Die Entscheidung betrifft den Sonderfall, dass es den Beteiligten ausschließlich um die Vertragsarztzulassung geht. Im Regelfall wird bei einer Praxisübernahme neben dem Praxiswert kein weiteres immaterielles Wirtschaftsgut in Form der mit der Zulassung verbundenen Vorteile erworben (vom BFH bekräftigt in der Parallelentscheidung v. 21.2.2017, VIII R 7/14). Nur wenn ausnahmsweise die Zulassung alleiniger Vertragsgegenstand ist, kann ein gesondertes (nicht abschreibbares) Wirtschaftsgut in Form der mit der Zulassung verbundenen Vorteile vorliegen. Entscheidend ist somit für die Vertragsgestaltung, ob eine übliche Praxisübernahme vereinbart werden soll (AfA möglich) oder ob der Vertrag (ohne AfA) ausschließlich auf die Zulassung beschränkt wird. Im ersten Fall stehen die AfA auf die gesamten Erwerbskosten zu. Ein gesonderter auf die Zulassung entfallender - nicht abschreibbarer – Anteil wird aus Praktikabilitätsgründen vernachlässigt. Trägt im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ein Gesellschafter allein die Anschaffungskosten, fällt das Wirtschaftsgut in sein Sondervermögen.

Die früher geltende Altersbegrenzung ist unerheblich

Der BFH verneint die Abschreibung auf dieses Wirtschaftsgut mit dem Hinweis auf die zeitlich unbeschränkt erteilte Zulassung. Da der Inhaber den Vorteil der Zulassung im Rahmen einer späteren Übertragung verwerten kann, erschöpft sich der Wert – auch wenn ihn der Inhaber persönlich nicht unbegrenzt nutzen kann – nicht in einer bestimmten oder bestimmbaren Zeit. Das gilt ungeachtet der beim Erwerb der Zulassung durch X noch geltenden Altersbegrenzung für Vertragsärzte, die inzwischen aufgehoben wurde. Denn trotz einer bestehenden Altersbegrenzung konnte X den Vorteil aus der Zulassung im Rahmen eines Veräußerungsvorgangs verwerten. Der BFH ergänzt, dass eine Abnutzbarkeit auch nicht allein aus der abstrakten Möglichkeit von Gesetzesänderungen im Bereich des Vertragsarztrechts hergeleitet werden kann. 

BFH, Urteil v. 21.2.2017, VIII R 56/14, veröffentlicht am 17.5.2017

Alle am 17.5.2017 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen

Schlagworte zum Thema:  Arzt, Wirtschaftsgut, AfA, Zulassung