Steuerentstehung bei Vermittlungsleistungen

Die Vereinbarung einer Ratenzahlung begründet keine Uneinbringlichkeit i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG.

Hintergrund: Ratenweise Bezahlung einer Vermittlungsleistung in den Folgejahren

Es handelt sich um die Nachfolgeentscheidung zu dem EuGH-Urteil X-Beteiligungsgesellschaft v. 28.10.2021, C-324/20, EU:C:2021:880)

Die T-GmbH (Auftraggeberin) hatte die X (Auftragnehmerin) beauftragt, im Rahmen eines Grundstückskaufs zu vermitteln. X war von Januar bis September 2012 tätig. Der Grundstückskaufvertrag wurde in 2012 abgeschlossen. Vereinbart war ein Honorar von netto 1 Mio. EUR, das in 5 Teilbeträgen von netto 200.000 EUR im Abstand von jeweils einem Jahr gezahlt werden sollte. Der erste Teilbetrag war am 30.06.2013 fällig. X erstellte jeweils zum Fälligkeitszeitpunkt Rechnungen über die Teilbeträge und versteuerte entsprechend der Vereinnahmung beginnend in 2013.  

Das FA ging davon aus, X habe aufgrund der in 2012 erbrachten Vermittlungsleistung das gesamte Vermittlungshonorar bereits in 2012 zu versteuern

Das FG gab der Klage überwiegend statt. In 2012 sei lediglich der im Folgejahr (Juni 2013) fällige erste Teilbetrag von 200.000 EUR zu erfassen. Im Übrigen sei wegen der hinausgeschobenen Fälligkeit über mehr als 2 Veranlagungszeiträume von einer Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG auszugehen. 

Auf die Revision des FA hatte der BFH das Verfahren ausgesetzt und die Problematik dem EuGH vorgelegt (Vorlagebeschluss v. 07.05.2020, V R 16/19, BStBl II 2021, 884).

Nachdem der EuGH über die Vorlagefrage entschieden hat (EuGH-Urteil X-Beteiligungsgesellschaft v. 28.10.2021, C-324/20, EU:C:2021:880), konnte der BFH über die Revision des FA entscheiden.   

Entscheidung: Problematik der Teilleistungen

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Entgegen der Auffassung des FG liegt keine Uneinbringlichkeit i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG vor. Das FG hat weitere Feststellungen zur Steuerentstehung bei Teilleistungen zu treffen.

Ratenzahlung begründet keine Uneinbringlichkeit

Nach der Entscheidung des EuGH X-Beteiligungsgesellschaft ist die Nichtbezahlung eines Teilbetrags der Vergütung vor seiner Fälligkeit bei Vorliegen einer Ratenzahlungsvereinbarung nicht als Nichtbezahlung des Preises einzustufen. Sie mindert deshalb nicht die Bemessungsgrundlage. Eine vor ihrem Zahlungstermin nicht fällige Honorarrate ist nicht gleichzusetzen mit der nur teilweisen Erfüllung der bestehenden Forderung.

Dem schließt sich der BFH für die Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit in § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG an. Die Uneinbringlichkeit liegt somit nicht bereits aufgrund der Vereinbarung einer Ratenzahlung vor. Damit erweist sich das Urteil des FG, wonach bei einer hinausgeschobenen Fälligkeit über mehr als zwei Besteuerungszeiträume Uneinbringlichkeit anzunehmen ist, als unzutreffend.

Keine Einschränkung der Sollbesteuerung

Hierzu hat der EuGH entschieden, dass der Steueranspruch nach Art. 63 MwStSystRL zum Zeitpunkt der Ausführung des jeweiligen Umsatzes unabhängig davon entsteht, ob die Gegenleistung bereits entrichtet wurde. Daher schuldet der Lieferer oder der Dienstleister dem Fiskus die USt selbst dann, wenn er von seinem Kunden noch keine Zahlung erhalten hat (EuGH X-Beteiligungsgesellschaft, Rz 54). Dementsprechend kommt eine Einschränkung der Sollbesteuerung dahin, dass der Unternehmer nur bereits fällige Entgeltansprüche zu versteuern hat, nicht in Betracht. Der EuGH sieht insoweit den Umstand als unbeachtlich an, dass die Steuerpflichtigen die USt, die sie an den Staat zu entrichten haben, vorfinanzieren müssen, wenn sie einmalige Leistungen erbringen, deren Vergütung ratenweise erfolgt (EuGH X-Beteiligungsgesellschaft, Rz. 51).

Dies ist der Auslegung von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG zugrunde zu legen, so dass die Sollbesteuerung nicht auf bereits fällige Entgeltansprüche beschränkt ist.  

Teilleistungen

§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 UStG ordnet eine Steuerentstehung mit Leistungsausführung auch für Teilleistungen an. Teilleistungen liegen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird.

Im Streitfall ist offen, ob die Voraussetzungen für eine Teilleistung vorliegen. Zwar ist das FG von einer nur "einmaligen Leistung" ausgegangen, die der EuGH-Rechtsprechung entspricht. Das FG hat dies damit begründet, dass eine abweichende Auslegung der Honorarvereinbarung, wie die X dies mit einer nachträglich gefertigten Ergänzungsvereinbarung erreichen möchte, nicht in Betracht komme. Denn aus dieser ergebe sich nicht, ob die darin getroffenen Vereinbarungen bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Honorarvereinbarung bestanden haben. Damit käme es zur Steuerentstehung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG (Sollbesteuerung).

Diese Würdigung ist aber für den Senat nicht bindend i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, da die X als Revisionsbeklagte hierzu eine zulässige und begründete Verfahrensgegenrüge erhoben hat.

Zurückverweisung an das FG

Das FG wird neben der Auslegung der schriftlich abgeschlossenen Vereinbarungen auch zusätzliche Erkenntnisse aus einer weitergehenden Beweiserhebung berücksichtigen müssen.

Hinweis: Kritik an der Sollbesteuerung

Die Sollbesteuerung ist damit nicht auf bereits fällige Entgeltansprüche beschränkt. Der an dieser EuGH-Rechtsprechung geäußerten Kritik (Stadie, UR 2022, 1) schließt sich der BFH nicht an. Denn der Gesetzgeber hat die in Art. 66 Buchst. b MwStSystRL eingeräumten Möglichkeit, die Steuer erst mit der Entgeltvereinnahmung entstehen zu lassen, durch § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 20 UStG nur eingeschränkt ausgeübt. Es obliegt dem nationalen Gesetzgeber, die Voraussetzungen für diese Istbesteuerung, die auf die X nach der bestehenden Rechtslage nicht anzuwenden ist, festzulegen. Der Hinweis auf die Befugnis des nationalen Gesetzgebers kann als Anstoß dazu gesehen werden, die gegenwärtige Rechtslage zu überdenken.

BFH Urteil vom 01.02.2022 - V R 37/21 (V R 16/19), V R 37/21, V R 16/19 (veröffentlicht am 02.06.2022)

Alle am 02.06.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen.


Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Bemessungsgrundlage, Ratenzahlung