Keine Schenkungsteuer für die Zuwendung einer Schweizer Stiftung
Hintergrund: Unterstützung durch eine ausländische Familienstiftung
Die in 2008 mit Sitz in der Schweiz errichtete X-Familienstiftung verfolgt nach der Stiftungsurkunde und dem Stiftungsreglement keinerlei wirtschaftliche Zwecke, sondern die Unterstützung von Angehörigen der Familie Y zum Zweck der Ausstattung. Die Unterstützung soll als Anschubfinanzierung verwendet werden und kann Angehörigen der Familie Y einmalig "in jugendlichen Jahren" ausgerichtet werden.
Der Stiftungsrat entscheidet im Rahmen des Stiftungszwecks nach seinem Ermessen darüber, ob eine Zuwendung erfolgt sowie über den Empfänger, die Höhe und den Zeitpunkt der Unterstützungsleistungen. Ein Rechtsanspruch darauf besteht nicht.
In 2011 wandte die Stiftung dem damals 29-jährigen B, einem Nachkommen der Familie Y, einen Betrag von x Mio. EUR zu. Die Stiftung hatte von 2009 bis 2014 Zuwendungen an 40 Empfänger geleistet, die im Zuwendungszeitpunkt zwischen 29 und 37 Jahre alt waren.
Die Stiftung vertrat die Ansicht, der Vorgang sei als satzungsgemäße Zuwendung nicht steuerbar. Das FA setzte dagegen unter Zugrundelegung der Steuerklasse III und eines Freibetrags von 20.000 EUR SchenkSt fest. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, es handele sich nicht um eine Zuwendung in jugendlichen Jahren und damit um eine satzungswidrige Zuwendung.
Entscheidung: Keine freigebige Zuwendung, solange der Satzungszweck nicht eindeutig überschritten ist
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass satzungsgemäße Zuwendungen einer Stiftung an ihre Berechtigten nicht der SchenkSt unterliegen. Denn soweit die Zuwendungen dem Stiftungszweck dienen, fehlt es am Merkmal der Freigebigkeit (BFH v. 13.4.2011, II R 54/09, BStBl II 2011, 732).
Die Orientierung am Satzungszweck entspricht der Behandlung einer gesellschaftsrechtlich veranlassten Ausschüttung. Die Stiftung verfolgt einen Stiftungszweck wie eine Gesellschaft den Gesellschaftszweck und sie verfügt wie eine Gesellschaft über ein privatautonom geschaffenes Statut, an das die Organe gebunden sind. Es ist deshalb kein Grund erkennbar, im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die Stiftung und ihre Ausschüttungen anders zu behandeln als eine Gesellschaft und deren Ausschüttungen.
"Einschätzungsprärogative" der Stiftungsorgane
Bei der Frage, ob eine Zuwendung formell und materiell der Satzung entspricht, ist dem für die Ausrichtung der Zuwendung verantwortlichen Organ der Stiftung ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zuzubilligen, der erst verlassen ist, wenn die Zuwendung den Satzungszweck eindeutig überschreitet. Insoweit besteht eine stiftungsinterne Einschätzungsprärogative, die eine Überprüfung durch das FA und FG entsprechend einschränkt.
Der Satzungszweck ist erst mit einer schlechterdings unvertretbaren Auslegung eindeutig überschritten. Es wäre nicht sachgerecht, unterhalb dieser Schwelle dem FA bzw. FG die Befugnis zuzugestehen, ihre Einschätzung an die Stelle der Stiftungsorgane zu setzen. Ein Missbrauch ist dadurch nicht zu befürchten, da ein solcher eine unvertretbare Auslegung voraussetzen würde. Zudem unterliegen die Stiftungsorgane den im Stiftungsrecht bzw. den Statuten vorgesehenen Regeln und Kontrollen.
