Vorabgewinn als umsatzsteuerbares Sonderentgelt

Die Überlassung von Vieheinheiten durch einen Gesellschafter an eine Personengesellschaft unter gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung eines Vorabgewinns erfolgt gegen Entgelt, wenn der Gesellschafter mit der Zahlung rechnen kann. Die Umsätze aus der Überlassung von Vieheinheiten unterliegen nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG, sondern dem Regelsteuersatz.

Hintergrund: Vorabgewinn für die Überlassung von Vieheinheiten

Streitig war, ob gesellschaftsvertraglich vereinbarte Vorabgewinnanteile für die Überlassung von sog. Vieheinheiten in den Jahren 2011 bis 2013 (Streitjahre) umsatzsteuerbar sind und der Durchschnittssatzbesteuerung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe unterliegen.

L ist Land- und Forstwirt. Die im Rahmen seines Betriebs ausgeführten Umsätze versteuert er nach Durchschnittssätzen (§ 24 UStG). Daneben ist er als Komplementär an einer KG beteiligt, die einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhält (Ferkelaufzucht).

Nach dem Gesellschaftsvertrag war L verpflichtet, der KG 140 Vieheinheiten zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Hierfür erhielt er einen Vorabgewinn von 5 EUR je überlassener Vieheinheit.

Das FA ging davon aus, auch die Vergütung aus der Überlassung der Vieheinheiten sei der USt zu unterwerfen und erhöhte die dem Regelsteuersatz unterliegenden Umsätze entsprechend.

Das FG wies die Klage im Streitpunkt ab. Die Überlassung der Vieheinheiten an die KG gegen Zahlung des Vorabgewinns erfolge im Rahmen eines steuerbaren Leistungsaustauschs und unterliege der Besteuerung mit dem Regelsteuersatz.

Entscheidung: Steuerbarer Leistungsaustausch bei Abgeltung der Leistung nach Umfang oder Menge

Der BFH bestätigt die Auffassung des FA und des FG. Die Überlassung der Vieheinheiten an die KG gegen Vorabgewinn ist steuerbar und unterliegt dem Regelsteuersatz.

Leistungsaustausch im Gesellschaftsverhältnis

Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt als Voraussetzung eines steuerbaren Leistungsaustauschs liegt nicht vor, wenn die Gesellschafter für ihre Gesellschaft Leistungen erbringen, die als Gesellschafterbeitrag nur im Rahmen der allgemeinen Gewinnverteilung vergütet werden. Die Gewinnbeteiligung ist weder Entgelt für das Halten der Beteiligung noch Entgelt für Tätigkeiten des Gesellschafters. Denn die Gewinnentstehung hängt nicht unmittelbar mit der Leistungserbringung zusammen, sondern ist von einer Vielzahl von Faktoren und damit zumindest teilweise vom "Zufall" abhängig. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Leistungserbringung liegt dagegen vor, wenn die Leistung nach ihrem Umfang oder ihrer Menge abgegolten wird (BFH v. 25.5.2000, V R 66/99, BStBl II 2004, 310).

"Vorabgewinn" als Entgelt für die Nutzungsüberlassung

Diese Abgrenzung gilt auch bei einer Leistungserbringung gegen Vorabgewinn. Überlassen die Gesellschafter einer GbR ihre land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gegen einen von vornherein feststehenden und jährlich gleichbleibenden "Vorabgewinn" zur Nutzung, kann ein pachtähnlicher Leistungsaustausch gegen Sonderentgelt vorliegen (BFH v. 17.3.1994, V R 39/92, BStBl II 1994, 538).

Im Streitfall hat das FG den Gesellschaftsvertrag dahin ausgelegt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des L (Überlassung von Vieheinheiten) und der hierfür von der KG zu zahlenden Gegenleistung (5 EUR je Vieheinheit) hergestellt wird, indem die Gegenleistung vom Umfang des jeweiligen Leistungsbetrages abhängig ist. Auch wenn bei einer Vergütung der Leistung durch Beteiligung am Gewinn die Annahme eines nicht steuerbaren Gesellschafterbeitrags grundsätzlich nahe liegt, gilt nach den Umständen des Streitfalls etwas anderes. Aufgrund der niedrigen Kapitalverzinsung konnte L fest davon ausgehen, für die von ihm überlassenen Vieheinheiten die vereinbarte und jährlich gleichbleibende Vergütung zu erhalten. Der Leistungsaustausch war somit nicht ganz oder teilweise vom Zufall abhängig.

Regelsteuersatz aufgrund richtlinienkonformer Auslegung

§ 24 UStG ist richtlinienkonform entsprechend Art. 295 ff. MwStSystRL dahin auszulegen, dass die sog. Pauschalausgleich-Prozentsätze nach Art. 300 f. MwStSystRL auf landwirtschaftliche Erzeugnisse und Dienstleistungen Anwendung finden. Die hier streitige Überlassung von Vieheinheiten betrifft keine in landwirtschaftlichen Betrieben erzeugten Gegenstände i.S. des Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 MwStSystRL. Es liegen auch keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen vor.

Durch die Überlassung von sog. Vieheinheiten an eine Mitunternehmerschaft wird es dieser sowohl einkommensteuerrechtlich als auch umsatzsteuerrechtlich ermöglicht, anstelle von gewerblichen Einkünften (Tierzucht) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erzielen und die Umsätze der Durchschnittssatzbesteuerung zu unterwerfen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG). Der Kerngehalt der Überlassung von Vieheinheiten liegt damit in der Verschaffung von Steuervorteilen bei der ESt und der USt. Eine derartige Dienstleistung ist nicht im Leistungskatalog enthalten und (bei der unionsrechtlich gebotenen engen Auslegung der Pauschalregelung) auch den dort genannten Leistungen nicht vergleichbar. Während die im Anhang aufgelisteten Dienstleistungen in einem direkten Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion stehen, unterstützt die Überlassung der Vieheinheiten den Leistungsempfänger nicht dabei, Tiere zu halten. Sie dient daher nicht landwirtschaftlichen, sondern steuerlichen Zwecken.

Hinweis: Beschluss nach § 126a FGO

Der BFH entschied durch Beschluss nach § 126a FGO. Die Vorschrift ermöglicht es, durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn der Senat einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind davon zu unterrichten mit der Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Der BFH verfährt in dieser Weise nur in völlig eindeutigen Fällen, bei denen eine weitere Erörterung keinen neuen Erkenntnisgewinn bringen würde. Der BFH braucht keine Begründung zu geben bzw. kann sich mit einer Kurzbegründung begnügen (§ 126a Satz 3 FGO). Die Vorschrift ist nur bei unbegründeter - nicht bei unzulässiger - Revision anwendbar. Beschlüsse nach § 126a FGO können auch im Umlaufverfahren ergehen.

BFH Beschluss vom 12.11.2020 - V R 22/19 (veröffentlicht am 15.04.2021)

Alle am 15.04.2021 veröffentlichten Entscheidungen des BFH.