BFH: Steuerfreiheit von Raucherentwöhnungsseminaren

Die Durchführung von Raucherentwöhnungsseminaren kann als vorbeugende Maßnahme des Gesundheitsschutzes bei Vorliegen einer medizinischen Indikation eine steuerfreie Heilbehandlung sein.

Hintergrund

Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind steuerfrei die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit. Da diese Vorschrift auf Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG („Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die ...von ärztlichen oder arztähnlichen Berufen erbracht werden“) beruht, ist sie richtlinienkonform auszulegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ alle ärztlichen oder arztähnlichen Leistungen, die zu dem Zweck erbracht werden, die menschliche Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (vgl. z.B. EuGH, Urteil v. 13.3.2014 C-366/12 -Klinikum Dortmund- , Umsatzsteuerrundschau 2014 S. 271. Rz. 30). Der BFH hat deshalb entschieden, dass zu den nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreien Heilbehandlungen auch Leistungen gehören, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden (BFH, Urteil v. 18.8.2011, V R 27/10, BFH/NV 2011 S. 2214, Rz. 14).

Im Streitfall hat eine GbR, an der eine klinische Psychologin mit 1% und ein Psychotherapeut mit 99% beteiligt sind, überwiegend Seminare zur Raucherentwöhnung (daneben auch zur Gewichtsreduktion und zum Stress-Management) durchgeführt. Die GbR hielt ihre Umsätze für steuerfrei nach § 4 Nr. 14 UStG und hatte deshalb keine Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis erteilt. Das Finanzamt versagte hingegen nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Steuerbefreiung. Das Finanzgericht wies die Klage der GbR ab.

Entscheidung

Der BFH entschied, dass es sich bei den von der GbR erbrachten Leistungen im Rahmen der Raucherentwöhnungsseminare durchaus um Heilbehandlungen i.S. von § 4 Nr. 14 UStG handeln könne.

Ausgehend von der inzwischen allgemeingültigen Erkenntnis, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist, befand der BFH, dass die Durchführung von Raucherentwöhnungsseminaren mit dem Ziel der Beendigung des Rauchens als Maßnahmen des Gesundheitsschutzes angesehen werden können. Die Dienstleistungen der GbR können sowohl vorbeugend der Erhaltung der Gesundheit der Teilnehmer dienen als auch der Wiederherstellung der bereits geschädigten Gesundheit.

Dem steht nicht entgegen, dass die Krankenkassen, die die Kosten der Teilnahme an den Seminaren zur Raucherentwöhnung teilweise übernommen haben, die Leistungen als  sog. Präventionsmaßnahmen i.S. des § 20 SGB V qualifiziert haben, die lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern sollen. Derartige Leistungen gehören zwar grundsätzlich nicht zu den steuerbefreiten Heilbehandlungen, weil sie keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben (BFH, Urteil v. 7.7.2005, V R 23/04, BStBl II 2005 S. 904). Etwas anderes gilt aber, wenn Präventionsmaßnahmen im Rahmen einer medizinischen Behandlung z.B. aufgrund ärztlicher Anordnung oder mithilfe einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden (BFH, Urteil v. 10.3.2005, V R 54/04, BStBl II 2005 S. 669). So könnten etwa im vorliegenden Fall die von Betriebsärzten vorgenommenen Sammelüberweisungen von Arbeitnehmern zur Teilnahme an den Raucherentwöhnungsseminaren den Anforderungen an die gebotene medizinische Indikation genügen, wenn die Überweisungen auf medizinischen Feststellungen der Betriebsärzte beruhen.

Hinweis

Der BFH hob das finanzgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurück.

Dieses wird als zuständiges Tatsachengericht zu prüfen haben, ob den Sammelüberweisungen der Betriebsärzte entsprechende medizinische Feststellungen zugrunde lagen oder nicht. Außerdem muss das Finanzgericht feststellen, in welchem  exakten Umfang die GbR Raucherentwöhnungsseminare durchgeführt hat und wie hoch der Anteil der nicht steuerbegünstigten Seminare zur Gewichtsreduktion und zum Stress-Management an den Gesamtumsätzen der GbR war.

 In den Gründen seines Urteils führt der BFH wörtlich aus: „Das Rauchen tötet mehr Menschen als Verkehrsunfälle, Aids, Alkohol, illegale Drogen, Morde und Selbstmorde zusammen. Zigarettenrauchen ist in den Industrieländern die häufigste und wissenschaftlich am deutlichsten belegte Einzelursache für den Krebstod.“ Das sollte zum Nachdenken anregen.

Urteil v. 26.8.2014, XI R 19/12, veröffentlicht am 3.12.2014

Alle am 3.12.2014 veröffentlichten Entscheidungen im Überblick

Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Gesundheitsvorsorge