Veräußerung eines unentgeltlich bestellten Erbbaurechts

Die Bestellung eines Erbbaurechts ist für den Erbbauberechtigten kein Anschaffungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sodass die Veräußerung des Erbbaurechts innerhalb der Veräußerungsfrist von 10 Jahren – auch nach Bebauung mit einem Gebäude durch den Erbbauberechtigten – kein steuerbares Veräußerungsgeschäft darstellt.

Hintergrund: Bestellung eines Erbbaurechts gegen laufenden Erbbauzins und nachfolgende Errichtung eines Gebäudes

Eine GbR hat an einer Teilfläche eines von ihr 1999 erworbenen unbebauten Grundstücks einer Steuerpflichtigen im selben Jahr ein Erbbaurecht mit einer Laufzeit von 20 Jahren und einem monatlichen Erbbauzins von umgerechnet 1.534 EUR bestellt. Noch im Jahr 1999 errichtete die Steuerpflichtige auf der mit dem Erbbaurecht belasteten Teilfläche des Grundstücks ein Gebäude zum Betrieb eines Restaurants. Anschließend vermietete sie das Objekt an die F-GmbH.

Im Jahr 2005 veräußerten die GbR und die Steuerpflichtige den gesamten Grundbesitz. Das Erbbaurecht der Steuerpflichtigen wurde im Zuge der Abwicklung des Kaufvertrags gelöscht. Streitig ist, ob der Gewinn, den die Steuerpflichtige mit der Veräußerung des Erbbaurechts mit aufstehendem Gebäude erzielt hat, als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft zu erfassen ist.

Entscheidung: Gewinn ist nicht steuerbar

Der BFH entscheidet, dass die Steuerpflichtige mit der Veräußerung des ihr eingeräumten Erbbaurechts - einschließlich des von ihr im Zuge der Erbbauberechtigung errichteten Gebäudes – den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht erfüllt hat.

Hinweis: Erbbauzins begründet keine Anschaffungskosten

Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften auch solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG. Diese umfassen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Veräußerungsgeschäfte sowohl bei Grundstücken als auch bei Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt. Zu den Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, zählt auch das Erbbaurecht.

Erbbauzinsen sind - auch wenn sie in einem Einmalbetrag geleistet werden - keine Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB  für den Erwerb eines Wirtschaftsguts "Erbbaurecht", sondern allein Entgelt für die Nutzung des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks. Die für die Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts unabdingbare "Anschaffung" eines Erbbaurechts setzt nicht nur voraus, dass das Recht im Zeitpunkt der Übertragung bereits vorhanden - d.h. "bestellt" - war und der Inhaber des bestehenden Rechts dieses auf den Erwerber überträgt, sondern auch, dass der Erwerber - der spätere Erbbauberechtigte hierfür - ggf. neben einem laufenden oder in einem Einmalbetrag vorausbezahlten Erbbauzins - ein  zusätzliches Entgelt  leistet.

Nach diesen Grundsätzen hat die Steuerpflichtige das 1999 zu ihren Gunsten bestellte Erbbaurecht nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG "angeschafft", da sie kein bestehendes Recht entgeltlich erworben hat. Vielmehr wurde ihr seitens der GbR ein Erbbaurecht an dem unbebauten Grundstück unentgeltlich eingeräumt. Die Steuerpflichtige hat durch die Veräußerung des Erbbaurechts den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. § 23 EStG nicht verwirklicht.

BFH, Urteil v. 8.11.2017, IX R 25/15; veröffentlicht am 21.3.2018

Schlagworte zum Thema:  BFH-Urteile, Erbbaurecht, Grundstück