Kein Arbeitslohn bei Schenkung von Gesellschaftsanteilen zur Sicherung der Unternehmensnachfolge

Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile in Geld oder Geldeswert (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EStG), die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG).
Sachverhalt: Unentgeltliche Übertragung von Gesellschaftsanteilen
Die Beteiligten streiten darum, ob eine Schenkung von Gesellschaftsanteilen zu Arbeitslohn führt.
Die Klägerin war im Streitjahr 2014 bereits seit vielen Jahren für eine GmbH tätig. Sie erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Die GmbH wurde seinerzeit von Herrn A und Frau B gegründet.
Im Protokoll einer in 2013 stattgefundenen Gesellschafterversammlung zur Unternehmensnachfolge ist ausgeführt, dass die Übertragung von Geschäftsanteilen geplant sei, wodurch die Unternehmensfortführung gesichert werden solle. Die Übertragung der Geschäftsanteile solle zum einen an den Sohn der beiden Gesellschafter und zum anderen an die Klägerin, sowie an X,Y und Z und im folgenden Jahr an C als Mitglieder der Geschäftsleitung erfolgen. Die genannten Personen sollten das Unternehmen auch nach dem Wechsel in der Geschäftsleitung verantwortlich führen und leiten. Eine Führung und Leitung des Unternehmens durch den Sohn sei nicht gewährleistet. Deshalb werde der Erfolg der Gesellschaft von der Einbindung der bisher in der Geschäftsleitung tätigen Mitarbeiter abhängig sein, die daher an der Gesellschaft beteiligt werden sollten.
A und B übertrugen nach Teilung ihrer Geschäftsanteile jeweils Geschäftsanteile im Nennwert von 650 EUR und insgesamt Anteile im Nennwert von 1.300 EUR (5,08 %) an die Klägerin sowie X, Y und Z "mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten mit schuldrechtlicher und wirtschaftlicher Wirkung ab dem 1.1.2014". S erhielt Anteile im Nennwert von insgesamt 19.100 EUR (74,61 %) unter Nießbrauchsvorbehalt.
Die Übertragungen waren weder an Bedingungen oder Beschränkungen noch an einen Fortbestand der Arbeitsverhältnisse geknüpft. Es war lediglich eine Rückfallklausel dahingehend vereinbart, dass der Veräußerer berechtigt sein sollte, die Rückübertragung des Anteils zu verlangen, falls das zuständige Finanzamt die steuerliche Verschonung nach §§ 13a, 13b, 19a ErbStG nicht gewähre oder gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG zum Nachteil des Erwerbers ändere.
Das Finanzamt (FA) vertrat bei der Veranlagung der Klägerin die Auffassung, dass sie von der GmbH steuerpflichtigen Arbeitslohn in Form eines geldwerten Vorteils (unentgeltlicher Erwerb von Geschäftsanteilen) erhalten habe und erhöhte die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um diesen geldwerten Vorteil.
Der Einspruch hiergegen blieb erfolglos.
Der anschließenden Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.
Entscheidung: BFH bestätigt die Auffassung der Vorinstanz
Die Revision des FA ist unbegründet. Der in der schenkweisen Übertragung der Beteiligung an der GmbH liegende Vorteil stellt keinen Arbeitslohn der Klägerin bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit dar.
Der für das Vorliegen von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zunächst erforderliche geldwerte Vorteil liegt insbesondere im Falle der Übertragung einer Beteiligung nicht in der übertragenen Beteiligung selbst. Er besteht vielmehr in der Verbilligung, also in dem Preisnachlass. Der Erwerb einer solchen Beteiligung zum marktüblichen Preis kann hingegen keinen geldwerten Vorteil in diesem Sinne bewirken.
Zudem setzt Arbeitslohn voraus, dass der betreffende geldwerte Vorteil für eine Beschäftigung gewährt wird, also durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist, ohne dass ihm eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist zu bejahen, wenn der Vorteil dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließt und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellt. Es liegt kein Arbeitslohn vor, wenn eine Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird.
Ob eine Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst und damit als Arbeitslohn zu beurteilen ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG.
Die vom FG vorgenommene Würdigung ist nicht zu beanstanden.
- So ist die Anteilsübertragung, auch wenn sie mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängt, durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst. Entscheidendes Motiv für die Übertragung für alle Beteiligten war erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge. So wurde der Sohn zwar mit 74,61 % als Hauptanteilseigner bedacht, zugleich aber dafür Sorge getragen, dass die in der Geschäftsleitung des Unternehmens erfahrene Klägerin und die weiteren leitenden Angestellten mit zusammen 25,39 % der Anteile über die Sperrminorität verfügen und dadurch maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensleitung nehmen können.
- Die fachliche Kompetenz für die Unternehmensleitung, die die Nachfolger, durch ihre (jahrelange) Mitarbeit in dem Unternehmen gezeigt haben, ist bei einer Unternehmensnachfolge ein durchaus essentielles Kriterium. Entsprechend sind bei einer Unternehmensnachfolge, die die Übernahme von Leitungsaufgaben voraussetzt, die Nachfolger regelmäßig bereits vor der Anteilsübertragung in dem Unternehmen tätig. Der Sachgrund der Übertragung ist in diesem Fall die Regelung der Unternehmensnachfolge. Vor dem Hintergrund der Förderung der Unternehmensnachfolge durch die §§ 13a, 13b und 19a ErbStG muss dies auch gelten, wenn der Nachfolger nicht der Unternehmerfamilie angehört. Die Gewährung der steuerlichen Verschonung nach §§ 13a, 13b und 19a ErbStG durch das zuständige FA wurde im Vertrag ausdrücklich zur Vertragsgrundlage erklärt.
- Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stellt keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Anteilsübertragungen vorliegend nicht an den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse geknüpft wurden. Zudem fällt der bei der Klägerin vom FA angenommene Vorteil im Vergleich zu deren Bruttoarbeitslöhnen deutlich aus dem Rahmen. Warum A und B als Dritte trotz ihres eigenen Ausscheidens aus der GmbH der Klägerin allein für ihre in der Vergangenheit geleisteten Dienste eine solche Summe zukommen lassen sollten, ist nicht erkennbar.
- Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, warum A und B ihre leitenden Angestellten trotz sehr unterschiedlicher Beschäftigungsdauer und unterschiedlicher Gehälter mit nämlichen Beteiligungen einheitlich "entlohnen" sollten.
BFH, Urteil v. 20.11.2024, VI R 21/22; veröffentlicht am 16.1.2024
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