Im Streitfall ist der Ermessensspielraum nicht überschritten
Hiervon ausgehend entspricht die streitige Zuwendung an B dem Stiftungszweck. Tatsachen, die auf eine eindeutige Überschreitung des Stiftungszwecks hindeuten, sind nicht erkennbar. Es liegt nicht neben der Sache, einem 29-jährigen eine Anschubfinanzierung zu gewähren, und zwar unabhängig von seinen Zukunftsplänen. Es ist auch nicht gänzlich ausgeschlossen, das Alter von 29 Jahren noch als "in jugendlichen Jahren" zu verstehen, wenn dieser Begriff satzungsspezifisch ausgelegt wird. Soweit die Auslegung der Stiftungssatzung in Einzelheiten streitig ist, fällt dies unter die Einschätzungsprärogative, die der Stiftungsrat im Streitfall nicht verlassen hat.
Der Begünstigte ist nicht Zwischenberechtigter
Die Zuwendung ist auch nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG steuerbar. B ist nicht "Zwischenberechtigter" in diesem Sinne. Zwischenberechtigter ist, wer unabhängig von einem konkreten Ausschüttungsbeschluss über eine (dingliche oder schuldrechtliche) Rechtszuständigkeit an dem in der Vermögensmasse gebundenen Vermögen und/oder an den durch die Vermögensmasse erzielten Erträgen verfügt.
Nicht zwischenberechtigt ist, wer über keine Rechte an der Vermögensmasse oder Ansprüche gegenüber der Vermögensmasse verfügt. Die Vorschrift wurde geschaffen, um auch die Bindung von Vermögen in den in anglo-amerikanischen Staaten gebräuchlichen Formen des sog. common law trust zu erfassen, die nach der damaligen Rechtsprechung zunächst weder beim Trustverwalter noch beim Begünstigten zu einem steuerbaren Erwerb geführt hat. Dies setzt gedanklich Rechte und Ansprüche voraus. Wer aber kraft Entscheidung eines Dritten eine Zuwendung erhält, ist nicht Rechtsinhaber in diesem Sinne.
Hinweis: Parallele zum Gesellschafts- und Verwaltungsrecht
Der BFH zieht eine Parallele zum Gesellschafts- und Verwaltungsrecht. Zuwendungen, die dem Gesellschaftszweck dienen (societas causa), sind als gesellschaftsrechtlicher Vorgang und nicht als freigebige Zuwendung an die Gesellschaft zu beurteilen (BFH v. 17.10.2007, II R 63/05, BStBl II 2008, 381). Im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern existieren deshalb grundsätzlich keine freigebigen Zuwendungen (BFH v. 13.9.2017, II R 54/15, BStBl II 2018, 202). Auch unentgeltliche Übertragungen von Trägern öffentlicher Verwaltungen erfolgen regelmäßig nicht freigebig und sind daher keine Schenkungen. Denn wegen der haushaltsrechtlichen Bindung handeln die Träger öffentlicher Verwaltung nicht freigebig, sondern in Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben. Nur wenn ein Träger öffentlicher Verwaltung den Rahmen seiner Aufgaben eindeutig überschreitet, kommt eine freigebige Zuwendung in Betracht (BFH v. 27.11.2013, II R 11/12, BFH/NV 2014, 579).
Die Feststellungslast für die Umstände, die zu einer eindeutigen Überschreitung des Satzungszwecks führen, liegt beim FA.
Zu § 7 Abs. 1 Nr. 9 Halbsatz 2 ErbStG stellt der BFH klar, dass die weite Auslegung des Begriffs des Zwischenberechtigten im Fall eines Trusts amerikanischen Rechts nicht auf ausländische Stiftungen, die in ihrer Struktur deutschen Stiftungen entsprechen, übertragen werden kann. Der gegenteiligen Rechtsauffassung der Vorinstanz (FG Baden-Württemberg v. 22.4.2015, 7 K 2471/12, EFG 2015, 1461) wurde auch im Schrifttum widersprochen.
BFH Urteil vom 03.07.2019 - II R 6 16 (veröffentlicht am 10.10.2019)
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