Künstliche Befruchtung in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft

Aufwendungen einer empfängnisunfähigen Frau für eine künstliche Befruchtung mit Spendersamen sind auch dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.

Hintergrund: In-vitro-Fertilisation bei Frauen-Partnerschaft

Die Klägerin A lebte in 2011 in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Eine eingetragene Partnerschaft bestand zu dieser Zeit noch nicht. Aufgrund einer primären Sterilität konnte A ohne medizinischen Eingriff nicht schwanger werden. Deshalb ließ sie in 2011 in einer Klinik in Dänemark eine In-vitro-Fertilisation (IVF) unter Verwendung von Spendersamen durchführen. Die Klinik unterlag der Kontrolle der dänischen Gesundheitsbehörden. Durch die Behandlung entstanden A Kosten von rund 8.500 EUR (Medikamente, Durchführung der IVF, Fahrt- und Übernachtungskosten).

Das FA verweigerte den Abzug mit der Begründung, die Maßnahme sei nicht entsprechend den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen worden. Das FG wies die Klage ab. Die Kinderlosigkeit der A sei nicht unmittelbare Folge ihrer Unfruchtbarkeit gewesen, sondern sei zugleich darin begründet, dass sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebe, in der die Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege ausgeschlossen sei.

Entscheidung: Empfängnisunfähigkeit ist Krankheit

In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten – unabhängig von Art und Ursache der Erkrankung – aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Die Empfängnisunfähigkeit einer Frau ist eine Krankheit (BFH v. 28.7.2005, III R 30/03, BStBl II 2006, 495). Dementsprechend erkennt der BFH Aufwendungen für künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität an, wenn diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen der Ärzte vorgenommen wird (BFH v. 17.5.2017, VI R 34/15, BFH/NV 2017, 1371). Weitere Voraussetzung ist, dass die Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht. Denn eine nach nationalem Recht verbotene Behandlung kann keinen zwangsläufigen Aufwand begründen. Die Behandlung darf daher nicht gegen das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verstoßen und muss den Richtlinien der Berufsordnungen der Ärzte entsprechen.

Behandlungskosten sind Krankheitskosten

Hiervon ausgehend sind die Behandlungskosten der A als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Es handelt sich um Krankheitskosten, auch wenn mit der Behandlung nicht die Ursachen der Krankheit behoben werden, sondern eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ bezweckt wird. Unerheblich ist, dass die IVF mit heterologem Samen (Spendersamen) durchgeführt wurde. Denn bei einer gleichgeschlechtlichen (Frauen-)Partnerschaft ist bereits vom Grund her eine künstliche Befruchtung mit homologem Samen (d.h. Samen des Ehemanns bzw. des Partners) ausgeschlossen. Das Paar ist somit auf die Verwendung von heterologem Samen angewiesen.

Einklang mit den ärztlichen Berufsordnungen

Der BFH sieht auch keinen Widerspruch zu den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen. Nach verschiedenen von den Landesärztekammern (z.B. Bayern, Berlin Brandenburg) auf der Grundlage der Musterrichtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion (Muster-RL) erlassenen Landes-Richtlinien sollen Methoden der assistierten Reproduktion nur bei Ehepaaren bzw. bei nicht verheirateten Frauen in festgefügter Partnerschaft mit einem Mann, der die Vaterschaft anerkennen wird, angewandt werden. Anders als zur Zeit vor Erlass der Muster-RL ist aber eine heterologe Insemination bei Frauen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, nicht mehr explizit ausgeschlossen. Da es bei Behandlungen, die im Ausland durchgeführt werden, ausreichend ist, wenn die Behandlung zumindest in einem Bundesland hätte vorgenommen werden können, ist es im Streitfall auch unschädlich, dass A sich der Behandlung in Dänemark unterzogen hat.

Der BFH hob daher das FG-Urteil auf und gab der Klage in vollem Umfang statt. Eine Aufteilung der Kosten kommt nicht in Betracht, da die Aufwendungen insgesamt dazu dienten, die Fertilitätsstörung der A auszugleichen.

Hinweis: Keine Aufteilung der Kosten

Der Muster-RL der Bundesärztekammer v. 17.2.2006 ist ein Kommentar beigefügt, nach dem die heterologe Insemination bei Frauen, die in keiner Partnerschaft oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, ausgeschlossen ist. Dieser die Musterrichtlinie interpretierende Kommentar ist nicht verbindlich und wurde lediglich von einigen Landesärztekammern (Saarland, Sachsen, Thüringen) übernommen. A hätte die Behandlung daher z.B. auch in Hessen vornehmen können. Aber anders als dass hessische FG (Urteil v. 15.11.2016, 9 K 1718/13, EFG 2017, 473) sieht der BFH die Behandlung als untrennbare Einheit an mit der Folge des vollen Abzugs der mit der Behandlung insgesamt verbundenen Kosten. Nach der Auffassung des hessischen FG sollen die im Anschluss an die Entnahme der Eizellen vorgenommene Befruchtung und Wiedereinsetzung keine Heilbehandlung sein, da die Kinderlosigkeit auf der Gleichgeschlechtlichkeit der Partner beruhe und auch eine gesunde Frau in diesem Fall immer auf eine Fremdsamenspende angewiesen sei. Gegen die Entscheidung des hessischen FG ist bereits unter dem 5.10.2017, VI R 2/17, ein Urteil ergangen, das allerdings noch nicht veröffentlicht ist.

BFH, Urteil v. 5.10.2017, VI R 47/15; veröffentlicht am 3.1.2018

Alle am 3.1.2018 veröffentlichten Entscheidungen des BFH