Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG

Bei der Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen muss das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor der Verschmelzung zu mindestens 95 % an der verschmolzenen abhängigen Gesellschaft ununterbrochen beteiligt gewesen sein (Vorbehaltensfrist). Die Frist von fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist) muss nicht eingehalten werden.

Hintergrund: Verschmelzung der grundstückbesitzenden Tochtergesellschaft auf die Konzern-Muttergesellschaft

Die A-AG war seit mehr als 5 Jahren Alleingesellschafterin einer grundstückbesitzenden Tochtergesellschaft (B-GmbH). In 2012 übertrug die B-GmbH als übertragender Rechtsträger ihr Vermögen als Ganzes (also einschließlich der Grundstücke) unter Auflösung ohne Abwicklung auf die A-AG als übernehmender Rechtsträger (Verschmelzung durch Aufnahme, § 2 Nr. 1 UmwStG). Das Vermögen der B-GmbH ging mit Eintragung der Verschmelzung auf die A-AG über und die B-GmbH erlosch.

Das FA sah in dem Übergang der Grundstücke der B-GmbH auf die A-AG einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang und versagte die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG, da wegen Erlöschens der B-GmbH die 5-jährige Nachbehaltensfrist nicht eingehalten war. Nach § 6a GrEStG wird für bestimmte steuerbare Erwerbe aufgrund einer Umwandlung (z.B. Verschmelzung) die GrESt nicht erhoben, wenn an der Umwandlung ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft beteiligt sind und die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft in Höhe von mindestens 95 % innerhalb von 5 Jahren nicht nur vor, sondern auch nach der Umwandlung besteht.

Das FG gewährte die Steuerbegünstigung. Auch wenn der übertragende Rechtsträger (hier: B-GmbH) nach der Verschmelzung nicht mehr existiert und damit kein Abhängigkeitsverhältnis für einen fünfjährigen Folgezeitraum bestehen kann, sei § 6a GrEStG anzuwenden, da der "Verbund" durch die Verschmelzung nicht erlösche, sondern sich im übernehmenden Rechtsträger (hier: A-AG) konkretisiere. Dagegen legte das FA Revision ein.

Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG eine nach Art. 107 Abs. 1 AEUV verbotene Beihilfe ist (BFH vom 30.05.2017 - II R 62/14, BStBl II 2017 S. 916). Der EuGH verneinte die Vorlagefrage mit dem Urteil "A-Brauerei" (EuGH vom 19.12.2018 - C-374/17, EU:C:2018:1024, BFH/NV 2019 S. 190).

Entscheidung: § 6a GrEStG erfasst auch die Verschmelzung einer abhängigen Gesellschaft auf ein herrschendes Unternehmen

Auf die Entscheidung des EuGH konnte der BFH nunmehr über die Revision des FA entscheiden. Der BFH bestätigte das FG-Urteil. 

§ 6a GrEStG verstößt nicht gegen Unionsrecht

Der EuGH rechtfertigt die Nichteinstufung des § 6a GrEStG als Beihilfe damit, dass die Regelung eine übermäßige Besteuerung von Umwandlungen innerhalb eines Konzerns verhindern soll. Andernfalls käme es zu einer Doppelbesteuerung zunächst bei Übergang der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft und später bei Übertragung des Grundstücks aufgrund einer konzerninternen Umwandlung.

§ 6a GrEStG gilt auch ohne Doppelbesteuerung im Einzelfall

Aus dieser Begründung ist jedoch nicht zu folgern, dass § 6a GrEStG nur im Falle einer Doppelbesteuerung keine verbotene Beihilfe, also unionsrechtskonform ist und im Falle einer fehlenden Doppelbesteuerung dem Unionsrecht widerspricht. Eine solche Differenzierung ist in der Vorschrift nicht angelegt. Deshalb ist nach der Entscheidung des EuGH die Steuerbefreiung zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt sind. Es bedarf keiner Feststellung einer Doppelbesteuerung im konkreten Einzelfall.

Weite Auslegung des § 6a GrEStG

§ 6a Satz 4 GrEStG ist dahingehend weit auszulegen, dass die Fristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Der Begünstigungszweck, Umstrukturierungen zu erleichtern, würde verfehlt, schlösse man die Umwandlungsvorgänge, die in der Praxis sehr häufig vorkommen - die vertikale Verschmelzung und die Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung - von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 6a GrEStG aus. Die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung (Ländererlasse v. 19.6.2012, BStBl I 2012 S. 662) findet im Gesetz keine Stütze.

Hiervon ausgehend sind im Streitfall die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung erfüllt. Es ist unschädlich, dass die A-AG nach der Verschmelzung aus umwandlungsrechtlichen Gründen nicht weitere 5 Jahre an der B-GmbH beteiligt war, da diese aufgrund der Verschmelzung erloschen ist.

Hinweis: Weitere Entscheidungen in Parallelfällen

Die am Gesetzeszweck orientierte Auslegung, die Umstrukturierung im Konzern zu erleichtern, ist überzeugend. Anders als das BMF legte der BFH auch in fünf weiteren Urteilen vom 21.08.2019 - II R 15/19, II R 16/19, II R 19/19, II R 20/19 und II R 21/19) die Steuerbegünstigung zugunsten der Steuerpflichtigen weit aus. Das gilt sowohl für den in der Norm verwendeten Begriff des herrschenden Unternehmens als auch für die Frage, welche Umwandlungsvorgänge von der Steuerbegünstigung erfasst werden. In dem Urteil vom 22.08.2019 - II R 17/19, sah der BFH die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung mangels Einhaltung der Vorbehaltensfrist nicht als erfüllt an.

BFH Urteil vom 22.08.2019 - II R 18/19 (II R 62/14), II R 18/19, II R 62/14 (veröffentlicht am 13.02.2020)

 Alle am 13.02.2020 veröffentlichten Entscheidungen