Verpflichtung zur Weitergabe der Erbschaft ist keine Nachlassverbindlichkeit
Hintergrund: Weiterleitung der Erbschaft durch den Erben
Der Erblasser E verstarb in 2012. Er hatte X, den Pfarrer einer Kirchengemeinde, und A zu seinen Erben eingesetzt. Da A das Erbe ausschlug, wurde X Alleinerbe. X zeigte dem Landeskirchenamt seine Erbeinsetzung an mit dem Hinweis, dass er das Erbe der Kirchengemeinde zur Verfügung stellen wolle. Im Hinblick auf die beabsichtigte Weiterleitung genehmigte das Landeskirchenamt die Annahme der Erbschaft nach dem Pfarrdienstgesetz (PfDG EKD).
In 2013 übertrug X die Erbschaft im Wege der freien Schenkung auf die Kirchengemeinde. Das FA setzte gegen X ErbSt fest. Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Die Weiterleitung beruhe nicht auf einer Nachlassverbindlichkeit, da sich aus dem Testament keine Verpflichtung zur Weiterleitung ergebe.
Entscheidung: Keine Erwerbsminderung durch Schulden und Lasten nach § 10 Abs. 5 ErbStG
Der BFH bestätigte das FA und das FG und wies die Revision des X zurück. Steuerpflichtiger Erwerb ist die Bereicherung des Erwerbers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Von diesem Erwerb sind als Nachlassverbindlichkeiten die in § 10 Abs. 5 Nr. 1 bis 3 ErbStG aufgeführten Schulden und Lasten abzuziehen (soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt). Die Weiterleitungsverpflichtung, die das Landeskirchenamt als Dienstherr des X ausgesprochen hat, führt nicht zu einem Abzug nach § 10 Abs. 5 ErbStG.
Keine Erblasserschuld i.S. von § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG
§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ist nicht einschlägig. Die Verpflichtung, das Erbe an die Kirchengemeinde weiterzuleiten, ist keine Schuld, die den Erblasser traf. Auch handelt es sich nicht um eine einer sittlichen Verpflichtung des Erblassers entsprechende Last i.S. des BFH-Urteils v. 16.11.1963, II 166/61 (HFR 1964, 83, Haufe-Index 1170752). Die von X aufgeworfene, aber erst im zweiten Schritt zu beantwortende Frage, ob eine wirtschaftliche Belastung des Erben durch die Weiterleitungsverpflichtung vorliegt, welche die Bereicherung i.S. des Nettoprinzips schmälert, stellt sich daher nicht.
Auch der Tatbestand des § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG (Erbfallschuld) ist nicht erfüllt
Die Belastung, die X traf, ist keine der in § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG aufgeführten Lasten. Es liegt keine Auflage, auch keine einer Auflage entsprechende Verpflichtung, vor. Denn die Weiterleitungspflicht hat ihre Ursache nicht in der Person des Erblassers. Sie hängt auch nicht mit dem vererbten Vermögen zusammen, sondern ist ausschließlich in der Person des Erben, nämlich seinem Dienstverhältnis, begründet. Folglich fehlt es bei Weiterleitungsverpflichtung an einem Rückbezug auf den Erblasser. Die Verpflichtung entspringt ausschließlich der Sphäre des X. Dieses Ergebnis verstößt nicht gegen das Nettoprinzip. Denn die Bereicherung, nämlich die Vermögenssituation, die der Erblasser hinterlassen hat, ist bei X eingetreten.
§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG (Kosten für die Abwicklung, Regelung, Verteilung des Nachlasses oder für den Erwerb) greift ebenfalls nicht ein
Das Erbe wurde durch X an die Kirchengemeinde weitergeleitet, um seine Verpflichtung aus dem Dienstverhältnis zu erfüllen, nicht um eine Erbenstellung zu erlangen oder zu sichern. X wurde unabhängig von diesem Vorgang Alleinerbe. Die Belastung aus der Weiterleitungsverpflichtung mindert daher nicht seine Bereicherung.
Die Weiterleitung steht im Ermessen des Dienstherrn
Da bereits der Abzugstatbestand des § 10 Abs. 5 ErbStG nicht gegeben ist, kann offenbleiben, inwiefern sich aus dem PfDG EKD selbst überhaupt eine Weiterleitungsverpflichtung mit der Folge ergibt, dass diese Verpflichtung bereits im Zeitpunkt des Erbanfalls auf X feststand. Nach dem PfDG EKD kann der Dienstherr die Annahme von Zuwendungen, zu denen auch erbrechtliche Begünstigungen gehören, genehmigen. Aus dem Wortlaut folgt nicht, dass die Genehmigung der Erbschaftsannahme von der Weiterleitung des Erben an einen Dritten abhängt. Nach § 32 Abs. 3 Satz 1 PfDG EKD handelt es sich vielmehr um eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn.
Hinweis: Eine abziehbare Auflage setzt eine entsprechende Verpflichtung des Erben voraus
Eine Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG i.S. von § 8 ErbStG liegt nur vor, wenn eine entsprechende rechtliche Verpflichtung des Erben begründet wird. Die bloße Erwartung des Erblassers, der Erbe werde in seinem, des Erblassers, Sinne über das Erbe verfügen, genügt nicht. Zwar braucht die Verpflichtung nicht ausdrücklich angeordnet zu sein. Sie kann sich auch aus einer nicht nur den Wortlaut und den damit verbundenen Sinn, sondern auch den inneren Zusammenhang der letztwilligen Verfügung sowie die Motive und Interessenlage des Erblassers berücksichtigenden Auslegung des Testaments ergeben (BFH Urteil vom 05.11.1992 - II R 62/89, BStBl II 1993, 161). Im Streitfall waren offenbar dem Testament des E keine entsprechenden Anhaltspunkte zu entnehmen. Rein rechtlich konnte X über das Erbe frei verfügen.
BFH Urteil vom 11.07.2019 - II R 4/17 (veröffentlicht am 05.12.2019)
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